Bereits am 25. Juli 2014 hatte die New York Public Service Commission im Rahmen eines Audits die Kostenexplosion festgestellt, doch erst jetzt hat sie den Bericht veröffentlicht. Demnach ging das Upgrade der SAP-Infrastruktur bei National Grid bereits im November 2012 live - zeitgleich in etwa mit dem historischen Hurrikan "Sandy", der damals an der amerikanischen Ostküste wütete. Schon kurz nach dem Go-Live begannen die Probleme, die vor allem den Bereich Lohn und Gehalt betrafen. Das Chaos rund um die Naturkatastrophe mit den anschließenden Aufräumarbeiten sollen die Schwierigkeiten noch verstärkt haben.
Der Versorger musste 450 Experten hinzuziehen, um das Payroll-Problem zu lösen. Dem Prüfbericht zufolge kamen weitere 400 Spezialisten dazu, die sich mit Probleme rund um Zulieferketten und Finanzabschlüssen beschäftigt hätten. So sollen im Geschäftsjahr 2015 Projektkosten von 945,1 Millionen Dollar anfallen, schreibt der "IDG News Service".
Der Audit geht ins Detail, was die Ursachen für das Softwaredesaster betrifft. National Grid habe sich nicht auf "SAP-Implementierungspartner mit nachweislichen Erfolgen bei amerikanischen Versorgern verlassen", heißt es. Ursprünglich habe der Energieriese Deloitte verpflichtet, sich später aber für einen Wechsel der Partner entschieden und sowohl Ernst & Young als auch Wipro beauftragt.
Intransparentes Auswahlverfahren
Dem Versorger wird vorgeworfen, SAP als neue Plattform gewählt zu haben, ohne sich vorher ausgiebig mit anderen Behörden über deren Erfahrungen ausgetauscht zu haben. Stattdessen habe man sich weitgehend auf National Grid UK verlassen, das ebenfalls auf SAP-Software gewechselt hatte. So sei auch Wipro zum Zuge gekommen, das große Erfahrung in Europa aufweisen könne, aber mit den spezifischen regulatorischen Anforderungen an US-Versorger zuvor kaum zu tun gehabt habe.
- Fehler und Konsequenzen
Fehler beim Projektmanagement können fatal sein. Das Vorhaben verzögert sich oder kostet deutlich mehr. Im schlimmsten Fall scheitert es ganz. Alexander Galdy hat die 14 häufigsten Fehler aufgelistet und schlägt Lösungen vor - 1. Das falsche Personal
<b>Der Fehler:</b> Nicht die richtigen Leute für ein Projekt zu haben, kann das ganze Vorhaben sterben lassen. Alle Planungen sind nichts wert, wenn die Talente fehlen.<br> <b>Die Lösung:</b> IT- und Projektmanagement müssen einen kompletten Überblick über die Fähigkeiten und Belastungsgrenzen des Personals haben. - 2. Keine erfahrenen Projektmanager
<b>Der Fehler:</b> Projekte können außer Kontrolle geraten, wenn ein erfahrener Projektmanager am Steuer fehlt.<br> <b>Die Lösung:</b> Es muss ein Projektmanager her, der über die richtigen Zertifizierungen und die Finesse verfügt, die Akteure zu steuern. Gute Projektmanager verstehen es, Meetings in die gewünschte Richtung zu lenken. - 3. Keine Methode
<b>Der Fehler: </b>Keine Methode mit Standards zu haben erhöht das Risiko, dass das Projekt durch das Raster fällt. Dann kann es komplett überarbeitet werden müssen. <br> <b>Die Lösung: </b>Eine Methodik hilft, Projekte effizienter zu gestalten und informiert über alle Aktivitäten, die bei der Ausführung dazu gehören. - 4. Zu viele Prozesse
<b>Der Fehler: </b>Zu viele Prozesse auf einmal machen das Projektteam unflexibel. Was dabei herauskommt ist Frust bei den Beteiligten.<br> <b>Die Lösung: </b>Flexibel sein und mit Auftraggebern und Projektbeteiligten kommunizieren. - 5. Umfangsänderungen werden nicht berücksichtigt
<b>Der Fehler: </b>Das Budget für das Projekt explodiert. Zeitpläne sind nur Makulatur.<br> <b>Die Lösung: </b>Ein Dokument sollte die spezifischen Änderungen auflisten. Der Projektleiter muss dann ermitteln, wie sie sich auf das Budget und den Zeitplan auswirken. Zuletzt unterschreibt der Auftraggeber den Änderungsantrag. - 6. Keine Ahnung über den Status quo
