(Wiederholung vom Sonntag, 20. April) Von Christoph Baeuchle DOW JONES NEWSWIRES
STUTTGART (Dow Jones)--Der Nutzfahrzeughersteller MAN ist auf dem europäischen Markt ein Riese. Global spielt der Münchner Konzern für den Lkw-Markt allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Die internationale Expansion, die MAN im Jahr 2005 eingeleitet hat, kommt nicht so schnell voran wie gehofft.
So erweist sich der Weg zu einem Partner für eine Produktion in China länger als erwartet. Auch in Indien startete die Lkw-Fertigung von MAN im vergangenen Jahr mit erheblichen Qualitätsproblemen. Dafür hat MAN in Russland ganz gut Tritt gefasst. Bei der Aufteilung des dortigen Marktes wollen sich die Deutschen ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden als die Mitbewerber.
"Die Globalisierung war in der Nutzfahrzeugsparte lange kein Thema", räumt Hakan Samuelsson im Gespräch mit Dow Jones Newswires ein. Doch nun will der Lkw-Hersteller deutlich zulegen und verstärkt in fremde Märkte dringen, denn "ohne internationale Expansion würden wir nicht wachsen". In Moskau weihte der Konzern Anfang der Woche ein repräsentatives MAN Haus ein, das neben der Markenpflege auch für eine Bündelung der Vertriebsaktivitäten aller Sparten zuständig ist.
Anders als die Wettbewerber will MAN in Russland ohne eigene Fertigung vor Ort auskommen. Der Konzern arbeitet dafür an einer deutlichen Erweiterung des Vertriebsnetzes. Die Zahl der russischen Vertriebspartner soll von derzeit 25 bis Ende 2010 auf etwa 100 steigen. Zum Jahresende will MAN Nummer eins unter den westlichen Lkw-Importeuren in Russland sein.
Noch ist MAN im Nutzfahrzeuggeschäft überwiegend in Europa unterwegs. Vier von fünf Lkw verkauften die Münchner im vergangenen Jahr auf dem eigenen Kontinent, zwei Drittel des Gesamtabsatzes von 93.200 Fahrzeugen entfällt gar auf Westeuropa. Nur etwa ein Fünftel geht in den Rest der Welt, in boomende Regionen wie Russland, China und Indien. Vorwiegend liefert MAN noch von Deutschland aus; erst seit dem vergangenen Jahr unternimmt MAN mit eigenen Werken in Polen und Indien vorsichtige Schritte ins Ausland.
Experten drängen auf eine verstärkte Produktion vor Ort, damit der Konzern seine Kosten senken und die Fahrzeuge günstiger anbieten kann. "MAN muss seine globale Produktion ausweiten", urteilt etwa LBBW-Analyst Christian Aust. Besonders auf den asiatischen Wachstumsmärkten und in Südamerika sieht Aust noch erheblichen Nachholbedarf: "Im Vergleich zu Daimler und Volvo ist MAN in Asien einen Schritt hintendran."
"Für den Erfolg in Indien ist die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner entscheidend", urteilt Paulo Cardamone vom Prognoseinstitut CSM Worldwide. Die europäischen MAN-Wettbewerber haben dort bereits Fuß gefasst: Volvo kooperiert mit dem Lkw-Hersteller Eicher, Daimler hat Anteile an dem Lkw- und Pkw-Produzenten Tata Motors und ein Joint Venture mit der Hero Group.
MAN ist in Indien nicht ohne Schwierigkeiten gestartet. Qualitätsprobleme von Lieferanten ließen 2007 lediglich eine Produktion von etwa 900 Einheiten zu - geplant waren 3.700. "Wir waren zu optimistisch mit dem Zeitplan", resümiert Samuelsson. Nun soll es mit dem indischen Partner besser laufen. "Im laufenden Jahr rechne ich mit der Produktion von über 6.000 Lkw", gibt sich der Vorstandschef optimistisch.
"MAN hat in Indien eindrucksvoll gezeigt, wie man zu schnell vorgehen kann", sagt Roman Mathyssek, Analyst beim Beratungsunternehmen Global Insight. Über elementare Dinge wie Bausätze und Marke hätten die Joint-Venture-Partner sich nicht ausreichend verständigt. Nun seien die gemeinsam produzierten Lkw überteuert. "Teilweise kommen wichtige Komponenten aus Hochlohnländern", so Mathyssek. Dies reduziere die Marge. Daran hat MAN mittlerweile gearbeitet: Jetzt liegt der Anteil vor Ort gefertigter Bauteile bei rund 90%, wie Samuelsson versicherte.
