Der gewöhnlich gut unterrichtete Mark Gurman hat anfangs dieser Woche berichtet, Apple arbeite in einem geheimen Labor an der Display-Technik der Zukunft: Micro-LED. Apple wolle eigene Bildschirme für seine Produkte bauen und daher unabhängiger von Zulieferern wie Samsung oder LG werden, die insbesondere bei der OLED-Technologie nicht das liefern konnten, was Apple brauchte. Bis aber eigene Apple-Displays die Komponenten von Partnern ersetzen, wird es noch eine Weile dauern, die Apple Watch könnte 2019 oder 2020 einen Micro-LED-Screen bekommen, das iPhone dann bis zu drei Jahre später. An Macbook und Konsorten wollen wir noch gar nicht denken. Was aber verbirgt sich hinter dem Namen der neuen Technologie und welchen Nutzen bringt sie genau? Wir haben nachgeforscht.
Dünner als OLED
Aus Micro-LEDs gefertigte Displays kann man noch dünner bauen als solche aus organischen LEDs (OLED), die selbst schon dünner gefertigt sind als LCD-Bildschirme. Die traditionelle LCD-Technik – Apple hatte mit dem iMac G4 einen ersten Flachbildschirm im Jahr 2002 herausgebracht und verbaut Bildschirme mit Flüssigkristallen (liquid cristall, LC) in allen Macbooks, iPads und iPhones mit Ausnahme des iPhone X – benötigt mehrere Schichten. Denn die Pixel, respektive ihre für rot, grün und blau zuständigen Subpixel emittieren das Licht nicht selbst. Je nach angelegter Spannung lassen die Flüssigkristalle das weiße Licht der LED-Hintergrundbeleuchtung durch oder nicht, Filter in den drei Grundfarben ermöglichen die Farbmischung auf dem Bildschirm. Hinzu kommen noch Polarisationsfilter und Glassubstrate, ein LC-Display oder LCD kann man also nicht beliebig dünn bauen.
Anders OLED: Die aus organischem Material (Polymerfilme) gefertigten Leuchtdioden emittieren bei Anlegen einer Spannung Licht von allein, in rot, grün und blau, daraus gebaute Subpixel lassen sich zu Farbpunkten mischen. So kann man auf Schichten mit Farb- und Polarisationsfiltern verzichten – nur eine der letzteren wird benötigt – und natürlich auf die Hintergrundbeleuchtung. OLEDs werden dadurch deutlich dünner.
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Micro-LEDs senden ebenso von alleine Licht aus, bestehen aber aus anorganischen Halbleitern, konkret aus einer Gallium-Nitrit-Kombination. Im Prinzip sind Micro-LEDs also gewöhnliche Licht emittierende Dioden, die nur eben viel, viel kleiner sind als diejenigen, die man auch heute noch als Hintergrundbeleuchtung für LCDs einsetzt. Wie bei OLEDs benötigt es keine Hintergrundbeleuchtung, aber Micro-LEDs können noch dazu auf einen Polarisationsfilter verzichten und benötigen nur eine sehr dünne Glasschicht, also wird es noch ein Stück dünner.
Höhere Effizienz
Die besonders kleinen LEDs erweisen sich als besonders effizient darin, Elektronen in Photonen zu wandeln, also Strom in Licht. Die wichtige Kennzahl ist hier die "Helligkeit pro Watt", die bei Micro-LEDs noch höher ist als bei OLEDs und weit höher als bei LCDs. Noch ist es aber zu früh, um genaue Werte nennen zu können, ein kommerzielles Produkt, das man mit OLED vergleichen kann, gibt es nach wie vor nicht. Experten gehen aber davon aus, dass ein Micro-LED-Display bei der gleichen Helligkeit nur etwa halb so viel Energie benötigt wie ein OLED-Screen, womöglich ist die neue Technologie aber sogar noch effizienter.
