Sie kennen das Storage-Business im Channel in all seinen Facetten aus Ihrer langjährigen Channel-Verantwortung bei HP, EMC und Samsung. Seit Anfang des Jahres sind Sie Channelchef bei Veritas. Was reizt Sie an diesem Unternehmen besonders?
Martin Böker: Ich bin aus zwei Gründen zu Veritas gewechselt. Mir macht es Spaß, neue Themen zu entwickeln und zu treiben. Bei Veritas habe ich den Spielraum, das zu tun. Der zweite Grund ist die starke Positionierung von Veritas. Als ein Marktführer bei Datensicherung und Datenmanagement in Unternehmen und Software Defined Storage kann ich bei Kunden wichtige Trends wie die Cloud oder Digitalisierung bedienen, die dem Channel helfen werden, strategischer zu agieren. Gemeinsam können wir Kunden helfen, ihre Daten in jegliche Form von Cloud zu migrieren, ohne Vendor Lock-in und auf eine Weise, bei der die Compliance der Daten eingehalten wird. Außerdem unterstützt Veritas seine Kunden bei der Digitalisierung, indem sie mit uns ihre Daten besser verstehen und Wissen daraus ziehen können.
Sie sind erst wenige Wochen an Bord. Können Sie uns dennoch schon einen Ausblick geben, wo Sie strategische Schwerpunkte setzen wollen?
Böker: Mein Vorgänger hat gute Vorarbeit geleistet und darauf setze ich auf. Ein Ziel wird sein, die Präsenz von Veritas bei Unternehmenskunden zu stärken, indem sie mehr und mehr unserer Produkte einsetzen. Außerdem möchte ich neue Kunden im Mittelstand gewinnen. Diese Aufgabe werde ich vor allem mit regional starken Partnern angehen, da diese Kunden in Deutschland breitflächig verteilt sind. Nur mit Hilfe starker Fachhändler vor Ort kann ich eine gute Betreuung des Kunden erreichen.
Die Akquisition von Fluidops vor rund einem Jahr sollte Kunden das 360 Data Management erleichtern. Wie ist die Integration dieser Technologie verlaufen und inwieweit konnten Veritas-Partner damit zusätzliches Geschäft generieren?
Böker: Die Akquisition lieferte einen wichtigen Baustein für unser 360 Data Management, da wir darüber Technologien auf dem Gebiet Artificial Intelligence und Machine Learning eingekauft haben. Beides wird in unserem gesamten Portfolio schrittweise eingebaut, mit NetBackup als erster Lösung. Unsere Appliances können nun mit den Algorithmen ihren Zustand besser überwachen und Konfigurationsschritte selbst abwickeln. Es werden noch weitere wichtige Neuerungen im Lauf des Jahres auf den Markt kommen.
Wir haben mit 360 Data Management für den Channel außerdem dreistufige Produkt-Bundles geschnürt mit einfacherer Lizenzierung und besseren Preisen, damit klassische Backup-Partner sich hin zum Data Management weiterentwickeln und für Kunden wichtiger werden. Die ersten Partner sind mit uns die ersten Schritte auf diesem Weg bereits erfolgreich gegangen, wir wollen noch weitere hierzu motivieren.
Im Frühjahr 2018 hat Veritas das Partnerprogramm runderneuert mit dem Ziel, Partner stärker zu belohnen, wenn sie sich im Bereich Datenmanagement und Multi-Cloud stärker engagieren. Inwiefern ist das gelungen?
Böker: Das Programm hatte zwei Ziele: Wir wollen die Investitionen unserer Partner in Ausbildung schützen, zugleich bei den neuen Themen mehr Profit versprechen. Das neue Programm belohnt daher Investitionen in technische Fähigkeiten intensiver als bisher. Leistungsstarke Partner können auch Sonderrabatte bekommen, sobald sie ihre festgelegten vierteljährlichen Wachstumsziele übertreffen. Sie können außerdem höhere Rebates bei der Deal-Registrierung bekommen. Sie erhalten per Chat oder E-Mail Rat von den technischen Veritas-Kollegen. Und sie empfangen größere Mittel aus dem Veritas Partner Development Fund, mit dem sie neue Projekte generieren oder identifizieren können.
All diese Maßnahmen haben gefruchtet und gemeinsam mit den 360 Data Management Bundles haben einige Partner den Schritt Richtung Data Management gemacht. Da will ich in diesem Jahr weiter ansetzen.
Cloud fördert dynamische Vertriebsmodelle
Sowohl Veritas als auch die Partner erwirtschaften nach wie vor den Großteil ihrer Umsätze über klassisches Projektgeschäft mit Backup- und Archivierungsprodukten. Gleichzeitig forcieren alle Beteiligten den Shift in Richtung Cloud und Managed Services. Partner, die die Transformation anpacken - mehr Services, mehr Cloud, mehr Prozessberatung, weniger Handelsgeschäft mit Produkten - geraten allerdings immer wieder in eine Zwickmühle: Sie gewinnen an Unabhängigkeit, verlieren aber oft an Status und Gewicht beim Hersteller - mangels Produktumsätzen. Wie löst Veritas dieses Dilemma?
