Microsoft tritt dem Open Invention Network (OIN) bei. Der Vereinigung gehören inzwischen weit über 2000 Firmen an, darunter Google, IBM, Red Hat, Suse, SAP, Daimler, Ford und Toyota. Die Mitglieder versprechen sich gegenseitig ihre jeweiligen Software-Patente zu überlassen und wollen sich so in einer immer komplexeren, Software-definierten vor langwierigen, innovationshemmenden und teuren Patentklagen schützen. Microsoft bringt mit seinem Beitritt laut der Ankündigung von Corporate Vice President Erich Andersen 60.000 Patente in den OIN-Patent-Pool ein.
Überraschend ist der Beitritt von Microsoft auf den ersten Blick vor allem deshalb, weil es eigenen Aussagen zufolge eine der wichtigsten Aufgaben der OIN ist, Linux zu verteidigen und überhaupt erst zu ermöglichen. Microsoft-Manager Anderson spricht etwas verharmlosend davon, dass es kein Geheimnis sei, dass es in der Vergangenheit zwischen Microsoft und der Open Source Community in Bezug auf Software-Patente "Reibungen" gegeben habe. Der Beitritt in die Gruppe der Linux-Verteidiger sei aber lediglich Ausdruck der vor allem im Laufe der vergangenen zwei Jahre stark gewandelten Sicht bei Microsoft auf Linux und Open Source allgemein.
Damals, im November 2016, trat Microsoft der Linux Foundation als Platin-Mitglied bei. Als Stationen der seitdem vollzogenen Wandlung nennt Andersen das Programm Azure IP Advantage, wodurch Open Source Software risikolos für Azure-Services genutzt werden kann, die Anwendung von GPLv.3-Prinzipien auf GPLv.2-Code zusammen mit Red Hat und anderen Firmen sowie den Beitritt zum LOT Network. Dessen Mitglieder setzen sich gegen den Missbrauch von Patenten zum Beispiel durch Patent-Trolle ein.
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"Bei Microsoft gehen wir davon aus, dass Entwickler keine Entweder-oder-Wahl zwischen Windows und Linux oder .NET und Java wollen. Sie wollen Cloud-Plattformen, die alle Technologien unterstützen", so Andersen.
Zustimmung bei deutschen Open-Source-Experten
"Die Open Source Business Alliance begrüßt ausdrücklich die gestrige Freigabe des kompletten Patentportfolios von Microsoft für 'Linux Systeme'. Über das Open Invention Network (OIN) wird es damit für alle Open-Source-Anbieter möglich, sich vor jeglichen negativen Auswirkungen dieser Patente zu schützen und gleichzeitig offensiven Patentinhabern gemeinsam entgegenzutreten", erklärt Holger Dyroff, Vorstand der Open Source Business Alliance e.V. (OSBA) auf Anfrage von ChannelPartner.
"Immer wieder waren Microsoft-Patente der Gegenstand von Unklarheiten (FUD) sowie sogar ausdrücklichen Forderungen im Bereich Android (zum großen Teil ein Linux System), beim File System FAT oder rund um Microsoft Exchange Interoperability. Die aus der Beteiligung von Microsoft am Open Invention Network entstehende Rechtsklarheit ist für alle Anbieter und Anwender von solchen Open Source-Lösungen von Vorteil", so Dyroff weiter.
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Nach Ansicht von Dyroff wäre der beste Weg für Industrie und Gesellschaft aber allgemein die Einführung und ausschließliche Benutzung von offenen Standards. Reine Softwarepatente sollten gar nicht erteilt werden.
"Mit der Übergabe der Patente an das Open Innovation Network (OIN) will sich Microsoft-Chef Nadella neuen Kredit in der Open-Source-Industrie erkaufen und sich von Geschäftsmodell und -praktiken seiner Vorgänger Gates und Ballmer distanzieren", kommentiert Rafael Laguna, CEO von Open-Xchange, gegenüber ChannelPartner. Insbesondere Ballmer habe sich "die aufrichtige Abneigung der Open-Source-Entwickler unter anderem durch einen langjährigen und schmutzigen Rechtsstreit um Patente und Copyright-Verletzungen seit 2003 erarbeitet."
Open-Source-Experte Laguna weiter: "Nadella hat erkannt, dass die Einnahmen von Microsoft zukünftig aus der Bereitstellung von Cloud-Diensten und weniger aus dem Verkauf von Betriebssystem-Lizenzen stammen werden. Und für Cloud-Dienste ist Linux nun einmal das Betriebssystem der Wahl, was auch dadurch untermauert wird, dass schon heute die Hälfte der Microsoft-Azure-Dienste auf Linux basiert."