Preiskrieg und Projektgeschäfte

09.10.2006
Womit können Systemhäuser im Jahr 2007 Geld verdienen? Chancen und Risiken, die im folgenden Jahr auf die IT-Branche zukommen, durchleuchtete der ComputerPartner-Kongress "Chancen 07" in Düsseldorf.

Von Beate Wöhe

ComputerPartner begrüßte rund 140 Teilnehmer zum diesjährigen Systemhauskongress "Chancen 07" in Düsseldorf. Chefredakteur Damian Sicking hatte gleich zu Beginn eine positive Nachricht für die Besucher. Er stellte die Umfrageergebnisse der von ComputerPartner durchgeführten Online-Befragung vor, an der sich 884 Unternehmen beteiligt hatten (siehe Seite 20). Im Anschluss daran informierte Rudolf Aunkofer von der GfK über die aktuelle Situation und die Aussichten für Systemhäuser im Jahr 2007.

Positive Akzente setzte auch Ursula Petry, Director of Partnership Solution Centers bei IBM in Deutschland: "Nahezu die Hälfte der Bruttowertschöpfung wird in Deutschland vom Mittelstand erwirtschaftet." IBM erzielt laut ihrer Aussage weltweit rund 20 Prozent des Umsatzes im Mittelstand. Ein neuer Ansatz, den Big Blue speziell für dieses Kundensegment verfolgt, ist die Initiative "Näher dran - IBM-Lösungen für mittelständische Unternehmen 2006". Unterstützung zum Thema Mittelstand sollen IBM-Partner von den deutschlandweit sechs Partnership Solution Center erhalten.

Fachhändler in Lebensgefahr?

Das Thema Preiskampf zog sich nicht nur in einigen Vorträgen, sondern auch in Gesprächen der Teilnehmer untereinander durch den zweitägigen Kongress. So auch in der Diskussionsrunde "E-Tailer und Online-Shops - Lebensgefahr für den stationären Handel?" Der ComputerPartner-Chefredakteur sprach die Hersteller direkt zum Thema "Kontrolle der Vertriebswege" an. "Das ist nicht meine Aufgabe", zog Yakumo-Chef Jürgen Rakow den Kopf aus der Schlinge. Henning Ohlsson, Geschäftsführer von Epson Deutschland, dagegen legte sich ins Zeug: "Wir kontrollieren unsere Geschäftspartner sehr wohl." Oft ergäben zum Beispiel Testkäufe bei Online-Billiganbietern, dass gerade das günstige Gerät nicht mehr vorrätig sei. Stattdessen werde das teurere Nachfolgemodell angeboten.

Auch Michael Gerke vom E-Commerce-Dienstleister 004 GmbH kennt diese Fallen: "Natürlich gibt es im E-Tail Lockvogelangebote, aber dort muss man den Ball an die Hersteller weitergeben. Viele IT- und CE-Hersteller haben keine vernünftige Europastrategie." So seien große Hersteller oft nicht in der Lage, ihre Kanäle sauber zu halten.

Ähnlich sah es auch Klaus Skripalle, Geschäftsführer der Product + Concept GmbH, die unter anderem die Webshops von FSC und Vobis betreut: "E-Tailer, die Preisdumping betreiben, werden sich von selbst erledigen. Gute Online-Händler haben für aktuelle Produkte so ziemlich die gleichen Preise", beruhigte auch er die Konferenzteilnehmer.

"Wie kann es dann aber sein", so die Frage eines Zuhörers, "dass ein bestimmtes Display während der Fußball-WM in der Distribution nicht mehr zu bekommen war und im Gegenzug dazu die E-Tailer ihre Websites voll damit hatten?" Dieses Phänomen erklärte Yakumo-Chef Rakow mit den unterschiedlichen Bestellvorgängen. Während Großkunden Mengenbestellungen mit langem Vorlauf platzierten, ordere der Fachhandel in den meisten Fällen kurzfristig und in geringen Stückzahlen.

Statt die negativen Erfahrungen mit den Online-Händlern nach vorne zu stellen, nannte die Diskussionsteilnehmerin Daniela Mohr, die mit ihrer Firma Mystery Shopping Testkäufe für ihre Auftraggeber durchführt, Themen, bei denen der stationäre Fachhandel punkten könne: "Der Kontakt zum Kunden ist eine der großen Schwachstellen des Online-Handels." Eine richtige Fachberatung sei nur im direkten Kontakt mit dem Kunden möglich.

