Klassische Managed IT-Services fokussieren sich auf den Betrieb, die Wartung und den Support von IT-Umgebungen in Unternehmen. Sie stellen sicher, dass Unternehmen und Mitarbeiter arbeitsfähig bleiben. Für viele Firmen ist das angesichts des Mangels an qualifizierten Fachkräften, der Schwierigkeiten, diese für das eigene Unternehmen zu gewinnen und dort zu halten und der zunehmenden Komplexität der eigenen IT-Infrastruktur schon einmal eine wertvolle Unterstützung.
Mittelfristig sollten Managed Service Provider (MSPs) sich jedoch darauf vorbereiten, für ihre Kunden mehr tun zu können, wie Gartner-Analyst René Büst schon 2019 geraten hat. Gefragt sei künftig der Betrieb digitaler Geschäftsinfrastrukturen, so Büst, für den Gartner den Begriff Digital Business Infrastructure Operations (DBIO) eingeführt hat. "Dazu gehört der Betrieb der Infrastruktur von digitalen Geschäftslösungen ebenso wie das Engagement am Digital Touchpoint - alles mit dem Fokus auf Geschäftsergebnisse."
Das setzt aber auch voraus, dass sich MSPs - und damit deren Mitarbeiter - nicht nur bestens bei der Betreuung von IT auskennen, sondern zumindest auch ein Verständnis dafür haben, was ihre Kunden damit machen. Gleichzeitig verändert sich auch die Nachfrage nach Managed Services selbst weiter: Statt vergleichsweise einfachen Managed Firewall Services werden zum Beispiel inzwischen verstärkt "Cyber-Resiliency-Angebote" nachgefragt. Dabei ist die Erwartungshaltung größer - aber uneinheitlicher und oft sehr vage. Auch diesen Entwicklungen müssen MSPs und Firmen, die es werden wollen, Rechnung tragen.
Neue Fähigkeiten braucht der MSP
"Ich würde sagen, dass Unternehmen, die sich zum MSP entwickeln, vor allem die Fähigkeit zum proaktiven Handeln ausbauen müssen", sagt Jan van der Marel, Senior Customer Success Manager bei Atera dazu. "Von einem MSP wird erwartet, dass er Herausforderungen und Probleme erkennt, bevor diese akut werden. Dies setzt den Willen zur Eigeninitiative voraus sowie das Beherrschen einer leistungsfähigen Monitoring-Lösung."
"Analog zur Verlagerung von On-Premises in die Cloud und von Hardware zu Software und As a Service verändern sich auch die Anforderungen an das technische Know-how der MSP-Mitarbeiter", berichtet auch James Vyvyan, Vice President of Sales EMEA bei Datto. "Operativ sind Managed Services beispielsweise ohne Remote Monitoring & Management (RMM) oder Professional Services Automation (PSA) nicht denkbar, was entsprechende Kompetenzen der Mitarbeiter erfordert.
Darüber hinaus steigen mit den zunehmenden Cyberbedrohungen auch die Anforderungen an Security und Resilienz, auch diesbezüglich müssen MSPs und ihre Mitarbeiter kontinuierlich ihre Kompetenzen ausbauen." Neben Funktionen, Prozessen und Tools zur Gewährleistung von Cybersecurity für ihre Kunden und sich selbst misst Gary Pica, Gründer und President von TruMethods, einem Unternehmen von Kaseya, der Funktion von MSPs als virtuellem Chief Information Officer (vCIO) hohe Bedeutung zu. "Da KMU immer mehr Technologie einsetzen, müssen sie bessere und strategischere Entscheidungen treffen. Die Rolle des vCIO besteht darin, sowohl das Geschäft des Kunden als auch seine Technologie zu verstehen, um sicherzustellen, dass seine Technologieentscheidungen seine strategischen Ziele unterstützen", so Pica - der damit letztlich das von Gartner-Analyst Büst entworfene Szenario lediglich mit anderen Worten beschreibt.
Wie Mitarbeiter MSP-Fähigkeiten erlernen
Egal, ob man es nun Digital Business Infrastructure Operations oder virtuellen Chief Information Officer nennt - das Anforderungsprofil unterscheidet sich in beiden Fällen doch deutlich von dem, was eine Person bei klassischem Remote Monitoring oder dem Management einzelner Security Appliances zu tun hat. Und da stellt sich aus Sicht des Unternehmens die Henne-Ei-Frage: Erst ausbilden und dann die Services anbieten und damit erheblich in Vorleistung gehen, oder den Sprung ins kalte Wasser wagen und sich darauf verlassen, dass die Mitarbeiter die erforderlichen Fähigkeiten schon erlernen werden?
Atera-Manager Marel rät zu einem Mittelweg: "Ein reines Learning by Doing ergibt ebenso wenig Sinn wie der Versuch, vom ersten Tag an alles perfekt beherrschen zu wollen. Es ist aber unerlässlich, mit dem notwendigen Rüstzeug zu starten." Dazu zählt er eine professionelle Lösung für Remote Monitoring und Management mit Selbstheilungsfunktionen sowie ein Ticketing System, das unter anderem für Transparenz und Kontrolle sorgt.
