Jacques Diaz, CEO der netgo group

“Einige geplante Akquisitionen sind schon weit fortgeschritten”

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Am 1. September 2024 hat der ex-Axians-Deutschland-Chef Jacques Diaz die Stelle des CEO bei der netgo group übernommen. ChannelPartner sprach mit ihm über seine Pläne für 2025.
Jacques Diaz, CEO der netgo group: "Mein Ziel ist es, zusätzlich zu der horizontalen auch noch eine vertikale Ausrichtung zu etablieren, mit Fokus auf verschiedene Branchen."
Jacques Diaz, CEO der netgo group: "Mein Ziel ist es, zusätzlich zu der horizontalen auch noch eine vertikale Ausrichtung zu etablieren, mit Fokus auf verschiedene Branchen."
Foto: netgo

channelpartner.de: Lieber Jacques, seit dem 1. September 2024 agierst Du als CEO der netgo group. Was hat Dich bewogen, diese neue Herausforderung anzunehmen?

Jacquez Diaz, CEO der netgo group: Als Manager möchte ich mich immer noch weiterentwickeln. Ich war bereits selbständig, hatte bei kleineren und größeren mittelständischen Unternehmen (Cancom: Anm. d. Redaktion) sowie bei einem Weltkonzern als CEO (Axians, Teil des von Vinci Energies, Anm. d. Redaktion) gearbeitet. Dabei habe ich auch stets mit strategischen Investoren zu tun gehabt und für sie die passenden Unternehmen gekauft. Bei Axians haben wir beispielsweise sechs Akquisitionen in sechs Jahren getätigt. Das waren über 1.000 neue Mitarbeiter und ein Zusatzumsatz von einer Viertelmilliarde Euro.Aber ich habe noch nie ein Unternehmen auf das nächsthöhere Level gehoben und es so attraktiv gemacht, dass es von einem anderen strategischen Anleger oder Finanzinvestor gekauft wird.

Anm. d. Redaktion: Finanzinvestor Waterland ist seit 2019 an netgo beteiligt. Diese Beteiligung soll aber in naher Zukunft mit einem - natürlich gewinnbringenden - Verkauf beendet werden.

channelpartner.de: Und deswegen netgo?

Jacques Diaz, netgo: Ja. netgo hat das Kunststück vollbracht, von 2019 bis 2024, also in knapp fünf Jahren, von rund 70 Millionen Euro Jahresumsatz mit 280 Mitarbeitern auf ein Niveau von rd. 400 Millionen Euro Jahresumsatz mit über 1.500 Mitarbeitern zu wachsen. Mit 30 Niederlassungen sind wir bundesweit gut aufgestellt, und ich hoffe, bald die Jahresumsatzmarke von einer halben Milliarde Euro zu knacken.

channelpartner.de: Aber das kann doch nur anorganisch gelingen, oder?

Jacques Diaz: Aber sicherlich. Gemeinsam mit unserem Investor haben wir bei netgo eine strategische M&A-Pipeline festgelegt. Einige geplante Akquisitionen sind schon in einem weit fortgeschrittenen Stadium.

channelpartner.de: In welchen Bereichen dürfen wir hier demnächst mit Übernahmen rechnen?

Diaz: Geografisch vor allem in Süddeutschland, in der wirtschaftlich stärksten Region der Bundesrepublik. Technologisch sehe ich bei uns weiteren Bedarf im Bereich IT-Security.

channelpartner.de: Nun müssen aber die zugekauften Unternehmen auch integriert werden.

Diaz: Und das haben meine Vorgänger schon sehr gut gemacht. Deren Vorarbeiten werde ich nun fortsetzen und gegebenenfalls nachjustieren.

channelpartner.de: Was bedeutet das konkret?

Diaz: In den vergangenen fünf Jahren hat netgo 13 Akquisitionen getätigt. Dieses hohe Wachstumstempo führte zu einer sehr zerklüfteten IT-Landschaft. Deswegen müssen wir intern noch einige Abläufe und Prozesse anpassen, etwa bei zentralen einheitlichen ERP-, CRM- und ITSM-Systemen.

channelpartner.de: Hat Dich das überrascht, als Du Deinen Job bei netgo angetreten hast?

Diaz: Nein, ich habe mit derartigen Herausforderungen gerechnet, es gab keine unangenehmen Überraschungen für mich.

channelpartner.de: Abgesehen von der tieferen Integration, wie möchte sich netgo künftig aufstellen?

Diaz: Horizontal sind wie bereits gut positioniert - mit unseren bundesweit 30 Niederlassungen, die unsere fünf Vertriebsregionen abbilden - inklusive aller dazugehörigen Service-Einheiten.Nachdem wir uns in der Vergangenheit Cloud-Know-how angeeignet haben und nun aktuell die KI-Technologie "lernen", müssen wir uns in nächster Zukunft neue Prozesskompetenzen, also spezifisches Branchenwissen, erarbeiten.Bisher haben Systemhäuser sich meist nur mit der IT-Abteilung des Kunden unterhalten (sofern eine solche dort überhaupt vorhanden war), sich aber nur selten mit den Fachabteilungen (HR, Marketing, Vertrieb u. ä.) oder gar mit dem Chef (Geschäftsführer, CEO/CFO) auseinandergesetzt.Mein Ziel bei netgo ist es nun, zusätzlich zu der horizontalen auch noch eine vertikale Ausrichtung zu etablieren, mit Fokus auf verschiedene Branchen.

channelpartner.de: Welche Branchen?

