Die Entwicklungen im europäischen Binnenmarkt, zunehmender Wettbewerbsdruck und die Globalisierung bewegen immer mehr deutsche Unternehmen dazu, auf der Suche nach Kunden und Lieferanten verstärkt in ausländische Märkte zu gehen. Laut einer Studie des Ediscovery-Anbieters KrolLDiscovery finden es 71 Prozent der deutschen Unternehmen immer wichtiger, neue Absatz- und Einkaufsmärkte zu erschließen. Wer dies tut, muss sich dort allerdings anderen Rahmenbedingungen und Gesetzen anpassen – das beginnt bereits beim Erstellen und Empfangen einer Rechnung. Zwar treibt die Europäische Union die Vereinheitlichung der elektronischen Rechnungsprozesse innerhalb der EU voran, doch sind wir hier noch nicht am Ziel. Derzeit kämpfen Unternehmen nach wie vor mit den unterschiedlichen Anforderungen der Märkte.
Skandinavien ist Vorreiter bei E-Invoicing, Deutschland hinkt hinterher
Länder wie Dänemark, Schweden, Norwegen, Italien, Frankreich und Österreich sind mit der Einführung von E-Invoicing bereits viel weiter als Deutschland, wo viele Firmen ihre Rechnungen noch manuell erstellen. Die nordischen Länder gelten hier als Vorreiter.
Norwegen verpflichtet zum Beispiel bereits seit 2012 die Zulieferer zentraler Regierungsbehörden, Rechnungen an die öffentliche Verwaltung ausschließlich elektronisch in einem XML-basierten Format zu übermitteln. In Deutschland ist dies erst seit Kurzem Pflicht und muss bis spätestens 2019 umgesetzt werden. Auch weitere europäische Mitgliedsstaaten treiben Initiativen zum elektronischen Rechnungsaustausch voran. Erst in diesem Jahr hat Italien bei der EU beantragt, auch Unternehmen der Privatwirtschaft zu einer elektronischen Rechnungsstellung zu verpflichten. Sollte der Antrag genehmigt werden, könnten weitere EU-Staaten dem Gesetzesentwurf folgen.
Deutsche Unternehmen sind bei der Internationalisierung also gezwungen, ihre Rechnungsprozesse zu digitalisieren – und dabei alle Anforderungen der unterschiedlichen Einkaufs- und Absatzmärkte abzubilden.
Unterschiedliche nationale Anforderungen an E-Rechnungen
Grundsätzlich gelten für deutsche Unternehmen beim E-Invoicing dieselben Vorgaben wie auch für Papierrechnungen. So müssen sie
zwischen fünf und zehn Jahren digital archiviert werden,
gewisse Qualitätsrichtlinien wie Authentizität, Lesbarkeit, Echtheit der Herkunft und Unversehrtheit des Rechnungsinhalts
erfüllen.
Zusätzlich müssen elektronische Rechnungen in Deutschland im richtigen Dateiformat – im ZUGFeRD-Format oder X-Rechnung – eingehen und verschickt werden. PDFs sind keine digitalen Rechnungen.
Darüber hinaus gelten auf dem internationalen Markt in Sachen elektronischer Rechnungsstellung eine Vielzahl von Formalitäten, steuerrechtlichen Aspekten und technischen Anforderungen, die sich von Land zu Land unterscheiden. So ist in Italien ein Zeitstempel nötig und in Frankreich muss das Stammkapital auf der Rechnung ausgewiesen sein. In Spanien wurde gerade Tax Reporting eingeführt. Hier müssen Rechnungen künftig innerhalb weniger Tage nach Erstellung elektronisch an die Finanzbehörden übermittelt werden.
Digitalisierung von Rechnungsprozessen kann kompliziert sein
Besonders in Italien ist das Aufsetzen von digitalen Rechnungsprozessen mit großem Aufwand verbunden. So verlangt das Land von jedem Lieferanten, der Rechnungen an die öffentliche Verwaltung stellt, dass er ein zertifiziertes E-Mail-Postfach beantragt – und das unabhängig davon, wie die Rechnungsdaten übertragen werden sollen.
Noch komplizierter wird es in den sogenannten Clearance Ländern. In diesen müssen alle Rechnungen zuerst an zentrale Finanzbehörden gehen, bevor sie an ihren eigentlichen Empfänger versendet werden. Diese Regelung gilt zum Beispiel für Portugal. Um all diesen „Sonderwünschen“ gerecht zu werden, sind schnelle Prozesse und ein strukturierter Workflow erforderlich. Wie kann es gelingen, die eigenen Rechnungsprozesse kompatibel mit denen ausländischer Märkte zu machen?
Zunächst sollten sich Unternehmen bewusst sein: Einmal aufgesetzte digitale Rechnungsprozesse können nicht einfach eins zu eins in mehrere Länder übertragen werden. Dazu variieren die Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung zu stark. Unternehmen, die bereits E-Invoicing nutzen, müssen ihre Schnittstellen anpassen und Prozesse entsprechend der internationalen Vorgaben abändern.
Lesetipp: Elektronische Rechnungen im Kommen
Firmen, die E-Invoicing noch nicht eingeführt haben, stehen größeren Anforderungen gegenüber. Sie müssen ihre eigenen Rechnungsprozesse digitalisieren und sich gleichzeitig fit für den internationalen Markt machen.
Unterstützung durch Dienstleister
Es besteht auch die Möglichkeit, die Prozessumstellung auf internationales E-Invoicing an einen externen Dienstleister outzusourcen, der auch das Know-how hat, bei Bedarf internationale Märkte gesetzeskonform einzubinden. Dieser kann die komplette Umstellung übernehmen und gleichzeitig die Datenschutzvorgaben des jeweiligen Landes übernehmen. Seitens des Unternehmens muss nur wenig geändert werden. Voraussetzung ist eine Schnittstelle zum Netzwerk des Dienstleisters, um alle rechtlichen und technischen Vorgaben zu erfüllen. Das einzige, was der Rechnungsversender sicherstellen muss: dass alle Rechnungsdaten in seinem System vorhanden sind und an die Plattform des Dienstleisters übermittelt werden.
Auf welche Weise auch immer Unternehmen die Internationalisierung umsetzen – sie sollten ihre Rechnungsprozesse nicht vernachlässigen. Auch im Hinblick auf europaweite öffentliche Auftragsvergaben muss der elektronische Austausch von Rechnungen bereits auf dem Binnenmarkt gut vorbereitet werden.