"Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten dürfen den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen an das öffentliche Telekommunikationsnetz nicht verweigern, wenn die Telekommunikationsendeinrichtungen die grundlegenden Anforderungen nach § 3 Absatz 1 erfüllen". Mit dieser Gesetzespassage im August 2015 beschlossenen Gesetzespassage wurde in Deutschland zum 1. August 2016 der sogenannte "Routerzwang" abgeschafft.
Damit wurde es Verbrauchern und kleinen Unternehmen nicht nur möglich, einen Router - insbesondere WLAN-Router - zu erwerben, der ihren Ansprüchen besser gerecht wird, als der oft gegen Miete zur Verfügung gestellte des Providers. Den Internet-Anbietern wurde vom Gesetzgeber auch die zuvor gängige Praxis untersagt, Zugangsdaten für die Konfiguration der DSL-, VDSL- und Kabel-Router geheim zu halten und Konfigurations- und Nutzungsmöglichkeiten einzuschränken, wenn sie ihren Kunden einen vorkonfigurierten Router zur Verfügung stellten.
Jahrelange Dikussionen um Abschaffung des Routerzwangs
Für die Abschaffung eingesetzt hatte sich vor allem der Verbund der Telekommunikations-Endgerätehersteller (VTKE). Dessen Sprecher und Vertreter hatten dazu zahlreiche Diskussionen mit Vertretern der Politik und der Bundesnetzagentur geführt. Außerdem sorgten sie durch die anschauliche Erklärung der doch recht komplexen technischen und juristischen Sachverhalte dafür, dass sich nicht mehr nur eine kleine Gruppe technisch affiner Menschen, sondern ein breites Publikum für die Thematik interessierte.
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Denn wie so oft kamen die Veränderungen schleichend und waren für die Betroffenen daher zunächst kaum feststellbar. Im stärker werdenden Preiskampf hatten die Provider entdeckt, dass sie sich zwar beim Preis des Internet-Zugangs selbst unterbieten müssen, um die Gunst der Kunden zu erringen, dass aber die Miete des Endgeräts noch Verdienstmöglichkeiten bietet. Außerdem bietet ein vom Provider gestellter und vom Kunden nicht konfigurierbarer Router zahlreiche Möglichkeiten, Geld mit Zusatzangeboten - etwa bei Streaming-Diensten - zu erwirtschaften. Begründet wurde das allerdings mit technischen Argumenten: Man könne es nicht zulassen, dass Laien an einem Teil des Netzes herumpfuschen - so stark vereinfacht die Argumentation.
Eigentlich ging es also gar nicht darum, den althergebrachten Routerzwang abzuschaffen, sondern darum, eine Aufweichung beziehungsweise Abschaffung früher vorhandener, aber unzureichend festgehaltener und daher erodierter Rechte zu verhindern. Wesentlicher Punkt in diesem Streit wurde die Frage des Netzabschlusspunktes: Reicht das Netz und damit die Autorität des Providers bis zur Anschlussdose in der Wohnung oder im Büro, oder endet es erst am LAN-Port oder der Spitze der WLAN-Antenne?
Routerzwang auch eine Gefahr für den Fachhandel
Vordergründig ging es in dem Streit um die Rechte der Verbraucher. Aber auch für den Fachhandel stand einiges auf dem Spiel. 2012, zu Beginn der Diskussion, als die Provider ihre Finger nach dem Geschäft mit Endgeräten ausstreckten, wurden in Deutschland rund fünf Millionen DSL-Router und 1,1 Million Kabelmodems verkauft. Vor allem bei den DSL-Routern wurde ein bedeutender Teil über den ITK-Fachhandel erworben. Hätten sich die Provider mit ihren Begehrlichkeiten durchgesetzt, wäre ihnen der gesamte Markt in die Hände gefallen. Die technischen Möglichkeiten, den freien Wettbewerb zu behindern, hatten sie ja.
Erfolgreich sein konnten die Gegner auch deshalb, weil sich im VTKE eigentlich alle in Deutschland relevanten Hersteller zusammengetan hatten. Auch wenn in der Öffentlichkeit vor allem die Sprecher der deutschen Firmen AVM und Lancom für die Abschaffung des Routerzwangs eintraten, so wussten sie doch den Rest der Branche hinter sich.
Dennoch war es ein langer Weg. Ein erster Schritt war die eindeutige Absage an den Routerzwang im Koalitionsvertrag im Herbst 2013 "Nutzerinnen und Nutzer müssen die freie Auswahl an Routern behalten", hieß es da. Dennoch dauerte es noch fast zwei Jahre, bis im August 2015 zunächst die Regierung und schließlich im November 2015 auch der Bundestag aus der Absichtserklärung ein Gesetz machten, dass dann zum 1. August 2016 in Kraft getreten ist.