Schwerer noch als in Indien tun sich westliche Lkw-Hersteller in China. So gab Daimler nach jahrelangen Verhandlungen über eine direkte Beteiligung bei ihrem Wunschpartner Beiqi Foton Motor Co auf und strebt jetzt nur noch ein Joint Venture an. Auch bei MAN dauern die Gespräche mit der Weichai Holding Group länger als erhofft. Bereits beim China-Besuch der Bundeskanzlerin im August 2007 war ein Abschluss erwartet worden. "Ich hoffe, dass wir bis Ende 2008 Klarheit über unser China-Konzept im Nutzfahrzeugbereich haben", sagt Samuelsson jetzt.
Selbst dann wird sich ein Produktionsstart noch bis mindestens 2010 verzögern, schätzt LBBW-Analyst Aust. Experte Mathyssek weist auf die grundsätzlichen Risiken von Kooperationen auf dem Wachstumsmarkt China hin: "Die Chinesen wollen sehr viel Technologie übernehmen", sagt er. Wäre MAN bereit, sie zu übertragen, könnte sich Weichai am Ende zu einem Wettbewerber des DAX-Unternehmens entwickeln.
Doch scheinen im konkreten Fall die Wahlmöglichkeiten des Münchner Nutzfahrzeugherstellers begrenzt zu sein. "Ohne einen Technologie-Transfer kommt man mit einem chinesischen Partner nicht ins Geschäft", so Samuelsson. Konkret interessierten sich die Chinesen für Motoren, die die Abgasnormen Euro 3 bis Euro 5 erfüllen.
Wesentlich besser läuft es für MAN bereits auf den Wachstumsmärkten in Osteuropa. 2007 lieferte der Konzern rund 4.500 schwere Lkw allein nach Russland. Damit rangierte MAN nach eigenen Angaben auf Platz drei der westlichen Importeure - hinter Scania mit 5.300 und Volvo mit 4.600 Einheiten. "In den vergangenen sechs Monaten waren wir unter den westlichen Lkw-Importeuern die Nummer eins in Russland", betont Samuelsson. Für 2008 rechnet er mit einem Absatz von 9.000 Stück.
Die Fahrzeuge für den russischen Markt sollen künftig vorwiegend aus dem Werk im polnischen Krakau kommen, wo MAN Jahreskapazitäten von 30.000 Einheiten im Zweischichtbetrieb hat. "Wir wollen in Osteuropa eine ähnlich starke Position wie in Westeuropa", erläutert Samuelsson. Hier habe MAN 16% Marktanteil.
Doch auch die Wettbewerber treiben ihre Russland-Pläne massiv voran und planen lokale Fertigungen: Volvo investiert mehr als 100 Mio EUR in ein Montagewerk, in dem jährlich 10.000 Volvo- und 5.000 Renault-Trucks vom Band laufen sollen. Auch Scania will in Russland Montagekapazitäten für rund 10.000 Einheiten errichten.
Da MAN ohne Zustimmung von Großaktionär Volkswagen die internationale Expansion nicht vorantreiben kann, muss Samuelsson auf eine rasche Einigung von VW mit Scania hoffen. "Gemeinsam mit Scania und Volkswagen wäre MAN international gut aufgestellt", glaubt Analyst Aust. Ähnlich sieht es Cardamone: "Vor allem in Ost- und Westeuropa sowie Südamerika wird die Allianz sehr stark sein."
Südamerika ist für die Münchener bislang ein weißer Fleck auf der eigenen Landkarte, während Scania und vor allem Volkswagen mit dem Brasilien-Geschäft deutlich präsenter sind. Für den Eintritt auf dem südamerikanischen Markt setzt Samuelsson auf die Hilfe von Volkswagen. "Wir führen Gespräche über Motorenlieferungen für die schweren Lkw, die Volkswagen in Brasilien baut", sagte Samuelsson.
Dagegen ist der große Markt in Nordamerika für alle drei Hersteller Niemandsland. Im vergangenen Jahr war dies von Vorteil: Zyklisch bedingt gab es einen knapp 40-prozentigen Markteinbruch, der auch die Wettbewerber der Dreierallianz, Daimler und Volvo, traf. Allerdings werden sie vom erwartbaren Wiederaufschwung dieses Marktes profitieren.
Ein Start auf dem US-Markt steht für MAN derzeit aber nicht an. "Unser Fokus liegt auf den Wachstumsmärkten China, Indien und Russland", nennt Samuelsson die Ziele. Die USA habe derzeit keine Priorität. Für Analyst Mathyssek ist das Thema damit aber nur aufgeschoben: "Wenn MAN ein echter globaler Player wie Daimler oder Volvo sein will, dann führt auch am nordamerikanischen Markt irgendwann kein Weg mehr vorbei", ist er überzeugt.
Webseiten: http://www.man.eu http://www.csmauto.com http://www.globalinsight.com -Von Christoph Baeuchle, Dow Jones Newswires; +49 (0)711 - 2287 412, christoph.baeuchle@dowjones.com DJG/cba/rio/nas
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