Wenn selbst Apple Lieferprobleme beim iPhone einräumen muss, dann weiß man, dass die Berichte über Störungen der Lieferkette keine Erfindung hypernervöser Branchenbeobachter sind. Bleiben Regale in den Fachmärkten leer und enttäuscht in vielbesuchten Online-Shops der Hinweis "derzeit nicht lieferbar", sorgt das für breite Aufmerksamkeit. Bei IT-Infrastruktur für Rechenzentren und Netzwerkprodukten für Unternehmen sind die Probleme versteckter. Die damit befassten Personen spüren sie deshalb nicht weniger.
Marktbeobachter wie Gartner versuchen sie fassbar zu machen. Gartner-Analyst Andrew Lerner berichtete bereits im Februar im Hinblick auf Unternehmensnetzwerke, dass vor der Corona-Pandemie Produktvorlaufzeiten von vier bis sechs Wochen üblich gewesen seien. Anfang 2022 lagen sie dagegen zwischen 200 und 300 Tagen. Teilweise seien Kunden schriftlich sogar 430 Tage und mehr vertröstet worden.
"Wir erwarten, dass die Lieferbedingungen bis Anfang 2023 angespannt bleiben, im Laufe der folgenden Monaten wird dann eine langsame, schrittweise Verbesserung eintreten", prognostizierte Lerner. Bei Servern und Storage-Produkten berichten Marktteilnehmer teils von ähnlichen Schwierigkeiten.
Die einschlägigen Hersteller gehen damit unterschiedlich offen um. Sehr freizügig ist Huawei. Das liegt auch daran, dass das Unternehmen als eines der wenigen zuverlässig liefern kann. Es macht auch keinen Hehl daraus, dass ihm dadurch sogar einige Projekte zugefallen sind, die es sonst nicht gewonnen hätte. Beispiele dafür nannte das Unternehmen seinen Partnern auf der 9. Huawei Ecosystem Partner Conference Mitte Oktober in Unterschleißheim bei München.
Huawei gibt sogar Liefergarantien
Einer der Gründe für die Ausnamesituation bei Huawei sind ausgerechnet die vom damaligen US-Präsidenten Trump forcierten Sanktionen: Erstens habe sich Huawei während der Zeit, bis die in Kraft getreten sind, im großen Stil mit Komponenten eingedeckt, zweitens habe das Unternehmen seine ohnehin laufenden Bemühungen verstärkt, durch vertikale Integration möglichst unabhängig von Zulieferern zu werden.
Ganz ist das noch nicht erreicht. Dass es sich bei den Aussagen nicht um leere Worte handelt, belegte das Unternehmen mit seinen Geschäftszahlen und speziell in Deutschland im Verlauf des Jahres mit einer "Fast Track" genannten Promotion, die es im Oktober sogar verlängerte. Damit sagt Huawei bei wichtigen Technologiekomponenten eine Lieferzeit von zwei bis vier Wochen fest zu.
Auf den beschafften Vorräten ausruhen kann sich aber auch Huawei nicht. Das Unternehmen hat daher die Beschaffung auf Lieferanten in mehreren Regionen und Fabriken an unterschiedlichen Standorten verteilt. Deshalb erfolgt derzeit die Produktion von Leiterplatten für die Chipfertigung parallel in Eigenregie und per Outsourcing in integrierten Fertigungszentren in fünf Ländern auf vier Kontinenten. Die Lagerhaltung dafür ist in drei Ebenen (Rohmaterial, Halbfertig- und Fertigprodukte) aufgeteilt. Und die Lieferung läuft über globale Versorgungszentren und unterschiedliche Logistikrouten.
"So können wir unseren Partnern eine Liefergewähr für ausgewählte Produkte geben", sagt Jörg Karpinski, Sales & Marketing Director der Enterprise Business Group bei Huawei Deutschland. "Wer heute bestellt, erhält seine Komponenten je nach Produkt binnen zwei bis vier Wochen geliefert", so sein Versprechen an die Partner auf der Partnerkonferenz. Die "Fast Track" Promotion läuft noch bis Ende 2022 und gilt für gängige Switches, Router und Access Points, Flash-Speicher sowie Glasfaserprodukte für Heimnetzwerke und Rechenzentren.