Verbraucher sind eindeutig gegen den Routerzwang
Wie wichtig Anwender die Endgerätefreiheit ist, belegt eine aktuelle Umfrage im Auftrag des VTKE, für die das Marktforschungsinstitut Kantar Ende Juni 2019 rund 1.050 Erwachsene in Deutschland befragt hat. Rund 80 Prozent von ihnen gaben an, dass ihnen die Möglichkeit, ein eigenes Endgerät zu nutzen, wichtig ist. Sie begründeten das vor allem damit, dass sie sich so für ein Produkt entscheiden können, das ihrem tatsächlichen Bedarf nach Leistung, Funktionalität und Sicherheit am besten entspricht. Eine Übersicht, wie freizügig Provider in Deutschland mit Zugangsdaten sind, wo man sie notfalls bekommen kann, welche Unterstützung die einzelnen Provider bei der Einrichtung bieten sowie diverse Tipps zur Einrichtung des selbst gekauften Routers bietet zum Beispiel AVM auf seiner Website.
Die Botschaft der Hersteller ist bei den Verbrauchern inzwischen durchaus angekommen. Schließlich geht es bei einem Router - vor allem einem WLAN-Router - heute nur in zweiter Linie darum, mit welcher Geschwindigkeit er die Internetverbindung herstellt. Flaschenhals ist da eher die letzte Meile, weniger der Router. Vielmehr kommt es darauf an, wie er die wachsende Zahl an WLAN-Endgeräten im Haus bedient und welche zusätzlichen Möglichkeiten er zur Verfügung stellt.
Vom Provider gestellte Geräte müssen hier aufgrund der längeren Planungszyklen und der Notwendigkeit, für eine einfache Produktauswahl einen gemeinsamen Nenner zu finden, der technischen Entwicklung immer hinterherhinken. Immer mehr Anwender haben aber spezielle Ansprüche und Anforderungen an ihren Router - sei es für Smart Home, Gaming oder aus Sicherheitsaspekten heraus.
Das bietet dem Fachhandel Potenzial für Beratung, Dienstleistung und solides Geschäft. Außerdem - und das war immer ein Argument der Hersteller - hat erst ein funktionierender Wettbewerb um das beste Endgerät - sei es Router, Telefon oder Telefonanlage - zu einer Vielfalt an innovativen, leistungsfähigen Produkten im Markt geführt.
Sonderkündigungsrecht und Aufbewahrungspflicht für gestellte Router
Die Abschaffung des Routerzwangs bedeutete allerdings mitnichten, dass Provider keine eigenen Endgeräte mehr anbieten dürfen. Sie dürfen sie eben nur nicht verpflichtend machen. Und, wie ein Urteil erst im Frühjahr 2019 bestätigt hat, dürfen sie beim Verkauf von DSL-Tarifen auch nicht den Anschein erwecken, dass ein bestimmter Router für die Nutzung erforderlich ist.
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Hat sich der Verbraucher jedoch einmal auf einen Provider-Router eingelassen, kann er sich später nicht auf ein Sonderkündigungsrecht berufen. Ein Kündigungsrecht besteht nur, wenn der Anbieter im Rahmen eines laufenden Vertrages die Bedingungen ändert, sodass plötzlich nur noch eine bestimmte Hardware fehlerlos funktioniert.
Auch beim Umgang mit dem alten Router ist Vorsicht geboten. Ihn einfach wegzuwerfen, kann teuer werden. Sofern der Router Vertragsbestandteil war und leihweise überlassen wurde, sollte man ihn auf Aufforderung zurücksenden können. Ansonsten kann der Provider unter Umständen eine Entschädigung verlangen. Je nach Unternehmen und Vertragsausgestaltung sollte ein zur Verfügung gestellter Router bis zu fünf Jahren aufbewahrt werden.
Routerzwang in anderen Ländern
In Deutschland wurde der Kampf um die freie Wahl der Endgeräte gewonnen und haben die Nutzer die Vorteile erkannt. In anderen Ländern ist das noch nicht oder erst kürzlich der Fall. Beispielsweise hat die italienische Regulierungsbehörde "AGCOM" mir der Verordnung "Delibera 348-18-CONS" erst im November 2018 die freie Endgerätewahl ermöglicht. Dafür eingesetzt hatten sich neben dem VTKE auch eine Allianz aus Verbraucher- und Handelsverbänden sowie unabhängigen Providern. Von diesem Schritt erhoffte sich der VTKE eine Signalwirkung für andere europäische Staaten.
Noch deutlich mehr Nachholbedarf gibt es in anderen Ländern. So wurde in Kuba Ende Juli 2019 erstmals überhaupt WLAN-Netzwerke in privaten Haushalten erlaubt. Angeboten wird es ausschließlich über die staatliche Telefongesellschaft Etecsa, die auch die Endgeräte stellt. Bislang gab es WLAN auf der Karibikinsel offiziell nur auf öffentlichen Plätzen.