Gute Nachrichten für eine ganze Reihe von Produkten, denn bei Smart Watches, Smartphones, Tablets und Laptops ist in der Regel das Display der größte Energiefresser und somit das Haupthindernis für längere Batterielaufzeiten – oder sinnvolle Funktionen. Man denke nur an eine Apple Watch, die den ganzen Tag auf ihrem Display die Uhrzeit anzeigen könnte und nicht nur dann, wenn man das Handgelenk dreht. Recht viel größer kann Apple denn Akku der Uhr aber nicht machen, Micro-LED könnte hierbei helfen, die Uhr eventuell sogar noch dünner zu bekommen. Oder eben länger unabhängig vom Ladegerät.
Höhere Auflösung
Das wird dann die Aufgabe der Entwicklung sein, wie genau man diese Vorteile austariert, wenn mehr Bequemlichkeit oder eine längere Akkulaufzeit zur Wahl stehen. Eine derartige Entscheidung wird Apple auch in Sachen Auflösung treffen müssen. Denn wenn die einzelnen Pixel weniger Energie benötigen, brauchen mehr Pixel natürlich mehr Strom. Micro-LEDs sind so klein zu bauen, dass auf einer Apple Watch mit 38mm oder 42mm sogar 4K-Auflösungen möglich sind.
Derartiges schafft bisher nur Sony mit dem Z5 Premium, dessen Display auf 5,5 Zoll 4K-Bilder zeigt. Die Auflösung beträgt dabei erstaunliche 806 Pixel pro Zoll. Google und LG arbeiten an einem VR-Display mit 18 Megapixeln auf 4,3 Zoll: 1443 Pixel pro Zolll.
Eine Bildzelle eines Micro-LED-Displays nimmt gerade einmal 100 Mikrometer in der Länge ein, derzeit lässt sich aber nur spekulieren, wie dicht die Pixel auf den ersten kommerziellen Produkten gepackt werden, mehrere Tausend Pixel pro Zoll sind aber möglich. Die ersten Produkte werden zwar noch nicht dieses Maximum ausreizen, aber bereits beeindruckende Pixeldichten bringen.
Kein Einbrenneffekt
Warum Apple mit seinem ersten OLED-Bildschirm länger brauchte als die Konkurrenz? Nun, Cupertino wollte es besser machen und ein Display bringen, das möglichst wenig bauartbedingte Probleme aufweist. Bei einer typischen OLED-Eigenschaft ist Apple aber auch an Grenzen gestoßen, dem sogenannten Einbrennen. Man kennt das noch aus Zeiten des Röhrenmonitors: Hat man zu lange das gleiche Bild bei großer Helligkeit auf dem Schirm, konnte sich die Fluoreszenzschicht nicht mehr erholen und zeigte in Folge dessen ein geisterhaftes Abbild auf Dauer an. Das war der Grund für die Erfindung des Bildschirmschoners, den man aus diesen Gründen auf modernen Computern an sich nicht mehr braucht. Gleichwohl sind auch LCDs davon betroffen, OLEDs wieder mehr, weshalb Apple auch rät, den Bildschirm des iPhone X nicht zu lange zu hell einzustellen. Die gute Nachricht: Bei Micro-LEDs tritt dieser Effekt nicht so stark auf, derartige Bildschirme sind gegen Einbrennen weit gehend geschützt.
