MÜNCHEN: Arbeitsentlastung verspricht Dragon Systems durch die Koppelung eines digitalen Diktiergeräts mit seiner Spracherkennungssoftware "Naturally Speaking Prefered". Um zu sehen, wie effektiv man damit arbeiten kann, unterzog ComputerPartner das Produkt einem Praxistest."Jetzt können Sie Ihren Laptop zu Hause lassen", tönt es von der Verpackung der Spracherkennungslösung "Dragon Naturally Speaking Mobile". Daß das Produkt ganz auf den Consumermarkt hin ausgerichtet ist, beweist die stabile Verpackung: Sie ist farbig und mit vielen Kauf-mich-Argumenten versehen. Etliche Auszeichnungen von PC-Zeitschriften springen dem potentiellen Käufer entgegen. Außerdem kann er durch ein Sichtfenster das Diktiergerät sehen, so daß er nicht die Katze im Sack kaufen muß. Auf der Rückseite wird ihm erklärt, wie einfach die Lösung in vier Schritten funktioniert:
1. Text unterwegs diktieren.
2. Diktiergerät an den PC anschließen.
3. Dateien auswählen.
4. Der Rechner setzt die Sprachda-teien in Text um.
Die Umsetzung passiert laut Anbieter "im Handumdrehen, wobei zeit- und kostenaufwendige manuelle Transkription vermieden" wird. Soviel zur Theorie.
Geduld wird auf harte Probe gestellt
Außerdem im Paket enthalten sind die Software auf CD, ein Verbindungskabel für den Anschluß des Diktiergeräts an den Rechner, ein Kopfhörer mit Mikro, zwei Batterien sowie drei Anleitungen. Das Installieren der Software selbst ist kein Problem. Nur: Wie alle Spracherkennungsprogramme benötigt auch das von Dragon einen schnellen Prozessor und viel Arbeitsspeicher. Dragon empfiehlt mindestens einen 166-MHz-Chip sowie 64 Megabyte Ram und mindestens 180 Megabyte freien Festplattenspeicher.
Nach dem Installieren geht der Spaß erst richtig los: Ab jetzt wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt, denn das Programm muß mit der Stimme des Anwenders vertraut gemacht werden. Das Training besteht aus zwei Phasen, die beide vollständig zu absolvieren sind. Erst gibt die Software einige Sätze zum Nachsprechen vor. Dann muß der Nutzer 20 Minuten lang einen vorgegebenen Text aufnehmen. Ganz wichtig dabei: Dieses Sprachtraining kann nicht einfach schnell zwischen zwei anderen Aufgaben erledigt werden. Man muß sich Zeit nehmen, Schritt für Schritt den Anweisungen des Assistenten zu folgen. Die automatische Adaptierung dauert nach der Aufnahme nochmals mindestens eine Stunde. Hier wäre vor dem Start ein deutlicher Hinweis wünschenswert, denn schließlich ist dann der Rechner für andere Aufgaben blockiert.
Wer gedacht hatte, jetzt endlich mit dem Diktieren in den Rekorder loslegen zu können, hat sich getäuscht. Auch das Aufnahmegerät will trainiert werden. Leider steht nirgendwo deutlich in den Anweisungen, daß das Training für beide Komponenten nötig ist. Aber die Hotline, die daraufhin befragt wurde, wußte Bescheid und empfahl das ganze Procedere zu wiederholen. Also nochmal 20 Minuten lang das Märchen vom Hasen und vom Igel erzählen. Nach diesem ausgiebigen Training fehlt dem Programm aber immer noch der individuelle Wortschatz des Anwenders. Der kann mit Hilfe anderer, bereits bestehender Dokumente schrittweise nachgeliefert werden. Alles in allem ist diese Anpassung ein mühsamer Prozeß.
Hier werden Sie geholfen
Das Aufnehmen mit dem handlichen digitalen Diktiergerät ist kinderleicht. 40 Minuten Diktat passen auf das Gerät ohne zusätzliche Speicherkarte. Wer viel mit dem Aufnahmegerät arbeitet, sollte sich noch eine Speicherkarte anschaffen. Auch die Übertragung der Aufnahme über die mitgelieferte "Voice-It-Link"-Software funktioniert gut. Doch dann kommt die Stunde der Wahrheit: die automatische Umsetzung der Aufnahme in Text. Selbst nach dem dritten Mal mit anschließendem Vokabeltraining konnte Naturally Spea-
king den kurzen Text nicht fehlerfrei schreiben. Und dann hat der Anwender die Qual der Wahl: Sollen die Korrekturen per mündlichem Befehl oder manuell eingeben werden? Manuell geht anfangs einfach schneller, weil auch die Korrekturangaben individuell trainiert werden wollen. Abgesehen davon, daß der Anwender das Korrigieren richtig lernen muß, denn das Programm akzeptiert nur bestimmte Ausdrücke. Um ein Wort zu löschen, genügt es nicht einfach "löschen" zu sagen, der richtige Ausdruck heißt "streich das".
Zwar arbeiten Spracherkennungsprogramme umso zuverlässiger, je öfter sie genutzt werden, doch der Weg zur Zuverlässigkeit ist hart und steinig. Spätestens beim Korrigieren erlebt der Anwender, der das Produkt gekauft hat, um seine Produktivität zu steigern, sein blaues Wunder.
Fazit
Am ehesten eignet sich Spracherkennung für standardisierte Textarten wie Angebotsschreiben oder ärztliche Diagnosen, weil ihre Elemente immer gleich bleiben. Beim Diktieren ins Aufnahmegerät unterwegs muß der Sprecher vor der Aufnahme bereits wissen, was er sagen will. Dieses Ausformulieren im Kopf sind Menschen, die ansonsten direkt in den Rechner tippen, nicht gewohnt. Wenn der Text vorher aber nicht ausformuliert wurde, kommt es zu ständigen Korrekturen oder Neuanfängen schon beim Aufnehmen. Die automatische Umsetzung in Text kommt da sicherlich durcheinander, so daß ständig nachkorrigiert werden muß. Für die wenigen Berufsgruppen, die es gewohnt sind, frei zu diktieren, mag das Geräte eine Hilfe sein. Aber auch nur dann, wenn sie die nötige Geduld für den Anpassungsprozeß mitbringen.
Als breites Consumerprodukt eignet sich Spracherkennung (noch) nicht, dafür ist der Trainings- und Korrekturprozeß noch zu aufwendig. Wer hat schon Zeit, sich tagelang nur mit einem Programm zu beschäftigen, in der Hoffnung, daß es irgendwann mal so leicht geht wie vom Hersteller versprochen? Denn wer einigermaßen schnell tippen kann, ist per Tastatur allemal schneller als per Spracheingabe. (is)
Das Problem beim Arbeiten mit Dragons "Naturally Speaking Mobile": Wirkliche Arbeitserleichterung tritt erst nach Wochen des geduldigen Übens ein.