von
Steve Janata
Extrovertierte Unternehmenslenker aus den USA neigen häufig nicht gerade zur Selbstreflektion oder gar zur Selbstkritik - zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Wenn es dann doch mal geschieht, dann meistens um zu erklären, warum man nach kurzer Zeit etwas Neues macht. Marc Benioff, CEO von Salesforce hat im Rahmen der Dreamforce 2013 also genau das getan. Es ist gerade 24 Monate her, da war das einzige Wort, das Salesforce noch in den Mund nahm das des "Social Enterprise".
Dieser Begriff war derartig schwammig, dass es selbst den eigenen Leuten nicht möglich war ihn in zwei bis drei Sätzen konkret werden zu lassen. Ganz schlecht für eine Marketing-Botschaft. Das hat auch Salesforce erkannt. Jetzt also das "Internet of Customers". Die Idee dahinter ist schlichtweg, dass hinter jedem Device, hinter jeder vernetzten Maschine am Ende ein Kunde steht, den es zu erreichen gilt. Das dürfte die weltweite Vertriebsmannschaft von Salesforce mit großer Freude zu Kenntnis genommen haben, denn dies ist jetzt die richtige Überschrift zur richtigen Zeit. Und vor allem hat Sie Vertriebscharakter und ist greif- und erklärbar.
Welcome to the Real Time Economy!
Unternehmen weltweit stehen nämlich vor einem großen Umbruch, nach und nach ihr Geschäft- und vor allem ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren, also zu vernetzen und zu beschleunigen. Ziel ist es, diese so weit wie möglich in Echtzeit abzubilden. Das ist ein langer Weg und er kann von den Unternehmen nur in kleinen Schritten gegangen werden. Salesforce positioniert sich mit der neuen Plattform "Salesforce 1" genau an dieser Stelle. Salesforce 1 ist der nächste evolutorische Schritt hin zu einer integrierten vollautomatisierten Plattform für das Digitale Marketing.
Diesen Weg ist Salesforce jetzt ein gutes Stück weiter gegangen und setzt den Wettbewerb damit unter Druck, der natürlich auch um ein Stück des großen Digitalen Marketing-Kuchens kämpft. Kern der neuen Plattform sind die in Zahl und Qualität gestiegenen APIs, so zumindest die Aussage von Salesforce. Wenn diese Aussage einer späteren Überprüfung standhält, dann hat sich Salesforce tatsächlich einen Vorsprung erarbeitet. Jedenfalls ist die Plattform tatsächlich für viele Kunden eine große Chance die Vernetzung Ihrer Prozesse voranzutreiben. Nicht in einer Revolution, wie einen das US-Marketing gerne glauben lassen möchte, sondern als längerfristiger Prozess. Das gilt auch im Übrigen für die Plattform selbst.
Fundamentaler Strategiewechsel - Salesforce im Hybrid-Cloud-Modus
Viele Unternehmen, vor allem sehr große, haben sich allerdings bisher schwer getan mit dem Salesforce-Modell, beziehungsweise dem Modell der Public Cloud. Salesforce aber will massiv wachsen und dazu reicht es nicht, nur diejenigen Kunden zu bedienen, die diesen Weg mitgehen wollen. Und die Anzahl derer, die sich für ein Public Cloud Modell begeistern lassen wird nicht größer, zumindest nicht in der Geschwindigkeit, die vonnöten wäre, um das avisierte Wachstum zu realisieren.
Deshalb ist die zweite große Ankündigung, die im Rahmen der Dreamforce gemacht wurde aus strategischer Sicht wirklich nur als sensationell zu bezeichnen. Salesforce hat wird auf Basis von HPs Converged Infrastructure eine dedizierte Instanz für große Unternehmen hosten, namens "Salesforce Superpod". Es ist also das Ende der reinen Public-Cloud-Lehre, wie sie Salesforce seit Unternehmensgründung vertreten hat! Das muss man erst mal sacken lassen!
Wenn man das dann getan hat, dann kommt man zu dem Schluss, dass dieser Strategieschwenk goldrichtig ist. Zu groß sind bei den meisten Unternehmen die Vorbehalte gegenüber der Public Cloud. Jetzt kann Salesforce die bestehenden Lösungen und Technologien richtig hebeln. HP ist übrigens auch der erste Kunde, allerdings wird es nicht der Letzte sein. Viele große Unternehmen haben auf eine solche Ankündigung nur gewartet. Wäre die Aktie nicht schon so unfassbar teuer, sie würde noch einen Freudensprung machen. Im Übrigen wird sich der Deal auch noch für HP bezahlt machen. So ist davon auszugehen, dass HPs Converged Infrastructure in Zukunft einen breiteren Footprint bekommen wird.
Wer also dachte, Salesforce sei abseits von Übernahmen nicht mehr für Überraschungen gut, der hat sich gründlich geirrt. Somit ist auch die Selbstkritik von Marc Benioff nur eine Fußnote. Was wirklich hängenbleiben wird, ist, dass Salesforce sich selber diejenigen Ketten weggesprengt hat, die Sie daran gehindert hätten in den kommenden Jahren in Sachen Umsatz zu den ganz großen Majors aufzuschließen. (rb)