Diaz: Durch die Übernahmen von Nitsche Software sowie Glöckler & Lauer im Jahr 2023 haben wir rasch sehr viel Know-how im Bereich "Steuern" erworben und den Bereich "netgo tax" neu geschaffen.Mit "public" sowie dem Fokus auf Forschung und Lehre haben wir einen weiteren vertikalen Markt für uns auserkoren. Unter anderem im Bereich "public" verfügen wir auch über eine eigene "Intelectual Property" (IP). Allein in Deutschland beschäftigen wir aktuell über 100 eigene Softwareentwickler. Aus deren Feder stammt auch unsere "Kita-Planer"-Software, die wir im Prinzip nun bundesweit einsetzen könnten.Durch die strategische Partnerschaft mit dem deutschen Softwarehersteller STP haben wir ferner den Bereich "legal" für uns "entdeckt". (STP bietet Branchensoftware für Rechtsanwälte, Insolvenzverwalter und Notare, Anm. der Redaktion.)

channelpartner.de: Wo liegen demnach netgos Alleinstellungsmerkmale?

Diaz: Auf jeden Fall im Bereich "Steuern". Aktuell sind wir Deutschlands größtes DATEV-Systemhaus und bieten Steuerberatern und -kanzleien Cloud & Managed Services an. Hinzu kommt unser starker Software-Bereich mit dem wir unseren Kunden nicht nur helfen können ihre Prozesse zu digitalisieren, sondern auch unsere Standardprodukte, die wir für spezifische Aufgaben bei unseren Kunden anbieten können, wie z.B. unseren "Kita-Planer" oder auch unser Security-Produkt LinOTP für Multi-Faktor-Authentifizierung, u.v.m.

Und mit unserem eigenen Softwareentwicklungsteam können wir in Zukunft weitere eigene "Intellectual Property" schaffen. Diese Fähigkeit benötigen meiner Meinung alle Systemhäuser, wollen sie ihren Kunden gegenüber als Digitalisierungspartner auf Augenhöhe begegnen.

channelpartner.de: Welche weiteren eigenentwickelten Lösungen hat netgo noch parat?

Diaz: Etwa unsere bereits erwähnte eigene Multi-Faktor-Authentifizierungs-Lösung LinOTP, die von uns auf Open-Source-Basis entwickelt wurde. Hinzu kommen weitere branchenspezifische Lösungen, z.B. auch im Finanzsektor, hier haben wir gerade kürzlich ein spannendes Projekt unter Einbindung von KI für einen großen Player im Finanzbereich gewonnen.Unabhängig von unserer Software, bieten wir unseren Kunden darüber hinaus auch ein attraktives Workplace-as-a-Service-Paket an, welches sogar monatlich kündbar ist.

channelpartner.de: Derzeit berichten uns Systemhäuser, dass ihre mittelständischen Kunden sich extrem zurückhaltend zeigen, was ihre Investitionen in IT-Infrastruktur betrifft. Betrifft das auch netgo?

Diaz: Ja. Die Marktschwäche, die wir aktuell erfahren, habe ich persönlich so noch nie erlebt. Dieser Situation begegnen wir aber professionell und machen das Beste daraus.Wir konzentrieren uns darauf unsere Kunden dabei zu unterstützen, sich durch Digitalisierungsmaßnahmen fit zu machen für die nächste Phase des Aufschwungs - und die wird kommen, da bin ich ganz sicher.

channelpartner.de: Im Bereich Security dürften wohl derzeit die höchsten Steigerungsraten zu erreichen sein.

Diaz: In der Tat. Wir werden nun stark in den Bereich Cybersecurity investieren, um unseren Kunden weitere fortschrittliche Cybersecurity-Services anzubieten. Die staatlichen Regulierungen, Stichwort: NIS2, kommt uns diesbezüglich sehr entgegen. Auch hier haben wir bereits spezielle Angebote in petto.

channelpartner.de: Und dann gibt es noch das weitgehend unerschlossene Geschäftsfeld mit KI-Lösungen.

Diaz: Unsere KI-Offerings werden wir vor allem in unseren eigenen kundenspezifischen-Lösungen verankern, etwa für Steuerberater, und ihnen diese auch in Form von Managed Services anbieten.

channelpartner.de: Auf welche KI-Technologien setzt Ihr dabei?

Diaz: Natürlich ChatGPT und den Microsoft Copilot, beides setzen wir auch bei uns intern ein, etwa im Marketing, bei der Erstellung von Inhalten. Oder im Bereich Softwareentwicklung auch auf Github Copilot, auf MLflow und Label Studio. Auch im Segment User-Helpdesk drängen sich Machine-Learning-Methoden förmlich auf, weil die Probleme der Anwender sich zum großen Teil stark ähneln oder sogar identisch sind.

channelpartner.de: Welche Bedeutung haben Managed Service bei netgo?

Diaz: Sie bleiben im Fokus unseres Business, aber das traditionelle Systemintegrationsgeschäft sowie das klassische Reselling der Produkte von Dell, HPE, HP, Microsoft, Lenovo und anderen dürfen wir keinesfalls vernachlässigen. Dort erzeugen wir mit Services derzeit sehr gute Margen. In Bezug auf unsere DNA sind wir eben in weiten Teilen ein Systemintegrator mit einem stark entwickelten Cloud & Managed Services-Portfolio, die das wir hoch standardisiert und automatisiert feilbieten.

Bei der weiteren Automatisierung von Managed Services wird die KI sicherlich eine große Rolle spielen. Schließlich wollen wir immer mehr derartiger Dienste mit immer geringer werdenden Personalaufwand anbieten, Stichwort: Fachkräftemangel. Damit senken wir schlussendlich auch unseren Kosten und sichern unsere Profitabilität. Denn auch in Zukunft wird derjenige den Zuschlag für einen neu ausgeschriebenen Managed-Service-Vertrag erhalten, der diese Dienste zum besten Preis-Leistungsverhältnis anbieten kann.

channelpartner.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Diaz: Gerne!

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