Schneller umgeschaltet
Neben der höheren Effizienz haben OLED-Screens gegenüber LC-Displays noch einen weiteren Vorteil: Die Latenz beim Umschalten von Ein zu Aus oder von einer Farbe zu einer anderen ist deutlich geringer. Nachzieheffekte sind nicht mehr zu sehen: Bei schnellen Bewegungen von Figuren auf dem Fernsehapparat oder dem Computerbildschirm ziehen diese gerne eine Art Schleier nach sich, der das Film- oder Spielvergnügen doch deutlich trübt. Die besten LCD-Screens bieten Umschaltzeiten von wenigen Millisekunden, für Filme und die meisten Spiele reicht das aus. Nicht aber für allerhöchste Ansprüche. OLEDs schalten innerhalb von Mikrosekunden, also millionstel Sekunden und damit rund tausendmal schneller um. Deshalb kommen sie in VR-Brillen zum Einsatz, in denen jedwede Latenz weit mehr stört. Die Refresh-Raten kann man mit der Technik deutlich steigern oder nur extrem kurze Pulse auf den Schirm geben. LCD reicht für VR einfach nicht aus.
Micro-LED bringt die Technik aber noch drei Größenordnungen weiter, sie schalten fast so schnell wie Mikrochips, nämlich in Nanosekunden, also milliardstel Sekunden. Wir fassen zusammen: Winzige Größe und daher höchste Auflösung, dazu keinerlei sichtbare Latenz: Ideal für AR- und VR-Anwendungen.
Überragend in Farbe und Kontrast
Wie gesagt: Nach wie vor gibt es kein kommerzielles Produkt, man kann nur raten, wie die Umsetzung bei der Kontrastrate wird. In der Theorie geht diese gegen unendlich, den "schwarze" Pixel emittieren überhaupt kein Licht. Beim OLED-Display des iPhone X gibt Apple eine effektive Kontrastrate von einer Million zu eins an, ein Micro-LED-Dispaly könnte das noch weiter steigern. Zum Vergleich: Das wirklich sehr gute LC-Display des iPhone 8 Plus bringt es laut Apple auf einen typischen Kontrast von 1400:1. Der hohe Kontrast hat zwei direkte Folgen: HDR-Bilder werden noch eindrucksvoller und da die absolute Helligkeit natürlich auch ansteigt, lässt sich ein Micro-LED-Dispaly auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch gut ablesen. Hinzu kommen ein noch größerer Farbumfang, zu denen Micro-LEDs fähig sein werden. Bis aber Apple die Technologie in einen iMac Pro einbaut, werden noch viele Jahre ins Land gehen.
Nachteil: Die Kosten
Wie bei jeder neuen Technologie werden Produkte mit Micro-LED erst einmal recht teuer sein, heute macht etwas das OLED-Display den Löwenanteil der Komponentenkosten für das iPhone X aus. Dies kann sich mit zunehmender Konkurrenz und einer ausgeweiteten Produktion in den nächsten Jahren ändern, nicht von Ungefähr will Apple zusammen mit LG eine alternative OLED-Produktion aufbauen. Doch verläuft die Herstellung von Micro-LEDs etwas anders, sie werden praktisch in der gleichen Weise wie Siliziumchips produziert und anschließend auf eine Platte voller Transistoren und Gates für die Kontrolle der Dioden aufgebracht. Der Ausschuss ist aufgrund der komplexen Produktion noch sehr hoch. Bis Masseneffekte greifen und die Produktion präziser wird, dauert es noch eine Weile. Micro-LEDs könnten dann in Preisregionen von OLEDs und High-End-LCDs vorrücken.
Wann Micro-LEDs marktreif sind
Laut Bloomberg arbeitet Apple seit dem Jahr 2014 an dem Thema, seitdem Cupertino die auf Micro-LED spezialisierte Firma LuxView übernommen hat. Apple ist in seinem gut 6000 Quadratmeter großen Labor offenbar schon so weit gekommen, dass es den gesamten Produktionsprozess beherrscht und alle Teile eines Displays selbst bauen kann. Eine "handvoll" voll funktionsfähige Dispalys in der Größe wie für die Apple Watch benötigt, könne das Labor bereits herstellen. Für die Massenproduktion müsste Apple aber seine Erkenntnisse mit einem Auftragsfertiger teilen. Apple Watches mit Micro-LED dürften nicht vor 2019 oder 2020 zu kaufen sein. (Macwelt)