Böker: Die IT wandelt sich hin zu Cloud-Modellen und wir alle müssen darauf reagieren. Wenn ein Partner sich in diese Richtung entwickeln möchte, fördern wir das. Es gibt bereits dutzende Partner in Deutschland, die mit unseren Produkten entsprechende Services für kleine oder große Kunden aufgesetzt haben, sei es Backup as a Service oder Disaster Recovery as a Service.
Mein Team und ich sind permanent im Gespräch mit unseren Partnern und wir entwickeln gemeinsam klare Business-Pläne, um den Partnern beim Wandel ihres Geschäftsmodells hin zu Managed Services zu helfen. Wir können daher immer gegensteuern und Veritas gibt mir hier den nötigen Spielraum. Das ist wichtig, denn der Wandel hin zu Managed Service ist anspruchsvoll und viele Partner betreten dabei Neuland. Wir wollen unsere Partner fördern und all jene tatkräftig unterstützen, die neue Wege mit uns gehen wollen
Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Wertschöpfungskette - zwischen Hersteller, Distributor und Partner - dahingehend transformiert?
Böker: Die Rollen haben sich verändert, sind dynamisch und unscharf geworden. Das sehen Sie allein daran, dass einige Distributoren oder Hersteller selbst Cloud-Provider sind. Für mich ist klar, dass wir dem Kunden ein exzellent auf ihn zugeschnittenes Angebot geben müssen. Dabei ist zweitrangig, ob jemand in seiner alten Rolle oder mit einer neuen Aufgabe an der Lieferkette teilnimmt. Die Cloud wird diese neuen dynamischen Modelle fördern, die neben dem althergebrachten Vertriebsmodell existieren werden. Hier möchte ich ansetzen und mit Partnern und der Distribution gemeinsam solche Marktchancen aufspüren und angehen.
Wichtig hierbei ist, mit allen Distributoren, Resellern, Service- und Cloud-Providern klare GoTo-Market-Regeln zu definieren und diese einzuhalten, damit wir Channel-Konflikte vermeiden.
"Firmen jeder Größe werden in Digitalisierung investieren, schon allein weil es deren Konkurrenten tun"
Marktexperten erwarten für 2019 ein geringeres Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorjahr, vor allem bedingt durch Brexit-Unsicherheiten und aufkeimende Handelskriege. Mit welchen Auswirkungen für das Channel-Geschäft in Deutschland rechnen Sie?
Böker: Der Druck auf unsere Kunden, die IT effizienter zu betreiben, Kosten zu sparen und zugleich die Digitalisierung vorantreiben, wird durch die politische und wirtschaftliche Unruhe sicher wachsen. Für das Geschäft von Veritas, bei dem wir Kunden gezielt helfen, Kosten in ihrer Storage und Backup-Umgebung zu senken, erwarte ich daher eher noch mehr Interesse. Außerdem wächst die Menge der Daten bei jedem unserer Kunden im Schnitt um 49 Prozent, wie wir in eigenen Analysen zeigen. Kluge Storage-Konzepte, Datenmanagement- und Backup-Konzepte werden noch wichtiger, denn mit ihrer Hilfe können Kunden die explodierenden Datenmengen sicher und flexiben in die Cloud migrieren. Und genau auf diese Themen sind Veritas und unser Channel in Deutschland fokussiert.
Welche Trends und Themen werden Ihrer Meinung nach auch durchaus positiv die Entwicklung des IT-Markts in Deutschland vorantreiben?
Böker???: Firmen jeder Größe werden mehr in Digitalisierung investieren, schon allein weil es deren Konkurrenten tun. Ob Sie es nun Big Data, IoT, Industrie 4.0 nennen, am Ende werden mehr Plattformen und Systeme in noch bunteren Umgebungen neue Daten generieren. Dieses fundamentale Gesetz der IT wird unseren Markt in Deutschland auf vielen Ebenen treiben, so auch unser klassisches Backup- und Disaster-Recovery-Segment.
Denn unsere Kunden führen völlig neue Architekturen, Workloads und Betriebsysteme ein, um per Big Data Warenströme in Echtzeit auszuwerten oder auf Basis von Docker hochskalierbare Container-Applikationen in der Cloud auszurollen. All diese neuen Daten müssen per Backup gesichert sein, unabhängig davon, wo sie liegen.
Fest steht auch, dass Kunden mehr Dienste in die Cloud schieben und direkt aus der Cloud buchen werden, statt eigene Ressourcen aufzubauen, wodurch traditionelle Margenmodelle im Channel unter Druck geraten. Wir wollen Partnern helfen, sich mit Zusatzangeboten für die Cloud zu positionieren und so für den Kunden strategisch wichtiger zu werden.
Was möchten Sie nächstes Jahr um diese Zeit mit Veritas und deren Partner idealerweise erreicht haben?
Böker: Die Partner sollen mir sagen, dass sie erfolgreich und mit Freude mit uns zusammengearbeitet haben. Am Ende sollen sich ihre Investitionen gelohnt haben, da sie unter dem Strich mehr Veritas-Geschäft im Midrange und Enterprise Segment machen konnten.
Es wäre für mich ein Erfolg, wenn Partner mir sagen würden, die Zusammenarbeit mit uns sei massiv leichter geworden. In einem Jahr möchte ich wieder hier mit Ihnen sprechen und sagen können, der Channel konnte sich auf mich und das verlassen, was ich versprach. Und so soll es bleiben.