Zukunft der Telekommunikationsbranche

Dynamik durch Daten



Dr. Stefan Schwarz leitet bei Teradata den Bereich Industry/Business Consulting & Solutions in Zentraleuropa und berät führende Unternehmen bei ihrer Strategie in Data & Analytics. Der promovierte Wirtschaftsinformatiker forschte an der MIT Sloan School of Management und ist gefragter Sprecher auf IT-Konferenzen weltweit mit den Schwerpunkten Innovation, IoT und datengetriebene Geschäftsmodelle.
Der rasante technologische Wandel zwingt Telcos, ihr Geschäftsmodell zu ändern. Um in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen sie die neue Macht der Daten und Plattform-Ökonomie für sich nutzen.

"Das Pferd frisst keinen Gurkensalat." Die Geschichte der Telekommunikation beginnt mit einem Satz ohne Sinn. Möchte man der Legende Glauben schenken, waren dies die ersten Worte, die über das Telefon gesprochen wurden - von Philipp Reis, einem seiner Wegbereiter, im Jahre 1861 in Frankfurt am Main. Viel ist seitdem geschehen.

Telekommunikationsanbieter müssen ihre Fühler nach neuen Geschäftsmodellen ausstrecken.
Telekommunikationsanbieter müssen ihre Fühler nach neuen Geschäftsmodellen ausstrecken.
Foto: pedrosala - shutterstock.com

Die Telekommunikation hat in den letzten eineinhalb Jahrhunderten eine wahre Achterbahnfahrt an revolutionären Innovationen hinter sich gebracht: Untersee-Fernsprechkabel, Tastentelefone, Faxgeräte, Internet, Mobilfunk und Smartphones, Konvergenz von Medien und Kommunikation und vieles mehr. Mit der Digitalisierung von industriellen Produkten - Stichwort Industrie 4.0, IoT und IIoT - heißt das nächste Kapitel: allumfassende Vernetzung. Doch Experten fragen: Ist die Telekommunikationsbranche für das neue "Connected Everything"-Zeitalter gut gerüstet?

Massive Macht der Plattformen

Der Telekommunikationsbranche erging es in den letzten zehn Jahren in vielerlei Hinsicht wie der Automobilbranche: Sie wurde überrollt von der Plattform-Ökonomie nach Silicon-Valley-Manier. Tesla, Uber, Apple, Amazon, Alphabet, Microsoft, Facebook und Alibaba - sie alle haben es verstanden, aus Sicht des Kunden zu denken und innerhalb kürzester Zeit neue Ideen, Produkte und Services auf den Markt gebracht. Und das agil und aggressiv.

Die Macht der Plattform-Ökonomie steigt 2018 weiterhin an, wie der Digitalisierungsexperte und "Netzökonom" Dr. Holger Schmidt zeigt. Seine Analyse: Die 60 wertvollsten Plattformen der Welt sind heute sieben Billionen Dollar wert. Allein in diesem Jahr haben sie eine Billion an Wert zugelegt. Sicherlich wird das Plattform-Modell in Zukunft nicht das einzig profitable Geschäftsmodell sein. Sein kontinuierliches Wachstum und seine Skalierbarkeit sind aber Beweis für einen Trend: weg vom klassischen, linearen Geschäftsmodell.

Herausforderung: progressive Innovation

Auch wenn einige Stimmen behaupten, Telekommunikation sei die älteste Plattform-Ökonomie der Welt, hat sich die Branche mit progressiver Innovation schwer getan. Die Vermarktung von traditionellen Telefonie-Diensten, Breitbandanschlüssen und Mobilfunkverträgen sowie die Konsolidierung des Marktes, etwa bei den Kabelanbietern, zeigt: Bis heute folgen Telcos eher dem linearen Geschäftsmodell. Doch das droht in Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung im Hinblick seiner Skalierung ins Hintertreffen zu geraten.

McKinsey zufolge werden bis 2025 Plattform-Ökosysteme 30 Prozent des weltweiten Umsatzes ausmachen. Umso wichtiger also, dass Telekommunikationsanbieter den Veränderungsdruck ernst und den Wandel selbst in die Hand nehmen. Während durch die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren Konsumentenplattformen mittlerweile fest in der Hand von jungen Technologieriesen sind, bietet sich für Telcos die Chance, im Geschäftskundenbereich in komplett neue Bereiche vorzustoßen. Indem Telcos traditionell Geschäftskunden miteinander verbinden, bilden sie das optimale Rückgrat für den Datenaustausch zwischen allen Marktteilnehmern. So liefern sie bereits heute wesentliche Bestandteile digitaler, unternehmensübergreifender Wertschöpfungsketten.

Telcos als Data Broker für IoT

Aber der Datentransport ist natürlich nicht ausreichend. Im nächsten Schritt müssen die transportierten Daten analysiert werden, um bestehende Anwendungsfälle durchgängig zu optimieren sowie neue zu schaffen. Mit anderen Worten: Telcos müssen sich als Data & Innovation Broker neu erfinden.

Dabei müssen sie auf ihrer Plattform im Wesentlichen zwei Funktionen unterstützen: Erstens, einen "Datenmarkt", der unternehmensübergreifende Daten in einer konsolidierten und streng geschützten Umgebung vorhält. Zweitens, einen "App/Business Intelligence Store", der als Infrastruktur für Innovation fungiert. Hier können Datenanalysen erstellt und über den Shop vermarktet werden.

Gerade im IoT-Umfeld versuchen viele Telcos diesen Weg zu gehen. Sie bauen zentrale IoT-Plattformen auf. Telefonica mit dem "IoT Connectivity Hub" ist ein Beispiel hierfür. Allerdings liegt der zentrale Focus beim "IoT Connectivity Hub" auf dem Transport der IoT-Daten. AT&T geht einen Schritt weiter und integriert in seine IoT-Plattform einen "Data Orchestration Service", mit dem es möglich ist, seine eigenen IoT-Daten zu routen, zu transformieren und zu speichern, um dann darauf intelligente Applikationen aufzubauen.

Telekom bietet Handelsplatz für Daten

Die Telekom hat die Zeichen der Zeit deutlicher erkannt - und geht diesen Weg sogar noch konsequenter. Auf der diesjährigen Hannovermesse präsentierte sie den "Telekom Data Intelligence Hub" vor. Mit dem Portal stellt sie sich als neutraler Datentreuhänder auf und gibt Unternehmen die Möglichkeit, öffentliche, unternehmens- und industrieübergreifende sowie interne Daten miteinander zu integrieren, zu analysieren und über eigene und fremde Services zu monetarisieren.

Die Kontrolle über die Verwendung der Daten bleibt dabei stets beim Besitzer der Daten. Der umsatzstärkste Telekommunikationsanbieter Deutschlands stellt sich am konsequentesten neu auf - nämlich als Plattformpartner und Broker für die vernetzte Zukunft. Damit gibt er ein starkes Zeichen an eine ganze Branche - und setzt für das nächste Kapitel in der Geschichte der Telekommunikation auf ein vielversprechendes Pferd.

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