Um diese Frage beantworten zu können, müsste man zunächst die jeweiligen Statistiken auseinander nehmen, die den Studien und Artikeln, die mobile Commerce und responsives Design für Online-Shops als "must have" deklarieren. Sicherlich steigen die Umsätze im mobilen Segment rasant, wenn man die Zahlen des kompletten Online-Marktes zugrunde legt. Aber sind die Zahlen immer noch genauso beeindruckend, wenn man allein die Umsätze aus den Bereichen MP3, Apps, eBooks und Co. herausrechnet?
Desktop, Tablet, Smartphone
Was zählt zum "Mobile Commerce"? Auch die Frage nach der Geräteklasse müsste öfter und deutlicher herausgestellt werden. Wie hoch ist der Umsatzanteil auf Smartphones, insbesondere wenn man dort den Umsatz digitaler Güter (siehe oben) und den Umsatz, der über native Apps (also nicht über den eigentlichen Onlineshop) generiert wird, herausrechnet? Beide Fragen bleiben oft unbeantwortet. Genauso wie die Frage, was so ein responsives Design für Online-Shops eigentlich kostet.
Eine kurze Stichprobe zeigt, dass die deutschen Top-10-Online-Shops natürlich (sic!) über Shop-Versionen verfügen, die auch auf iPhone & Konsorten optimal laufen. Außerhalb der Spitzengruppe sieht es aber schon löchriger aus; viele Shops in der zweiten und dritten Reihe zeigen den großen Shop auch auf dem kleinsten Display an. Und bei Shops, die im Bereich 0,5 - 10 Millionen Euro Jahresumsatz liegen, ist responsives Design immer noch die absolute Ausnahme.
Responsives Design ist kompliziert
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Komplexe eCommerce-Systeme auf Desktop-PC umzusetzen, ist technisch gesehen relativ einfach. Selbst auf den breitesten Displays werden Shops oft zentriert in der gleichen Breite angezeigt. Diese (maximale) Breite entspricht dabei oft der Display-Breite, die auch bei Tablets in der horizontalen Ansicht genutzt wird. Und mit wenig bis hin zu einem überschaubaren Aufwand kann das gleiche Design-Raster des Shops auch für die Hochkant-Darstellung auf dem Pad genutzt werden. Rücksicht nehmen müssen Designer und Entwickler dann oft "nur" noch hinsichtlich der Bedienung, die sich bei Desktop und Tablet unterscheiden. So funktionierten auf dem einen Gerät beispielsweise keine Wischgesten, auf dem anderen dagegen kein OnMouseOver (zum Beispiel beim Ausklappen von Menüs).
Die Umsetzung des Shops für Smartphones ist dagegen ungleich komplizierter. Die Darstellung des ganzen Shops muss in ein 1-Spalten-Layout umgewandelt werden. Bildgrößen müssen (auch wegen der Ladezeit im 3G-Netz) angepasst werden. Das Verhältnis von Schrift zu Bildern muss sich ändern, genauso wie die Größe von Navigationselementen (Stichwort: dicke Finger). Auf den Produktdetailseiten funktioniert der Zoom-Effekt bei Bildern nicht und die Anordnung der BuyBox muss grundlegend geändert werden. Wie auch die komplette Darstellung der Frontpage. Die Anzeigenreihenfolge muss gerade hier auf ein sequentielles Raster umgestellt werden, da der Shopbesucher nicht mehr alles "above the fold" auf einmal erfassen kann.Damit nicht genug: Der komplette (komplexe) Checkout-Prozess von der Anmeldung, über die Auswahl der Rechnungs- und Lieferadresse, die Angabe der Zahlungsart bis hin zur rechtlich korrekten Darstellung der AGB und Widerrufsbelehrung, muss an Smartphones angepasst werden. Und das letztlich sogar an jedes auf dem Markt verfügbare Gerät.
Was kostet ein responsiver Online-Shop?
Und weil das alles so kompliziert ist, tun sich auch die Anbieter von Shop-Software schwer, laufende mCommerce-Systeme auf den Markt zu bringen. Das betrifft sowohl die gängigen Open Source-Systeme wie OXID, Magento und Shopware, als auch die Software-as-a-Service-Anbieter, wie zum Beispiel SUPR. Zwar gibt es gerade im OpenSource-Bereich zahlreiche Plug-In-Anbieter, die Funktionen für responsives Design und entsprechende Templates vorhalten. Die Kosten für die rein funktionelle Umsetzung kann je nach Plug-In bei 500 Euro beginnen. Damit liegen sie sogar noch im erträglichen Rahmen.
Darin enthalten ist aber nicht die designerische Individualisierung oder gar die Übertragung eines bestehenden Shop-Layouts. Und schon gar nicht enthalten ist die Umsetzung individueller Anpassungen, die bereits am bestehenden Shopsystem vorgenommen worden sind. Beispiel Checkout-Prozess: Haben Sie in Ihrem Shop Anpassungen vorgenommen, die vom Standardtemplate des Shopsystems abweichen? Vielleicht sehen diese Anpassungen im responsiven System nun seltsam aus. Vielleicht machen sie den Einkauf auf dem Smartphone aber auch einfach unmöglich, weil diese (nachträglich gemachte) Änderung soweit vom ursprünglichen System abweicht, dass das responsive Template damit überhaupt nicht umgehen kann.