"Erfahrungsgemäß erfolgt die vollständige Umstellung des Geschäftsmodells auf Managed Services nicht auf Knopfdruck oder über Nacht. Vielmehr ist es ein kontinuierlicher Prozess, bei dem Managed Services sukzessive auf- und ausgebaut werden", beschreibt Datto-Manager Vyvyan. Vorab sollten sich IT-Dienstleister seiner Erfahrung nach mehrere grundsätzliche Fragen stellen: "Was will und kann ich als Managed Service anbieten, wen und was benötige ich dafür, und wie überzeuge ich Kunden davon, dass sie es brauchen?" Daraus ergäben sich dann die Anforderungen an die Mitarbeiter und die Team-Struktur.
Dem stimmt Gary Pica von TruMethods zu: "Als Erstes müssen Sie entscheiden, wie Ihr Ansatz für Managed Services aussehen soll. Als Nächstes entscheiden Sie, wie Sie Ihr Serviceangebot verpacken und bepreisen wollen. Dann können Sie Ihre Mitarbeiter in den spezifischen Funktionen und Prozessen schulen, um Ihren Ansatz zu unterstützen." Der Channel biete von MSP-Foren auf Social-Media-Plattformen bis zu speziellen Peer-Groups eine Reihe von Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für diejenigen, die ihr Unternehmen auf ein MSP-Modell umstellen möchten. Zertifizierungen sowie Vertriebs- und Marketingunterstützung vom Anbieter könnten bei dieser Schulung unterstützen.
Für Kay-Uwe Wirtz von Barracuda MSP sind Kenntnisse in IT-Security für den MSP-Einstieg unerlässlich: "Als MSP verkauft man nicht einfach nur Lösungen. Im Vordergrund stehen hier die Security-Beratung und das Betreiben der ausgegliederten Bereiche, die durch die Services abgedeckt werden. Dadurch hat sich die Stellung des Systemhauses zum "Trusted Advisor" gewandelt. Das stärkt die Kundenbindung erheblich, da auch die Verantwortung übertragen wird", hebt Wirtz hervor.
Es gibt nicht "ein bisschen MSP"
Wirtz gibt zu bedenken, dass "das MSP-Business ein Aufbaugeschäft ist. Es muss daher langfristig betrachtet und angegangen werden. Benötigt wird mindestens ein Consultant, der das Management und das Reporting übernehmen kann." Die vorhandene Vertriebs- und Consulting-Mannschaft müsse ansonsten lediglich umdenken.
"Es geht nicht mehr um einen Verkauf, sondern um die Beratung der IT Security. Am Anfang werden die Umsätze, da monatlich fakturiert wird, klein sein. Da ist ein bisschen Geduld gefragt, denn es wird etwas Zeit brauchen, bis die Erträge größer werden", räumt Wirtz ein. "Aber wenn diese Anlaufzeit vorbei ist, hat man einen sehr guten monatlichen Zahlungseingang - und das regelmäßig, was wiederum wichtig für weitere Investitionen ist."
Die Frage ist, wie Firmen, die Produktverkauf und Service-Angebot parallel betreiben, den Vertrieb dazu bringen, etwas zu verkaufen, dessen Früchte er aufgrund des Provisionsmodells vielleicht gar nicht ernten kann. "Ein bisschen MSP" gebe es daher nicht, schränkt Marel ein. Als Devise schlägt er vor: "Vielleicht könnte man sagen: 'Not MSP only, but MSP first'."
Für Pica ist ganz klar: "Nicht jeder wird auf ein neues Modell umsteigen wollen." MSPs sollten deshalb nach Mitarbeitern mit MSP-Erfahrung suchen, um die Unternehmenskultur während der Übergangsphase zu verändern. Marel ist hier weniger kategorisch: "Es ist sicherlich nicht zwingend, neue Mitarbeiter einzustellen, wenn sich ein Unternehmen zum MSP wandelt. Aber klar ist auch: Man muss schon genau prüfen, ob man alle anvisierten Leistungen mit dem bestehenden Know-how bedienen kann." Wichtig sei auf jeden Fall, die Mitarbeiter so auszubilden, dass sie die genutzte RMM-Lösung effektiv einsetzen können.
Auch aus Sicht von Vyvyan "lohnt es sich auf jeden Fall, die eigenen Mitarbeiter auszubilden und mit kontinuierlichen Weiterbildungen zu Experten zu machen. Diese Mitarbeiter dann auch zu halten, ist eher eine unternehmerische Aufgabe, bei der das Umfeld, die Arbeitsbedingungen, Incentives, Zufriedenheit, Gehalt etcetera eine Rolle spielen."
Die Gefahr, dass ein MSP-Spezialist - wenn es so etwas überhaupt schon gibt - abgeworben wird, bestehe immer, merkt Wirtz an. "Aber das gilt nicht nur für den MSP-Bereich, sondern für jegliche Art von Spezialisten." Seiner Ansicht nach ist MSP kein neues Berufsbild. "Es handelt sich vielmehr um einen Techniker, der einen sehr tiefen Einblick in die Firma hat. Das ist kein Verkäufer, sondern ein Strategie-Berater."
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