Fujitsu hat an zahlreichen Stellschrauben gedreht
Fujitsu räumt auf Anfrage von ChannelPartner im November 2022 "Einschränkungen bei einigen Produktbereichen im Datacenter-Segment" ein. Zum Beispiel gebe es bei ausgewählten RAID-Karten noch Zulieferschwierigkeiten. "Aber auch hier beginnt sich die Lage weiter zu entspannen, da wir durch intelligente Einkaufsgemeinschaften, aber auch durch Eigeninvestments - den Zukauf teurer Ware -versuchen, Lieferbeschränkungen bestmöglich auszugleichen", sagt Santosh Wadwa, Head of Product Channel Sales für Fujitsu in der Region Central Europe. Wadwa gibt ehrlicherwiese aber auch zu: "Dies gelingt jedoch leider nicht in jedem Auftragsfall."
Mit den Distributoren sei man bei vielen Modellen in den Segmenten Notebooks, Desktops und Displays inzwischen "sehr gut aufgestellt" und könne binnen 24 bis 48 Stunden liefern. "Darüber hinaus haben wir auch bei Fujitsu selbst einige Prozesse verbessert", erklärt Wadwa. "So haben wir seit Oktober dieses Jahres die globale Verantwortung für die Supply Chain in die Hände eines Teams gelegt, das in Deutschland sitzt. Das heißt: die weltweiten Fäden für das Thema Disposition, Einkauf, Produktion und Logistik für das Produktsegment laufen in Deutschland zusammen. Damit können wir in Zukunft bei kritischen Themen, die auch den europäischen Markt betreffen, zeitnah gegensteuern."
Die globale Produktionsverantwortung biete auch die Möglichkeit, bei Engpässen von einer Produktionsstätte auf eine andere zu wechseln. Das schaffe Flexibilität." Nicht zuletzt helfen uns Einkaufsgemeinschaften, auf unterschiedliche Zulieferer zurückgreifen zu können", ergänzt Wadwa. Als weiteren wichtigen Vorteil von Fujitsu sieht er die Produktionsstätten in Tschechien. "Die räumliche Nähe zu unseren Partnern und Kunden in DACH ist unschlagbar und macht uns flexibel. Wir haben darüber hinaus große Komponentenlager eingerichtet, um bei Engpässen darauf zurückgreifen zu können." Ein Pufferlager in Worms helfe zudem Peaks und Lieferengpässe abzufedern. Schließlich verweist er auf die Möglichkeit, bei Fujitsu Projektlager anzulegen und so Ware bei Bedarf abrufen zu können.
Um Projekte zu retten, hätten in den vergangenen zweieinhalb Jahren die persönlichen Betreuer viel Aufwand getrieben. "So konnten zum Beispiel durch Einzelfall-Eskalationen oder Konfigurationsänderungen in vielen Fällen Lösungen gefunden werden, die zu beiderseitiger Zufriedenheit führten", berichtet Wadwa. Schließlich sei die Lage branchenweit ähnlich, da sei für Kunden lediglich ein Wechsel des Lieferanten nicht die einfache Lösung - wichtig sei, das Vertrauen und enge Betreuung.
Eine weitere Maßnahme für mehr Transparenz ist eine neu hinzugekommene Ampelfunktion im Online-Konfigurations-Tool. "Durch diese wird schnell und einfach deutlich, welcher Prozessor, welche Festplatte oder ähnliches verfügbar oder im Zulauf sind. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, Projektkonfigurationen zu prüfen, oder zu checken welche Produkte im Rahmen des V4Y-Programmes vergleichbar und in der Distribution verfügbar sind."
"Unsere Partner und Kunden können immer auf ihren persönlichen Ansprechpartner zurückgreifen, um gemeinsam Lösungen für Lieferthemen zu finden."
