Das Wohnungsunternehmen Vonovia und der Rechenzentrumsbetreiber Equinix wollen in Frankfurt-Griesheim ab 2025 etwa 1.000 Haushalte mit Abwärme von drei Rechenzentren versorgen. "Dieses Abwärme-Projekt ist in seiner Gestaltung neuartig und im Umfang für Frankfurt einmalig, vermeidet die Verbrennung fossiler Brennstoffe vor Ort und trägt zu geringeren CO2-Emissionen bei", teilen die Projektpartner mit.
Für Mieter von Vonovia vermindere sich zudem die Abhängigkeit von Preisschwankungen am Energiemarkt, da Equinix die Abwärme kostenlos zur Verfügung stellt. Dafür werden die drei Equinix-Standorte FR4, FR6 und FR8 an einen Wärmetauscher angeschlossen.
"Dieses Projekt zeigt, wie Rechenzentren ihrer lokalen Gemeinschaft etwas zurückgeben können, und ist ein perfektes Beispiel für die Vorteile, die durch die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Investoren, Stadtplanern, Wohnungsbaugesellschaften, Wärmenetz- und Rechenzentrumsbetreibern entstehen", sagt Jens-Peter Feidner, Managing Director für Deutschland bei Equinix. "Wir hoffen, dass dieses Projekt das Interesse anderer potenzieller Partner wecken wird. Equinix ist bestrebt, der gemeinsamen Nutzung der Abwärme zum lokalen Nutzen in den zahlreichen Märkten, in denen wir tätig sind, nachzugehen." Der Schritt ist Teil der weltweiten Strategie des Unternehmens die Klimaneutralität des gesamten Rechenzentrumsbetriebs bis 2030 zu erreichen.
Feidner fügt hinzu: "In Anbetracht der geplanten Gesetzgebung, die strenge Vorschriften dafür vorsieht, wie viel überschüssige Wärme von Rechenzentren wiederverwendet werden muss, müssen die politischen Entscheidungsträger einen ganzheitlichen Ansatz erwägen, der alle Akteure einbezieht - nur so können solche Projekte realisiert werden. Andernfalls würde nur eine Branche geschwächt, die für die Digitalisierung entscheidend ist."
"Effizienz, Nachhaltigkeit und Kosten für Energie sind zentrale Standortfaktoren und Energieeinsparung liegt schon heute im eigenen Interesse der Rechenzentrumsbetreiber, denn der Verbrauch muss reduziert und Abwärme effektiv genutzt werden", sagt Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus. Sie will daher gemeinsam mit unserem Rechenzentrumsbüro ihres Ministeriums dazu beitragen, "Hessen als Standort für innovative und nachhaltige Rechenzentren zu stärken, zukunftsfähig zu erhalten und damit einen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen leisten."
Für Equinix ist Griesheim nicht das erste Abwärmeprojekt. Das Unternehmen verfolgt mehrere Initiativen in mehreren europäischen Ländern. Dazu gehört auch ein kürzlich erweitertes Fernwärmeprojekt in Finnland, mit dem bereits seit 2010 Wohnungen in Helsinki beheizt werden.
Auch das neueste Rechenzentrum von Equinix in Paris (PA10) ist mit einem System zur Rückgewinnung der erzeugten Wärme ausgerüstet. Diese wird an das Stadtentwicklungsgebiet Plaine Saulnier und das Olympische Wassersportzentrum weitergeleitet, in dem während der Olympischen Spiele 2024 in Paris mehrere Veranstaltungen stattfinden werden. Equinix hat sich dort bereit erklärt, die Wärme für einen Zeitraum von 15 Jahren kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Abwärme abzugeben ist nicht immer ganz einfach
Abwärme kostenlos abzugeben ist großzügig - denn theoretisch könnten Rechenzentren dafür sogar Geld verlangen. Allerdings wurde im Zuge der Beratungen über das Energieeffizienzgesetz zuletzt heftig diskutiert, inweweit eine Verpflichtung zur Abgabe von Abwärme an Fernnwäremnetz sinnvoll ist. Die German Datacenter Association e.V. sieht eine pauschale Verpflichtung zur Abgabe von Abwärme mit prozentualen Quoten kritisch und befürwortet die Schaffung eines Anreizsystems. Positiv bewertet Anna Klaft, Vorstandsvorsitzende der German Datacenter Association, dass die verpflichtende Ansiedlung von neuen Rechenzentren innerhalb eines Fünf-Kilometer-Radius von Wärmenetzen aus dem Gesetz ersatzlos gestrichen werden soll. „Die pauschale Abgabeverpflichtung von Abwärme sorgt für Unsicherheit in der Planung", sagt Klaft.
Aus Sicht des eco-Verbandes ist eine starre, einseitige Abgaberegelung für Rechenzentrumsbetreiber ebenfalls abzulehnen. Dr. Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen im eco Verband schlägt stattdessen vor, sich auf die sogenannte "Readiness zur Abgabe der Abwärme" eines neugebauten Rechenzentrums zu fokussieren. Damit würden Rechenzentren von vornherein mit der Möglichkeit der Abgabe ihrer Abwärme geplant und wären bei Bedarf in der Lage, die Abwärme mit akzeptablem zeitlichen, technischen und kommerziellen Aufwand abzugeben.
“Wir brauchen einen realistischen Voraussetzungskatalog für Abwärmeprojekte mit einer standortspezifischen Analyse zur Machbarkeit”, forderte Waldhauser im Juni. "Eine solche Regelung entspräche auch dem europäischen Ansatz der Energy Efficiency Directive, die eine Abwärmenutzung in Abhängigkeit lokaler Besonderheiten und wirtschaftlicher Machbarkeit vorsieht." Die damals im Energieeffizienzgesetz diskutierten Vorgaben bedeuteten aus seiner Sicht "faktisch ein Neubaumoratorium von großen und damit besonders energieeffizienten Rechenzentren."
Weitere Rechenzentren mit Abwärme-Projekten
Würde Anschluss ans Fernwärmnetz Voraussetzung für Rechenezntren, müssten die Betreiber bei der Standortwahl neben ausreichender Stromversorgung und Internetzugang auch noch die Anschlussmöglichkeit berücksichtigen. Dabei ist die nach Aussage vieler RZ-Betreiber schon heute schwerig genug. Dennoch gibt es immer wieder Projekt, die Abwärmenutzng gleich von Anfang mit bedenken.
Dazu gehört zum Beispiel der „Digital Park Fechenheim“ im Osten von Frankfurt am Main, wo Interxion im ehemaligen, denkmalgeschützten Neckermann-Versandzentrum elf Rechenzentren und einer IT-Fläche von 100.000 Quadratmetern unterbringen will. Da wurde für die rund 18.000 Quadratmeter Büro- und Lagerräume die Nutzung der Abwärme der Rechenzentren von Anfang an eingeplant und sind zusätzliche Konzepte zur Einspeisung in Nah- und Fernwärmenetze in Vorbereitung.
In Berlin hat NTT für seinen Standort „Berlin 2“ Ende 2022 ein Konzept für die umfassende Abwärmenutzung durch lokale Partner vorgestellt. Ein "erheblicher Teil" der Abwärme wird dort in ein Wärmenetz eingespeist, das den benachbarten, 385.000 Quadratmeter großen Gewerbequartier Marienpark sowie weitere Abnehmer in der Umgebung versorgen soll. NTT kooperirt dort mit dem Immobilienentwickler Investa und dem Energieversorger GASAG.
"Blauer Engel" für Rechenzentren in der Kritik
Rechenzentren bieten noch Einsparpotenziale