Trotz aller Beschwichtigungen ließ das Preisthema die Zuhörer nicht los: "Es kann doch nicht sein, dass ich beim Distributor teurer einkaufe als beim Online-Händler", warf ein Konferenzteilnehmer ein. Darauf meldete sich Also-Deutschland-Chef Michael Dressen aus dem Publikum zu Wort: "Ich glaube, der grundsätzliche Fehler, den wir alle machen, ist, uns immer nur die Frage zu stellen: Wo kaufe ich billiger ein? Die Lösung liegt in der Tat im Ver- und nicht im Einkauf. Ich muss den Käufer davon überzeugen, dass er bei mir kauft."

Im auf die Diskussion folgenden Vortrag stellte Michael Kempf von der MKS AG eine umfassende Softwarelösung vor, die die Geschäftsabläufe vom Einkauf bis zur Garantieabwicklung vereinfacht. Neben dem Zugriff auf rund 580.000 Stammsätze bei den Distributoren offeriert MKS auch ein Shop-System.

Woran viele IT-Projekte scheitern

Hat ein Systemhaus den Kunden auf seine Seite gezogen, heißt das noch lange nicht, dass am Ende der Zusammenarbeit Geld übrig bleibt. Zu viele Fehler können bei der Projektplanung gemacht werden, die nicht nur die Mitarbeiter an den Rand der Verzweiflung bringen, sondern auch das Budget des Systemhauses schrumpfen lassen können. Rechtsanwalt Wolfgang Hackenberg nannte einige Beispiele für mögliches Scheitern, wie etwa fehlende stimmige IT-Strategie, Überforderung der Menschen oder Fehler bei der Produkt- und Lieferantenauswahl.

Neben den oben genannten Fakten seien auch Softskills wichtig. Ist das Projekt einmal in Schieflage geraten, sollten die Parteien versuchen, konstruktiv aufeinander zuzugehen. Drohungen sind laut Hackenberg Gift für Projekterfolge.

Damit es gar nicht erst zu einer Schieflage kommt, dürfe das Systemhaus auch das Risikomanagement nicht vernachlässigen. "Technisch können wir Systemhäuser alles, aber wir können nicht auch noch die Aufgaben eines Unternehmensberaters übernehmen", warf ein Zuhörer aus dem Publikum ein. "Wenn Sie solche Dinge außer Acht lassen, werden Sie an einem Projekt keine Freude haben", konterte Rechtsanwalt Hackenberg. "Aber als Systemhaus können wir nicht auch noch das Risikomanagement für den Kunden übernehmen. Wir schließen nur einen Werksvertrag mit ihm ab", hakte der Teilnehmer erneut nach. "Dann empfehlen Sie Ihren Kunden einen Unternehmensberater", empfahl Hackenberg. Es sei ein nicht zu verzeihender Fehler, wenn ein Systemhaus im Rahmen eines Projektes über Missstände beim Kunden Bescheid wisse und ihn nicht darauf aufmerksam mache.

Ein Hersteller, der jahrelange Erfahrung in Projektgeschäften hat, ist Toshiba. Thomas Kissel-Müller, Head of Strategic Business Development, Toshiba Europe GmbH, weiß um die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre. "Man könnte in Trauer und Lethargie verfallen, wenn man sich die Entwicklung ansieht", stellte er provokativ in den Raum. Im zweiten Quartal 2006 wurden in der EMEA-Region sechs Millionen Notebooks verkauft. Die Bilanz für Deutschland: minus 2 Prozent, Bilanz der Reseller: minus 17 Prozent. Der IT-Handel erlebe heute das, was andere Branchen bereits hinter sich hätten. Kissel-Müller sieht jedoch auch eine Chance: "Im Vergleich zu anderen Märkten gibt es die Branche auch heute noch."

Wild Duck

Eine etwas andere Ansicht zur Projektgestaltung und Zusammenarbeit zwischen Techies, Vertrieb und Kaufleuten im Allgemeinen gab Gunter Dueck, Mitglied der IBM Academy of Technology, zum Abschluss des ersten Kongresstages zum Besten. Danach entwerfen Techniker ihre Ideen in der rechten Gehirnhälfte, während Vertriebs- und Kaufleute ihre Excel-Tabellen in der linken Gehirnhälfte speichern. Daraus könnte zum Beispiel folgendes Gespräch entstehen:

Techniker: "Ich habe eine Idee."

