Trotz voller Auftragsbücher kommt es bei vielen Händlern zu Liquiditätsengpässen: Projekte müssen vorfinanziert werden, der Kunde lässt sich mit der Bezahlung bis zum letzten Tag Zeit, und der Händler steht dazwischen kurz vor der Pleite.
Ein Problem, mit dem gerade mittelständische Betriebe im Business-to-Business-Bereich häufig kämpfen müssen, wie Karsten Freyer, Inhaber der Steuerberatungskanzlei Freyer & Linner in Freinsheim (Pfalz), weiß. "Denn sie sind oft zu klein, um ihren Lieferanten die Vertragskonditionen zu diktieren. Im Gegenteil: Ihre Kunden geben ihnen diese meist knallhart vor." Entsprechend schnell entstehen bei ihnen Liquiditätsengpässe zumal sie meist eine dünne Kapitaldecke haben.
Als Problemlösung bieten spezielle Finanzdienstleister den sogenannten Forderungsverkauf an. Der Unternehmer tritt seine Forderungen an diesen Partner ab, bekommt den Großteil des Geldes von diesem vorgestreckt und den Rest nach Zahlungseingang durch den Kunden. Das ist natürlich kein Freundschaftsdienst, der Dienstleister erhebt dafür eine Gebühr.
Die "Hilfe" der eigenen Bank ist aber auch nicht kostenlos: Dort werden für den Überbrückungskredit Zinsen fällig. Außerdem haben Banken in der Regel wenig Verständnis für große Kontoschwankungen ihres Kunden; ein regelmäßiges Minus kann sich sogar negativ auf die Kreditvergabe auswirken.
In den USA ist der Forderungsverkauf ein häufig genutztes Instrument zur Liquiditätssicherung, doch hierzulande fürchten viele Unternehmer, dass man ihnen wirtschaftliche Schwierigkeiten unterstellen könnte, wenn sie die Außenstände weitergeben. Tatsächlich haben viele Kunden diese Vorurteile noch heute, obwohl sie unbegründet sind: Ein Unternehmen, das seine Forderungen verkauft, macht keine Schulden. Es kommt nur schneller an das Geld, das es bereits erwirtschaftet hat. Weitere Vorteile: Die laufenden Betriebsausgaben für Personal, Fahrzeuge und Technik können aus dem Cashflow bezahlt werden, auch wenn man mit den Kunden sehr lange Zahlungsziele vereinbart hat. Außerdem kann man selbst Einkäufe sofort bezahlen und so die mit den Lieferanten vereinbarten Skonti nutzen.
Klaus Ripken von der Steuerberatersozietät Ripken & Naeve aus Kiel ist der Meinung, dass ein Forderungsverkauf gerade für "mittelständische Industriezulieferer und -dienstleister oft die ideale Ergänzung zum Bankkredit ist". Warum? "Unternehmen können so ihre Liquidität erhöhen, ohne bei der Bank als Bittsteller aufzutreten und ohne dass deren Inhaber Haus und Hof verpfänden." Hinzu kommen laut seinem Berufskollegen Karsten Freyer buchhalterische Effekte: "Weil die Forderungen sofort als Guthaben verbucht werden, steigt auch die Eigenkapitalquote des Unternehmens. Hierdurch verbessert sich wiederum sein Rating bei den Banken, weshalb es leichter, schneller und günstiger an Kredite kommt."
Damit der Forderungsverkauf diese positiven Wirkungen entfalten kann, muss er jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen. Darauf weisen Ripken und Freyer hin. Die "zweite Finanzierungsquelle neben der Bank" muss zum Beispiel zuverlässig fließen, also jederzeit nutzbar sein. Der Forderungsverkauf darf außerdem die Kundenbeziehung nicht belasten. Als ideal erachtet deshalb Steuerberater Ripken die Form, die beispielsweise die HAWK Deutschland GmbH in Bensheim praktiziert. HAWK bündelt die Forderungen zunächst und wandelt sie dann in Wertpapiere um, die in einen Kapitalmarktfonds eingebracht werden. Von diesem können institutionelle Anleger Anteile kaufen.
Der Vorteil dieses Verfahrens: Die Käufer der Fondsanteile wissen nicht, welche Unternehmen die Forderungen verkauften. "Dies ist für sie aber auch nicht wichtig, weil die aufgekauften Forderungen gegen Zahlungsausfälle versichert werden", erläutert Ripken. Deshalb müssen Unternehmen, die Forderungen verkaufen, auch keine Angst haben, dass irgendwann ein Forderungsaufkäufer bei ihren Kunden vor der Tür steht und sagt: Wann bezahlt ihr endlich eure Rechnung? Das sind Punkte, auf die man als Interessent unbedingt achten sollte, um keine böse Überraschung zu erleben.
Kosten, Zuverlässigkeit und Flexibilität prüfen
Selbstverständlich sollten interessierte Unternehmen "auch auf die Kosten achten", rät Peter Dietrich, Geschäftsführer des auf Forderungsverkauf spezialisierten Maklerunternehmens Trigon Finance aus Frankfurt am Main. Nach seiner Erfahrung unterscheiden sich die von den verschiedenen Anbietern erhobenen Gebühren und berechneten Zinsen für den Forderungsverkauf erheblich voneinander: "Hier lohnt ein Vergleich." Im Blick haben sollten die Unternehmen aber auch die "zusätzlichen Kostentreiber", wie zum Beispiel, ob eine spezielle EDV-Schnittstelle zum Übermitteln der Buchhaltungsdaten nötig ist. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist auch: Wie schnell wird das Geld gutgeschrieben? Laut Dietrich dauert dies bei manchen Anbietern nur 24 Stunden, bei anderen dagegen 14 Tage.
Einen weiteren Tipp hat Steuerberater Ripken: Die Unternehmen sollten ihren zusätzlichen Liquiditätsbedarf realistisch einschätzen: nicht zu hoch, denn an der Höhe des vereinbarten Limits für den Forderungsverkauf orientiert sich die Gebühr, die das Unternehmen Monat für Monat an den Finanzdienstleister zahlt, aber auch nicht zu niedrig, denn sonst sind bei manchen Anbietern langwierige Nachverhandlungen nötig, wenn mehr Geld benötigt wird. "Dann merkt man bei einigen Anbietern, dass sie letztlich Tochterunternehmen von Banken sind." Hanna Wittstadt/MF