Von Eyk Henning und Matthias Karpstein DOW JONES NEWSWIRES
MÜNCHEN (Dow Jones)--Dem zahlungsunfähigen Kabelnetzbetreiber Primacom bleibt Finanzkreisen zufolge nur noch bis Donnerstag 18.00 Uhr Zeit, die drohende Insolvenz abzuwenden. Dazu müssten sich die Kredit- und Eigenkapitalgeber bis Ablauf der Frist auf einen Restrukturierungsplan einigen. "Bislang sind die Positionen aber weit voneinander entfernt, so dass eine Insolvenz ein realistisches Szenario ist", sagte eine mit den Verhandlungen beider Parteien vertraute Person zu Dow Jones Newswires.
Primacom teilte am Dienstagvormittag mit, zahlungsunfähig zu sein. In der Nacht von Montag auf Dienstag hatten die Kreditgeber Forderungen von 29,2 Mio EUR fällig gestellt. Sollte es dem Management nicht innerhalb weniger Tage gelingen, die Kreditgeber zur Rücknahme ihrer Forderungen zu bewegen, werde die Primacom AG Insolvenz anmelden müssen, wie der Vorstand des Kabelnetzbetreibers am Dienstag weiter mitteilte.
Die Forderungen der Kreditgeber über rund 29 Mio EUR richten sich dabei gegen die Primacom AG als nicht-operative Holding-Gesellschaft der Primacom-Gruppe. Die operativen Gesellschaften der Primacom-Gruppe seien nicht betroffen, hieß es in der Mitteilung. Allerdings haben die Kreditgeber laut Primacom-Vorstand bereits damit begonnen, die von der Gesellschaft gewährten Sicherheiten zu verwerten.
Die Sicherheiten befinden sich in Form des operativen Geschäfts in der Primacom Management GmbH. "Das operative Geschäft kann jetzt also in Teilen oder komplett an die Kreditgeber gehen, sie können ihr Pfandrecht verwerten. Wenn keine Lösung für eine neue Finanzierung gefunden wird, kann das bedeuten, dass die Banken einen neuen Käufer für das Geschäft suchen oder es selbst betreiben", sagte eine Person aus dem Primacom-Umfeld zu Dow Jones Newswires.
Kabel Deutschland hat sich bereits als Interessent für das Primacom-Netz ins Spiel gebracht. "Wir haben Interesse an der Übernahme von Assets der Netzebene-4 in unserem Verbreitungsgebiet", sagte eine Sprecherin von Kabel Deutschland am Dienstag zu Dow Jones Newswires.
Im Zentrum des Streits bei Primacom stehen Finanzkreisen zufolge die gegensätzlichen Restrukturierungspläne von Großaktionär Scott Lanphere und den Fremdkapitalgebern. Lanphere will zwei mit der Sache vertrauten Person zufolge 40 Mio EUR zusätzliches Eigenkapital beisteuern und gleichzeitig die Fremdkapitalgeber auf die Halbierung ihrer Forderungen in Höhe von 140 Mio EUR drängen.
Die Fremdkapitalgeber - neben der Bank ING sind das unter anderem die Hedge-Fonds Alcentra, Avenue sowie Tennenbaum - wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Statt dessen wollen sie den nun auslaufenden Kredit über rund 30 Mio EUR nicht fällig stellen, sondern verlängern. Zusätzlich wolle man weitere 10 Mio EUR an Krediten gewähren, sagte eine der informierten Personen.
Zudem stehe eine Beteiligung der Kreditgeber an der Primacom AG im Raum, wie eine der informierten Person ergänzte. Diese Restrukturierungsalternative hätten die Berater von Roland Berger in einem Gutachten als tauglich bezeichnet. Der in der vergangenen Woche überraschend aus dem Unternehmen ausgeschiedene Finanzvorstand Michael Buhl habe diese Lösung zudem favorisiert.
Neu im Unternehmen ist dagegen der Restrukturierungsexperte Sebastian Freitag, der laut zwei mit der Sache vertrauten Personen von den Investoren um Scott Lanphere installiert worden ist. Kritiker bemängeln angesichts der angespannten Finanzsituation die hohen Gehaltsforderungen Freitags.
Primacom droht nun die Insolvenz, obwohl die Kreditgeber nur einen kleinen Teil ihrer Forderungen fällig stellen wollen. Laut Geschäftsbericht für 2008 lasteten auf dem Unternehmen Ende 2008 insgesamt Schulden von rund 355 Mio EUR.
- Von Eyk Henning, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29725 108, eyk.henning@dowjones.com DJG/eyh/sjs/brb Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de
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