Zu den Kosten für den Kauf des Moduls kommen also noch Anpassungskosten für Technik und für das Design. Eine Faustregel besagt, dass die Entwicklungskosten für eine fehlerfreie (!) Umsetzung eines bestehenden OpenSource-Shopsystems genauso hoch liegen, wie die Kosten für die Entwicklung des Shops selbst. Damit nicht genug. Bei zukünftigen Shopupdates, der Entwicklung neuer Funktionen und auch bei der Produktpflege muss zukünftig immer an zwei Shopversionen gedacht werden.
Mobile Commerce - Vorüberlegungen für Shopbetreiber
Und damit stellt sich gerade bei Onlineshops der kleineren und mittleren Umsatzklasse die Frage, ob bzw. ab wann sich die Investition in ein responsives Shopsystem tatsächlich lohnt. Shopbetreiber, die mit dem Gedanken spielen, ihren Shop fit für Smartphones zu machen, sollten sich die folgenden Fragen stellen:
Steht der finanzielle, organisatorische und personelle Aufwand für mCommerce in einem sinnvollen Verhältnis zum Mehrumsatz?
Lässt sich allein mit dem responsiven Shop so viel Mehrumsatz erzielen, dass sich die Investition innerhalb von ein oder zwei Jahren amortisiert?
Fallen nach der Umsetzung der Technik und des Design auch bei der Weiterentwicklung des Shops Kosten an? Wie hoch sind diese?
Wie hoch ist eigentlich der Anteil der Besucher mit mobilen Endgeräten und würden diese auch via Smartphone in meinem Shop kaufen?
Eignen sich meine Produkte überhaupt dazu, mobil gekauft zu werden?
Allein die letzte Frage ist ein wesentlicher Aspekt. Nicht jedes Produkt wird tatsächlich online gekauft. Je teurer oder je beratungsintensiver ein Produkt ist, desto eher wird es am Desktop-PC gekauft. Kaum vorstellbar, dass hochpreisige Uhren via iPhone Absatz finden. Hundefutter oder Unterhosen schon viel eher.
- 5. Smartphone-Besitzer kaufen verstärkt mobil
Immer mehr Menschen nutzen ihr Smartphone auch zum Shoppen: 40 Prozent haben damit bereits mobil eingekauft; 2012 waren es nur 38 Prozent, so eine Studie von Boniversum. - 4. Mehr Smartphones als Handys verkauft
Smartphones geben dem Mobile Commerce Schub: Im 2. Quartal 2013 überstieg ihr Absatz mit 225 Millionen Stück weltweit erstmals den Verkauf von herkömmlichen Handys (210 Millionen), so Gartner Research. - 3. Bezahlen über Mobile-Payment-Services im Kommen
Bei 44 Prozent der mobilen Einkäufe nutzen die Deutschen Mobile-Payment-Dienstleister wie sofortüberweisung.de oder PayPal. Bei 42 Prozent wird per Rechnung oder Kreditkarte gezahlt und bei 12 Prozent über Services des jeweiligen Netzanbieters, so der Verband BVH. - 2. Mobile Seitenzugriffe verdoppelt
Von Tablets und Smartphones kam Mitte 2013 schon jeder zehnte Seitenaufruf in den mehr als 80.000 ePages-Onlineshops. 2012 waren es noch vier Prozent. - 1. Starker Umsatzanstieg erwartet
Deutschland bleibt mit einem Anstieg auf mehr als 1,5 Milliarden Euro bis 2014 der zweitstärkste Mobile-Commerce-Markt nach Großbritannien und vor Frankreich, so Forrester Research.
Eine aktuelle Studie zeigt gut das Missverhältnis zwischen reiner Information und Kaufvorgang auf dem Smartphone. Zusammengefasst: Zwei Drittel der Zeit informieren sich die Kunden auf dem Smartphone, geben dort aber nur knapp zehn Prozent ihres Geldes aus. Der größte Teil wird auf dem Desktop-PC geshoppt. Rückschluss: Nicht jeder Artikel ist Smartphone-Shop geeignet!
Die Säue "responsive Online-Shops" und "mCommerce" werden noch lange durch die Dörfer getrieben werden. Shopbetreiber sollten sich trotz vieler Empfehlungen, wie sie zuletzt zum Beispiel auch im Shopbetreiber-Blog ausgesprochen wurden, jedoch eher kritisch mit der Materie auseinander setzen. Denn letztlich verdient zunächst einmal der Programmierer und Designer des Shops an der Umsetzung. Ob der Onlineshop mittels responsivem Layouts dann auch irgendwann (wirklich) mehr verdient, müsste sich beweisen. Ein kritischer (externer) Blick auf Zahlen und Marktchancen sollte in jedem Fall an erster Stelle stehen. (rw)