Tanz auf dem Eis bei Dell und HPE
Deutlich bedeckter halten sich bei dem Thema Lieferschwierigkeiten Dell Technologies und HPE. Dell verweist auf Anfrage von ChannelPartner lediglich auf eine allgemeine Stellungnahme - die mit vielen und blumigen Worten umschreibt, dass man dazu nichts sagen will und wird. Das klingt dann so:
"Die weltweiten Lieferengpässe bei Halbleitern und die globalen logistischen Herausforderungen bei Waren und Komponenten wirken sich weiterhin auf nahezu jede Branche aus. Diese Lieferengpässe haben die gesamte Industrie weltweit und Hersteller-übergreifend vor große Herausforderung gestellt. Wir als Dell Technologies sind aufgrund unserer hervorragenden Supply Chain, unserer engen Beziehungen zu unseren Partnern und einer sehr vorausschauenden Planung jedoch sehr gut aufgestellt. Natürlich setzen wir auch weiterhin alles daran, unsere Lösungen so schnell wie möglich an unsere Kunden auszuliefern und Lieferverzögerungen zu minimieren."
Für HPE hatte sich CEO Antonio Neri im Rahmen der Bekanntgabe der Zahlen für das dritte Quartal 2022 (PDF) Ende August zur Liefersituation geäußert. Demnach hatte sich bis dahin die Situation in der Lieferkette gegenüber den vorhergehenden Quartalen nicht geändert. Bestimmte Komponenten seine nach wie vor knapp, was die Lieferungen einschränke. "Wir haben jedoch Fortschritte bei proaktiven Maßnahmen erzielt, die wir ergriffen haben, um die Widerstandsfähigkeit unserer Lieferkette zu verbessern", sagte Neri.
Wie bei Huawei und Fujitsu sind das auch bei HPE neue Multi-Sourcing-Optionen. Daneben habe man durch Designänderungen dafür gesorgt, dass besonders knappe Komponenten ersetzt werden und so der Bedarf der Kunden bedient werden kann. Außerdem wies Neri darauf hin, dass es eine gewisse Entspannung gibt, weil die Nachfrage durch private Verbraucher zurückgeht und dadurch einige Komponenten wieder in größerem Umfang für Produkte für Unternehmenskunden zur Verfügung stehen. Neri ging jedoch davon aus, dass die Lage "bis ins nächste Jahr herausfordernd bleiben wird, obwohl es einige sehr frühe Anzeichen für eine mögliche kurzfristige Entspannung gibt."
Cisco bezieht Partner und Distributoren ein
Trotz kontinuierlicher Optimierungen der Lieferkette haben sich die globalen Materialengpässe in der Halbleiterindustrie auch auf Cisco ausgewirkt, räumt das Unternehmen ein. " Dies hat zu verlängerten Vorlaufzeiten bei mehreren Produkten geführt", erklärt ein Cisco-Sprecher auf Anfrage von ChannelPartner ein. Insbesondere der April 2022 sei durch die COVID-bedingten Stillstände in Shanghai und die Auswirkungen auf die Halbleiter- und Stromversorgung geprägt gewesen.
"Nach diesem schwierigen Monat haben sich die allgemeinen Lieferengpässe im Laufe des Sommers etwas entspannt. Die von uns getroffenen Entscheidungen und die zahlreichen Maßnahmen, die wir in den letzten zwei Jahren ergriffen haben, konnten dazu beitragen, unsere Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Dazu gehören die Aufnahme neuer Zulieferer und Kooperationen mit alternativen Zulieferern. Gleichzeitig haben wir hunderte Produkte neu designt, um durch die Verwendung alternativer Komponenten mit ähnlichen Fähigkeiten, bestehende Engpässe zu umgehen".
Rüdiger Wölfl, Channel Chef von Cisco Deutschland, ergänzt: "In Deutschland spielen dabei auch die Partner und Distributoren eine wichtige Rolle. Viele von ihnen haben zusätzliche Lagerkapazitäten aufgebaut und neue Onlinezugänge und APIs für Bestandsinformationen geschaffen. Dadurch wurden in Deutschland Transportwege verkürzt, Lagerbestände transparenter gemacht und Produktbestände aufgestockt."
Inwieweit von den Engpässen der Graumarkt profitiert hat, will Cisco nicht kommentieren. Das sei kein neues Problem und man beobachte und bekämpfen es seit Jahren intensiv. Erst im August konnte Cisco dabei einen großen Erfolg melden, als Behörden eine Gruppe von Unternehmen stilllegten, die besonders dreist und in großem Umfang mit Produktfälschungen gehandelt hatte.
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