<b>Der Fehler: </b>Bei vielen IT-Projekten fehlen aktuelle Daten über den momentanen Status. Vor allem ist es schier unmöglich, Ressourcen zu koordinieren oder auf Veränderungen zu reagieren.<br> <b>Die Lösung: </b>Software einsetzen und sich stets über den aktuellen Stand der Dinge informieren. - 7. Probleme ignorieren
<b>Der Fehler: </b>Probleme lösen sich leider nicht von selbst. Sie nehmen immer mehr zu, je länger man wartet. Die Folge sind steigende Kosten.<br> <b>Die Lösung: </b>Wenn mal etwas schief läuft, kommt es anschließend darauf an, wie schnell man es wieder in Ordnung bringt. Also nicht jammern, sondern handeln. - 8. Umfang nicht klar definieren
<b>Der Fehler: </b>Wenn der Umfang eines Projekts nicht klar umrissen ist, kann es so aufgeblasen enden wie Elvis in seinen letzten Jahren.<br> <b>Die Lösung: </b>IT und Business sollten sich zunächst einmal Zeit nehmen und die Grenzen des Projekt strikt feststecken. - 9. Zusammenhänge zwischen Projekt nicht sehen
<b>Der Fehler: </b>Projekte laufen niemals isoliert für sich allein. Sie hängen oft mit anderen zusammen. Die Folge: Auch andere Projekt können den Bach runtergehen.<br> <b>Die Lösung: </b>Zusammenhänge zwischen einzelnen Projekten sollten schon bei der Planung berücksichtigt werden. Dabei hilft es, sich mit allen zu besprechen. - 10. Murphy's Law vergessen
<b>Der Fehler: </b>Probleme kann es immer geben. Dann folgt meist eine Zwangspause, während versucht wird, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen.<br> <b>Die Lösung: </b>Zu einer guten Projektplanung gehört ein Risiko-Assessment. Dafür muss das ganze Team überlegen, was passieren könnte. - 11. Kein Change Management
<b>Der Fehler: </b>All die Zeit, Geld und harte Arbeit, die man in neue Technologien steckt, bringen nichts, wenn die Anwender diese nicht annehmen.<br> <b>Die Lösung: </b>Bevor zum Beispiel neue Applikationen implementiert werden, sollte geschaut werden, wo es im Unternehmen Widerstand gibt, um die Leute anzusprechen. - 12. Unvollständige Ablaufpläne
<b>Der Fehler: </b>Die Beteiligten wissen oft nicht, was wann zu erledigen ist.<br> <b>Die Lösung: </b>Zunächst sollten alle Schritte festgelegt werden, die für das Projekt notwendig sind. Als zweiter Schritt muss jedem Punkt eine Deadline gesetzt werden. Hilfreich dabei ist eine entsprechende Software. - 13. Unrealistische Deadlines
<b>Der Fehler: </b>Die IT weist zu selten nicht einhaltbare Deadlines zurück, die vorgegeben werden. Dass das Projekt dann nicht just in time läuft, ist kein Wunder.<br> <b>Die Lösung: </b>Die IT muss erklären, was es kostet, bestimmte Termine einzuhalten. Dann gibt es die Wahl zwischen mehr Kosten oder mehr Zeit. - 14. Fachchinesisch
<b>Der Fehler: </b>Die IT kommuniziert oft mit den Auftraggebern und anderen Beteiligten in einer Weise, die keiner außer ihr selbst versteht.<br> <b>Die Lösung: </b>Von Vorteil ist es, wenn man sich auf die Gegenseite einstellt. Niemand hat Lust, seitenweise Technikbegriffe lesen zu müssen.
Bevor National Grid aus einer Oracle- in eine SAP-Welt wechselte, sollen mehrere interne Stimmen vor Problemen mit dem System und der offenbar mangelhaften Vorbereitung auf einen Umstieg gewarnt haben. Bis heute kann der Versorger das SAP-System nicht vollständig nutzen. Für das Management-Reporting müssen dem Audit zufolge "komplexe Excel-Sheets" herangezogen werden.
SAP-Sprecher Andy Kendzie sagte gegenüber dem "IDG News Service", man habe die Herausforderungen, mit denen National Grid zu kämpfen habe, erkannt und arbeite gemeinsam mit dem Kunden kontinuierlich an der Behebung der Probleme.
National Grid-Sprecherin Jackie Barry erklärte zudem: "Es ist wichtig zu verstehen, dass viele der im Prüfbericht erwähnten Probleme auf den November 2012 zurückgehen, als wir das SAP-System eingeführt haben." Viele verschiedene Faktoren hätten dazu beigetragen. Doch heute laufe das System im Wesentlichen stabil.
National Grid selbst erklärte die Probleme mit einem "überambitionierten Systemdesign", teils unklaren Verantwortlichkeiten, schlechter Datenqualität in den Legacy-Systemen und wenig effektivem Training.