Mit einem nicht immer klaren Kurs hatte Juniper sich in der Vergangenheit viel Kredit im Fachhandel verscherzt. Vom einst mutigen, kleinen, innovativen und schnellen Cisco-Herausforderer war nicht mehr viel Glanz übrig geblieben, gut lief es vor allem im Carrier-Markt, den Juniper aber direkt oder nur sehr selektiv mit Partnern bedient. Dadurch ging im Enterprise-Markt auch viel an Sichtbarkeit verloren.
Das Ruder wurde jedoch bereits 2018 herumgeworfen. Der Hersteller hat Fehler der Vergangenheit erkannt, sie auch eingeräumt und Besserung gelobt. Erste Ergebnisse zeigten sich auch bald, aber angesichts eines in vielen Bereichen dominierenden Branchenführers (Cisco), eines wiedererstarkten, solide positionierten Zweiten im Markt (HPE Aruba), der vor allem mit der Gesamtbreite seines Portfolios punkten kann, und eines aggressiv zukaufenden Mitbewerbers (Extreme Networks) war es nicht einfach, neue Partner für sich zu gewinnen.
In einem ersten Gespräch mit ChannelPartner im Frühjahr 2019 konnte Bert Zeleken, Director Enterprise & Partner Sales bei Juniper Networks, nach gut anderthalb Jahren in dieser Position dennoch eine positive Zwischenbilanz ziehen. Mit damals rund 250 Partnern sah er sich in der Position, neue Partnerschaften nur noch einzugehen, wenn "von beiden Seiten der Wille erkennbar ist, in die Partnerschaft zu investieren."
Vom Umsatz entfiel rund ein Drittel auf das Geschäft mit den ganz großen Carriern, ein Drittel auf das Geschäft mit Service-Providern und Versorgern und zu einem Drittel auf Unternehmen. Allerdings entwickelte sich das Enterprise-Geschäft "mit guten zweistelligen Wachstumszahlen" am dynamischsten. Juniper unterstützte diesen Bereich mit einem zahlenmäßig immer größer werdenden Team für die Partnerbetreuung.
Channel-Chef Marcus Ulonska setzt auf Evolution des Channels
Diesen Weg geht das Unternehmen auch 2020 weiter. Marcus Ulonska, Channel-Chef des Unternehmens in Deutschland, bleibt damit dem Motto von Zeleken treu, "mit Konsistenz und Konsequenz" im Channel zu punkten. Allerdings hat er dafür mit Westcon nun einen weiteren Distributor an Bord und nach der Integration der Technologien des im Frühjahr 2019 übernommenen Unternehmens Mist Systems zusätzliche Technologien.
Der hierzulande gerade erst im Markt gestartete, vor allem als WLAN-Spezialisten aufgetretenen Anbieter, bereicherte das Juniper-Portfolio nicht nur um eine leistungsfähige Access Points, die WLAN und Bluetooth Low Energy kombinieren, sowie einen neuen Ansatz für Indoor Navigation und Location Based Services bieten. Juniper hatte bei Mist Systems sein Augenmerk nicht zuletzt auch auf die neuartigen Möglichkeiten der KI-unterstützten Netzwerkverwaltung und der natürlichsprachlichen Interaktion des Administrators mit dem Netzwerk geworfen. Diese Möglichkeiten werden nun sukzessive auf das gesamte Juniper-Portfolio ausgedehnt.
Enterprise+-Programm und MSP-Support
"Wir haben unser Channel-Team erneut deutlich vergrößert", berichtet Marcus Ulonska, der den Channel in Deutschland verantwortet, im Gespräch mit ChannelPartner. "Seit Anfang 2020 haben wir trotz des schwierigen Umfelds alle offenen Stellen im Channel-Ökosystem besetzen können. Das Inside-Sales-Team wurde personell verdreifacht, die Distributions-Mannschaft verdoppelt, das gesamte Channel-Team hat sich nominell verdoppelt", berichtet Ulonska zufrieden. "Das ist auch sehr wichtig, denn wir wollen ja auch etwas anschieben", so Ulonska weiter.
