von Theresa Münch und Christopher Kissmann, dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von der größten ausländischen Direktinvestition der deutschen Geschichte. Der US-Chipriese Intel will für 30 Milliarden Euro Fabriken in Magdeburg bauen. "Mit dieser Investition schließen wir technologisch zur Weltspitze auf", betonte Scholz am Montag. Vielleicht noch wichtiger: Deutschland könnte unabhängiger von Lieferbeziehungen zu Asien werden. Der Bundesregierung ist das viel wert: Sie steuert rund ein Drittel der Summe als Fördermittel bei.
Über Monate war zuvor in Berlin hinter verschlossenen Türen hart gerungen worden. Intel hatte zwar im März 2022 bekanntgegeben, dass in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt ab 2027 Chips produziert und dafür zwei Halbleiterwerke gebaut werden sollen. Mehrere Tausend Arbeitsplätze sollten entstehen. Doch seitdem ist viel passiert: Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation ließen manchen zweifeln, ob das US-Unternehmen nicht doch noch einen Rückzieher machen würde, wenn ihm die staatlichen Hilfen nicht reichten.
Seit Montag ist man nun einen entscheidenden Schritt weiter: Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Unternehmen steht. Statt der bislang zugesagten 6,8 Milliarden Euro vom Bund sollen nach dpa-Informationen nun 9,9 Milliarden Euro fließen.
Magdeburg, Dresden, Breslau und Ensdorf statt Asien
Für die Umsetzung fehlt nun noch grünes Licht aus Brüssel, doch da ist man in Deutschland optimistisch. Die Europäische Union will bei der Chipproduktion technologisch unabhängiger von Asien werden. Milliardenschwere Subventionen sollen ermöglichen, dass sich internationale Hersteller in Europa ansiedeln.
In Dresden will beispielsweise Infineon seine Produktionsstätte erweitern und etwa 1000 neue Jobs schaffen. Im polnischen Breslau (Wroclaw) will Intel eine Chipfabrik bauen, in der Mikroprozessoren montiert und getestet werden. In Ensdorf im Saarland will der US-Konzern Wolfspeed eine moderne Chipfabrik hochziehen.
In Magdeburg ist neben zwei Halbleiterwerken auch ein High-Tech-Park für die Ansiedlung von Zulieferern geplant. Bei Intel selbst sollen laut Unternehmenschef Pat Gelsinger rund 3000 Hightech-Arbeitsplätze entstehen, zusätzlich mehrere Zehntausend bei Zulieferern und verbundenen Branchen.
Gelsinger sprach in Berlin von einem wichtigen Schritt hin zu einer ausgewogenen und widerstandsfähigen Lieferkette für Europa. In vier bis fünf Jahren solle die Produktion in Sachsen-Anhalt beginnen. "Die Investition von Intel wird die Halbleiterproduktion in Deutschland auf ein neues Niveau heben und ist ein wichtiger Beitrag zur wachsenden europäischen Souveränität", betonte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Rekordinvestitionen
Nicht nur die Förderung der Bundesregierung wird aufgestockt, auch der US-Konzern nimmt für seine deutschen Werke deutlich mehr Geld in die Hand als zunächst geplant. 2022 hatte Intel die Investitionssumme für Magdeburg noch mit rund 17 Milliarden Euro angegeben. Inzwischen aber stiegen Bau- und Energiekosten. Außerdem sagte das Unternehmen nun zu, eine noch modernere Chip-Technologie zu nutzen, die für die neuesten Smartphones und Computer verwendet wird.
So kommen Gesamtkosten von rund 30 Milliarden Euro zustande - Förderung eingerechnet. Eine Rekordsumme. Zum Vergleich: Schon die 17 Milliarden Euro wären in etwa dreimal so viel gewesen wie der Autobauer Tesla in Brandenburg investiert hat.
Insgesamt verdoppele Intel seine Investitionen nahezu, hieß es aus Regierungskreisen. Die staatliche Förderung soll um gut drei Milliarden steigen. Damit sinkt der relative Förderanteil des Bundes: Ursprünglich hätte die Regierung 40 Prozent des Investitionsvolumens beigesteuert, jetzt sollen es rund 33 Prozent sein.
Kritik an hoher Förderung
Die Höhe der staatlichen Hilfen ist unter Experten umstritten. Aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut IWH kam zuletzt mehrfach scharfe Kritik. IWH-Chef Reint Gropp plädierte dafür, stattdessen Forschung und Entwicklung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie in Unternehmen zu fördern.
In der Bundesregierung hatte sich vor allem Habeck für höhere Subventionen eingesetzt, um die Ansiedlung zu ermöglichen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte mehrfach, im Bundeshaushalt sei kein Geld mehr vorhanden.
Nun sollen die zusätzlichen Mittel dem Vernehmen nach nicht aus dem regulären Etat, sondern aus einem Sondertopf kommen. Dabei handelt es sich nach ersten Informationen um den Klima- und Transformationsfonds, aus dem die Bundesregierung Projekte für mehr Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft bezahlt. Aus dem gleichen Topf sollen allerdings auch Fördermittel für den gerade beschlossenen Heizungstausch und diverse andere Projekte gestemmt werden.
Während der Baubeginn in Magdeburg ursprünglich für die erste Jahreshälfte 2023 vorgesehen war, könnte es 2024 nun tatsächlich losgehen. Aktuell laufen auf dem Gelände archäologische Untersuchungen und Vorarbeiten für den Bau. (dpa/rw)