Von Beate Wöhe
Als Marcus Adä im vergangenen November seinen Schreibtisch bei Ingram Micro einräumte, stand er vor einem für einen Vertriebsleiter aktuellen Super-GAU: Tausende Waren kamen damals aufgrund einer Softwareumstellung im Logistiksystem zu spät, nicht vollständig oder gar nicht bei den Kunden an. Fragt man ihn heute, ob Ingram Micro die Umstellung auf das neue System noch einmal machen würde, kommt von ihm trotzdem ein klares "Ja". Das neue System habe den Broadliner in die Lage versetzt, den Kunden Mehrwerte zu bieten, die davor nicht möglich gewesen seien. Beispiele sind das Versand-Tracking oder seit neuestem die Möglichkeit für große Kunden und E-Tailer, eine Bestellung per Nachnahme zu bezahlen. Vor allem Händler, die ihren Kunden in der eigenen Zahlungsabwicklung die Möglichkeit der Nachnahme anbieten, könnten sie über Fulfillment direkt durch Ingram abwickeln.
Auch wenn Adä sagt: "Wir haben ein sehr gutes Jahr hinter uns, konnten wieder an Boden gewinnen und sind zu unseren früheren Marktanteilen zurückgekehrt", kann sich der Vertriebs-Chef nicht entspannt im Sessel zurücklehnen. Themen wie der weitere Ausbau des VAD-Geschäfts und das Finden neuer Themen, mit dem die IT-Händler Geld verdienen können, gehören zum Tagesgeschäft. "Wir sind im ersten Jahr nach dem Start der VAD-Abteilung unter der Leitung von Uwe Kannegießer mit seinen derzeit 25 Mitarbeitern extrem zufrieden. Allerdings wollen wir bei den Marktanteilen in Deutschland noch zulegen", sagt Adä. Ob die VAD-Abteilung bereits profitabel ist, darüber schweigt sich der Manager aus. "Die Zahlen zeigen, dass wir in die richtige Richtung gehen. Für uns ist der Bereich ein mittelfristiges Investment."
Nicht geplant sei es, das VAD-Angebot bis in die Tiefen des "Value" auszubauen, wie es reine Value-Added-Distributoren machen. "Wir kommen vom Massenvertrieb auch der Enabling-Markt ist nicht unser Thema", so Adä. Einen Vorteil sieht der Manager im Zusammenspiel von Mehrwert und Volumen. Im Projektgeschäft ist es oft nötig, Hard- und Software sowie zusätzliche Services gleichzeitig zur Verfügung stellen zu können. Hier kann Ingram alles aus verschiedenen Abteilungen, aber aus einem Haus liefern. Trotz der eigenen Größe unterschätzt Adä aber auch nicht die reinen Value Added Distributoren.
Das Ziel des Vertriebs-Chefs liegt im Value-Added-Geschäft, die Marktanteile abhängig von den Herstellern innerhalb von drei Jahren auf den gleichen Wert wie im Volumengeschäft zu bringen. Dort liegt der Anteil derzeit bei 30 Prozent. Bisher hat die Value-Abteilung namhafte Hersteller wie Adobe, Cisco, IBM, McAfee und Oracle im Portfolio. Dass das Thema VAD grundlegend anders läuft als das übliche Broadline-Geschäft, erfährt Uwe Kannegießer, Sales Director Value Added Distribution, täglich: "Die Hersteller verlangen mehr Unterstützung. So betreiben wir beispielsweise aktives Cross-Selling mit Produkten verschiedener Hersteller."
Meinung der Redakteurin
Im Sommer 2005 teilte Ingram Micro den 80 Mitarbeitern der damaligen Value-Added-Toch-ter Compu-Shack mit, die Funk-tionen der Compu-Shack in die Dornacher Zentrale zu verlegen. Der Name Compu-Shack war in der Branche bekannt. Ob die VAD-Abteilung des Broadliners heute genauso bekannt ist, ist fraglich. Vor diesem Hinter-grund ist das Ziel, 30 Prozent Marktanteil bei bestimmten Herstellern zu erreichen, sehr ambitioniert.
Sein Chef Adä ist mit den bisher erreichten Erfolgen zufrieden: "Wir haben in diesem Jahr beispielsweise die Anzahl unserer Cisco-Kunden verdoppelt." An der Produktvielfalt des VAD-Angebotes werde laut Kannegießer noch gearbeitet. Er möchte den Bereich Virtualisierung ausbauen. Adä unterstreicht: "Wir machen uns aber keinen Druck."