Kaufmann: "Sag es in einem Chart."

Vertriebler: "Hast Du ’nen kleinen Flyer darüber?"

Duecks Fazit aus der Sicht eines Technikers: "Wenn man eine Idee in eine Powerpoint-Präsentation übersetzt, ist sie irgendwie schon gelogen."

Wettbewerb: Übel oder Segen?

In welcher Branche arbeitet ein Mann, der folgende Aussagen trifft? "Unsere Margen liegen bei durchschnittlich 15 Prozent, und in unserem Kernproduktsegment erreichen wir ein Wachstum von 120 Prozent." Heino Deubner, Vorstandsvorsitzender der Druckerfachmann.de AG, hat sich mit seiner 1998 gegründeten Firma von Anfang an auf das Drucksegment spezialisiert. Er verfügt heute über fünf Niederlassungen und schrieb 2006 einen Umsatz von 16,2 Millionen Euro. Aus diesen Gründen hieß das Thema, mit dem er den zweiten Kongresstag eröffnete: "Preiskampf? Ja bitte!" Deubner verriet einige Tipps, die ihm zum Erfolg verholfen haben: "Wir haben uns von Anfang an gegenüber den Kunden als Fachmann dargestellt, auch, wenn wir manches noch nicht perfekt beherrschten. Mittlerweile können wir das, wovon wir früher nur geredet haben."

An die Erfolgsstory aus dem Druckersegment schloss sich Michael Grote, Geschäftsführer der Benq Deutschland GmbH, an. Er nannte entsprechend einer Studie von Capgemini IT-Themen wie Security, ERP und TCO, Business Intelligence, CRM sowie Mobility und Wireless als die Markttreiber 2006. Grotes Fazit zum deutschen Markt lautete: "Schwaches Wachstum auf hohem Niveau."

Dolmetscher für Projektgeschäfte?

"Unsere IT-Dienstleister reden zwar mit uns, aber wir sprechen keine gemeinsame Sprache", so Karsten Esser, Leiter Orga/DV bei der Firma Tacke + Lindemann. Oft werde völlig aneinander vorbeigeredet oder es bestünden auf beiden Seiten falsche Erwartungen. Das Problem im Mittelstand sei, dass die Firmen sich nicht die Zeit für eine Analyse nähmen. Darum die Bitte Essers an die Systemhäuser: "Eine intensivere Zusammenarbeit im Vorfeld eines Projektes."

Verständigungsprobleme seien auch zwischen Juristen und ihren Klienten nicht unbekannt, übernahm Rechtsanwalt und Com- puterPartner-Autor Thomas Feil in seinem Vortrag: "Projektverträge rechtssicher formulieren", das Wort. Er gab den anwesenden Systemhausvertretern wichtige Tipps zur Vorarbeit in einem Projekt. So solle sich ein Dienstleister nie durch eine 30-seitige Vertragsvorlage in ein Unterordnungsver- hältnis begeben und versuchen, diese abzuarbeiten. Es sei wichtig, auf gleicher Ebene mit dem Kunden zu verhandeln. Das Zustan- dekommen eines rechtssicheren Projektvertrages könne durch verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel unvollständige und un- klare Leistungsbeschreibungen oder nicht klar definierte Rollen im Vertragsverhältnis behindert werden.

Mit dem Systemhaus an die Börse

Am Nachmittag des zweiten Tages zeigte Distributions-Altmeister Michael Kaack, heute Mitgeschäftsführer der Schlecht & Collegen GmbH, verschiedene Wege zur Kapitalbeschaffung für Systemhäuser auf. Auch ein Börsengang sei für einige Unternehmen durchaus interessant. Allem voran sei es wichtig, die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen entsprechend der Basel-II-Verordnung, die am 1.1.2007 in Kraft tritt, im Griff zu haben. "Ohne Rating wird es in Zukunft keine Kreditwürdigkeit mehr geben", erklärte Kaack.

Zum Schluss des Kongresses griff Branchenkenner und Autor Kay Hradilak mit seinem Vortrag "Preiskampf? Nein danke!" den roten Faden wieder auf. Er zeigte durch frei erfundene Szenarien (siehe Kästen), wie schnell der Markt in verschiedene Richtungen kippen könnte. Die IT-Landschaft ist abhängig von nur wenigen Technologien einiger Hersteller. Gäbe es hier an bestimmten Stellen Brüche, könnte das bisher bekannte Gefüge zusammenbrechen.

Zur Startseite