Auch wenn die mit Spannung erwartete Apple Vision Pro ab dem 2. Februar in den USA ausgeliefert wird, sind es nur wenige Menschen, die sich dann einen persönlichen Eindruck davon verschaffen können. Berichten zufolge verkaufte Apple zum Marktstart nur 200.000 Stück der knapp 3.500 Dollar teuren Geräte. Interessenten aus Deutschland müssen sich das Device über Umwege beschaffen. Umso spannender lesen sich die nun veröffentlichten Testberichte von Tech-Journalisten aus den USA.
Wall Street Journal: Ein Blick in die Zukunft
Um das Potenzial von Apples "neuesten verrücktesten Produkt" zu erkennen, trug WSJ-Journalistin Joanna Stern das Mixed-Reality-Headset an einem Tag der Testphase fast 24 Stunden nonstop - eine "schmerzhafte, aber auch aufschlussreiche Erfahrung", wie sie berichtet. In dieser Zeit surfte sie nicht nur auf Websites, sah Videos, bearbeitete E-Mails oder kommunizierte via Facetime, sondern kochte - mithilfe der Crouton-App - ein leckeres Gericht und ging zum Skifahren.
Mails bearbeiten wie im Minority Report
Sie habe sich nicht übergeben müssen und sogar eine Menge Arbeit erledigen können, auch wenn sie sich dabei mit mehreren geöffneten, sie umgebenden Fenstern wie Tom Cruise in Minority Report gefühlt habe, berichtet Stern. Dabei bemängelte sie allerdings die für längere Texte ungeeignete virtuelle Tastatur, mit der Kopplung einer Bluetooth-Tastatur und -Maus und später ihrem MacBook Pro sei es aber deutlich besser geworden.
Persönlich würde sie sich die Vision Pro für 3.500 Dollar nicht kaufen, resümiert die WSJ-Technikexpertin. Das Headset von Apple weise alle Merkmale eines Produkts der ersten Generation auf: "Es ist groß und schwer, die Akkulaufzeit ist mies, es gibt nur wenige gute Apps und es kann fehlerhaft sein." Daher sei das Device aktuell am besten dafür geeignet, an Apples Zukunftsvision teilzuhaben. Und, "um allen, die man über FaceTime mit der Persona-Funktion anruft, eine Heidenangst einzujagen - Stichwort: Botox aus der Hölle", wie Stern hinzufügt.
The Verge: Das beste Headset - für Consumer
Aus Sicht von Nilay Patel, Chefredakteur bei The Verge, ist das Vision Pro ein verblüffendes Produkt. Es sei die Art von Gerät der ersten Generation, wie sie wirklich nur Apple machen kann, vom "unglaublichen" Display und der Passthrough-Technik über die Nutzung des gesamten Ökosystems, bis hin zu der Tatsache, dass man sogar die externe Batterie ignorieren könne, schreibt er in seinem umfangreichen Erfahrungsbericht. Apple habe so viele Ideen in der Vision Pro umgesetzt - und zwar in einer Art, wie es nur wenige andere Unternehmen überhaupt liefern können. Geschweige denn bei der ersten Iteration.
Erschreckenderweise zeige Apple dabei jedoch auf, dass es sich bei einigen der zentralen Ideen wie Video-Passthrough oder Hand- und Eye-Tracking um Sackgassen handle, so der Tech-Journalist: "In dem Gerät steckt so viel Technologie, die sich wie Magie anfühlt, wenn sie funktioniert - und dich völlig frustriert, wenn nicht."
Als größten Nachteil sieht Patel, dass die Verwendung des Vision Pro eine so einsame Erfahrung sei - "unabhängig von den seltsamen Geisteraugen auf der Vorderseite", wie er schreibt: "Ich möchte mit dem Vision Pro keine Arbeit erledigen. Ich erledige meine Arbeit lieber 'außen' mit anderen Leuten, und so interessant die Vision Pro auch ist, es ist noch ein weiter Weg, bis sie das 'draußen' schlagen kann."
Cnet: Apples wildestes und seltsamstes Gerät
Auch Scott Stein von Cnet scheint eine schwierige Woche mit der Apple Vision Pro hinter sich zu haben. "Ich träume schon seit Jahren von der Zukunft der VR- und AR-Headsets: Oculus, Magic Leap, HoloLens und unzählige andere", schreibt er. Aber die letzte Woche mit dem Vision Pro sei eine der komplexesten Erfahrungen überhaupt gewesen. Generell handle es sich um eines der schwierigsten Produkte, die er je zu bewerten hatte. Teile davon seien atemberaubend, andere fühlten sich noch nicht ganz fertig an. Außerdem sei es unglaublich teuer, aber auch voller futuristischer Teile an jeder Ecke, so Stein - und nennt beispielhaft die animierten Augen auf der Außenseite.
Trotz des besten Wearable-Displays, das er je getragen habe, würde er die Vision Pro jedoch weder Freunden noch Familie empfehlen, erklärt Stein und verweist auf den hohen Preis und die wenigen VisionOS-Apps zum Start. Dennoch hält der Cnet-Redakteur es für möglich, dass die Vision Pro den ersten Schritt in Richtung modernes Spatial Computing darstellt. Auch andere Headsets hätten Eye- und Hand-Tracking, aber bei keinem funktioniere die Kombination so reibungslos, subtil und intuitiv wie bei der Vision Pro.
Im Moment benutze er hauptsächlich noch seinen Laptop, sein Smartphone und sein iPad, so Stein. Er könne sich aber vorstellen, dass eine zukünftige Version der Vision Pro sie eines Tages verdrängen könnte - heute aber noch nicht.
CNBC: Das aufregendste Apple-Produkt seit Jahren
Im Gegensatz zu seinem Kollegen von Cnet würde sich CNBC-Redakteur Todd Haselton die Vision Pro sofort kaufen - wenn er 3.500 Dollar übrighätte. Er zöge sogar in Erwägung, sein iPad Pro und sein MacBook Pro einzutauschen, da er mit dem Headset viele der gleichen Funktionen nutzen könne, schreibt er in seinem Test. "Es handelt sich um eine völlig neue Art des Computing, eine ganz neue Erfahrungswelt. Es fühlt sich an wie die Zukunft", so Haselton begeistert.
Besonders gefiel ihm, wie Apple Video-Passthrough umgesetzt hat. Obwohl auch das Quest 3 und andere Headsets diese Funktion böten, funktioniere sie bei Apple besser. Das Bild sei klarer und schärfer, so dass er den Raum um ihn herum bequem in voller Farbe und ohne Verzögerung sehen könne. Außerdem gefiel ihm die kleine digitale Krone wie bei der Apple Watch oder den AirPods Max, um durch Drehen die Lautstärke einzustellen oder sich in eine 3D-Landschaft zu versetzen.
Die wirkliche Chance für Apple werde sich aber erst ergeben, wenn das Unternehmen einen Weg findet, die Vision Pro zu einem Preis von 2.000 Dollar oder weniger in Serie zu produzieren, glaubt Haselton. Bis dahin bleibe es wahrscheinlich ein Nischenprodukt, wenngleich das Erlebnis alles andere in den Schatten stelle. "Es ist das aufregendste Produkt von Apple seit Jahren und das bisher beste Beispiel dafür, dass dies eine neue Art des Computing werden wird", so das Fazit des CNBC-Journalisten.