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Eine Säule der Channel-Strategie von Juniper ist das Enterprise+-Programm. Ihm gehören derzeit weltweit knapp 100 Partner an, sechs davon stammen aus der DACH-Region. Neben Axians, Bechtle und SVA sind das auch HCD, Circular und in der Schweiz NGworx. Am Enterprise+-Programm können Partner auf Einladung hin teilnehmen. Solch eine Einladung ergeht, wenn der Hersteller den strategischen Willen der Geschäftsführung erkennen kann, das das Unternehmen in die Partnerschaft mit Juniper investieren. Für hochmotivierte Partner steht zudem ein MSP-Programm bereit. Es umfasst auch eine Art "Pay-as-you-grow"-Finanzierung.
Juniper hat Fachhandelsteam deutlich vergrößert
Juniper in Deutschland auch in das eigene Team investiert und die Mitarbeiterzahl dort verdoppelt. "Gerade in der Krise jetzt ist deutlich geworden, dass es Investitionslücken gibt - bei Unternehmen, aber auch bei öffentlichen Auftraggebern. Das ist ein wachsender Markt und hier sehen wir für unsere Partner noch große Wachstumschancen", ist Ulonska überzeugt. Damit sie die möglichst effizient nutzen können, hat jeder Enterprise+-Partner einen direkten Ansprechpartner bei Juniper. Außerdem spielt die Distribution eine wichtige Rolle im Konzept der Partnerunterstützung. Bisher lag diese Aufgabe bei Tech Data und für die Produkte aus der Übernahme von Mist Systems alleine bei Nuvias. Nun ist kürzlich auch Westcon dazugekommen.
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Die breiter angelegte Channel-Strategie setzt die im Vorjahr begonnenen Maßnahmen fort, hat aber auch Unterstützung von höchster Stelle. Mit Gordon Mackintosh als Vice President of Worldwide Channel and Virtual Sales hat Juniper diese Stelle Anfang des Jahres neu besetzt. Mackintosh kam von Extreme Networks, wo er ebenfalls die weltweite Channel-Verantwortung hatte, und kann auf einige Erfahrung bei der Entwicklung und Durchführung von Partnerprogrammen bei Cisco Systems zurückblicken.
Neuer Distributionspartner Westcon
Westcon wurde im Mai zusätzlich die Vermarktung des Lösungsportfolio von Mist Systems in der EMEA-Region übertragen. Die anderen Juniper-Produkte hat der VAD schon seit Jahren im Portfolio. Für den Ausbau der Geschäftsbeziehung kam extra Stefan Bontenackels zu Westcon. Er leitet dort die fünfköpfige Business Unit, die sich um die Vermarktung von Juniper Networks und Pulse Secure in Deutschland kümmert.
Neben den WLAN-Produkten hat Mist Systems eine lernende, KI-basierte Cloud-Plattform ins Juniper-Portfolio gebracht. Juniper integriert sie derzeit noch und weitet ihren Funktionsumfang auf das gesamte Portfolio aus. Sie analysiert das Verhalten von Benutzern, Geräten und Anwendungen anonymisiert und passt die Konfiguration automatisch an. So lassen sich Netzwerke dynamisch an veränderte oder nur zeitweise auftretende Anforderungen anpassen und sich anbahnende Probleme frühzeitig erkennen und beheben.
Besonderheit ist einerseits, dass diese Analysen und Konfigurationsänderungen unmittelbar im laufenden Betrieb erfolgen. Andererseits steht mit "Marvis" ein virtueller, ebenfalls KI-unterstützter Netzwerkassistent zur Verfügung, der mit Mitarbeitern im Helpdesk und Netzwerkadministratoren mittels Sprachbefehlen gesteuert werden kann.
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"In letzter Zeit sind viele Partner auf uns zugekommen und haben erklärt, dass sie auch 'Mist' verkaufen wollen", so Ulonska, da sie in der Architektur durchaus ein Alleinstellungsmerkmal sähen, das ihnen neue Möglichkeiten biete. Und so lustig dieses Ansinnen auf Deutsch zunächst auch klingt - für eine Partnerschaft ist es ein guter Ausgangspunkt, wenn sie mit einem beidseitigen Lächeln beginnt.