Mit Synergien ist das so eine Sache: Einerseits helfen sie Unternehmen, bei überschaubaren Kosten schnell zu wachsen. Andererseits tragen sie schnell dazu bei, dass einzelne Teile des Angebots unter dem Dach des großen Ganzen kaum noch wahrgenommen werden. Und wenn etwas Neues hinzukommt, geht dessen Sichtbarkeit schnell verloren - so wie die Wasserfärbung eines Flusses, wenn der in einen größeren mündet. Gemeinsam gewinnen sie an Kraft und Bedeutung, was davon auf welchen entfällt, bleibt jedoch unklar.
So ähnlich ist das auch bei den Cloud-Aktivitäten von 1&1. Das Unternehmen hat sein schon damals ansehnliches Cloud-Geschäft 2018 mit der Übernahme von Profitbricks erheblich ausgebaut. Nach Abschluss der Übernahme startete das gemeinsame Geschäft dann unter dem Namen 1&1 Ionos. Es umfasste alles von der Homepage bis zur Enterprise-Cloud-Infrastruktur. Damit hatte man zwar ein breiteres Portfolio als viele Mitbewerber, wurde aber gerade dadurch als Cloud-Anbieter weniger stark wahrgenommen.
Der folgende Verzicht auf den Namensbestandteil 1&1 wurde mit der geplanten Internationalisierung begründet. Aber auch in Deutschland dürfte es nicht geschadet haben, den in den Köpfen stark mit günstigen DSL-Anschlüssen besetzten Begriff 1&1 abzugeben, wenn man sich eher auf Cloud-Angebote für Unternehmen konzentriert. Mit der Einführung der Marke Ionos Cloud im Mai wurde dann der konsequente, nächste Schritt vollzogen und das Massengeschäft vom Business-Geschäft getrennt.
"Wir wollen die europäische Cloud-Alternative werden"
Die Ausgangsbasis für Ionos Cloud ist gut. Denn im Hintergrund kann die neue Marke vom Start weg auf alle Ressourcen der Muttergesellschaft zurückgreifen. Dazu gehören laut Claudio Serrano, Head of Channel Sales bei Ionos Cloud, rund 90.000 physische Server in zehn Rechenzentren - und rund 1.500 Mitarbeiter in Technik und Produktentwicklung.
Als B2B-Marke von Europas größtem Hoster ist aber auch der Anspruch hoch: "Wir wollen die europäische Cloud-Alternative werden", erklärt Serrano gegenüber ChannelPartner. Gelingen soll das vor allem mit einem konsequenten, indirekten Vertrieb. Einige große Partner, wie Bechtle, das Ionos Cloud als Ergänzung zu seiner eigenen Cloud sieht und Concat, konnten bereits überzeugt werden. Außerdem ist noch aus der Zeit als Profitbricks noch eine 1&1 eine Partnerbasis da, die über Acmeo betreut wird. Und mit Also wurde erst kürzlich eine Distributionsvereinbarung geschlossen, die sich aber zunächst vorrangig auf die Hosting-Angebote konzentriert. Weitere Distributionspartner sind laut Serrano mittelfristig vorstellbar.
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Den Anspruch, "die europäische Cloud-Alternative" zu werden, hat übrigens auch schon das französische Unternehmen OVH erhoben. Zumindest in Deutschland konnte der aber nur langsam, vielleicht sogar zu langsam, mit Taten untermauert hat. Möglicherweise war einfach aber auch nur die Zeit noch nicht reif dafür - wofür auch das unglückliche Abenteuer von Microsoft spricht, zusammen mit der Deutschen Telekom ein Konstrukt zusammenzuzimmern, das trotz Technologie aus den USA, aber dank Betrieb in Deutschland durch eine deutsche Firma, den Anspruch einer "deutschen Cloud" erheben darf.
Was europäische Kunden von einem Cloud-Provider erwarten
Bei seinem Vorhaben will Ionos Cloud vor allem da punkten, wo die Mitbewerber Schwächen zeigen und die Kunden Wert darauf legen. Einer von Censuswide für den Anbieter unter 1.502 IT-Entscheidern in Deutschland, Großbritannien und Frankreich durchgeführten Umfrage zufolge, ist das Top-Kriterium bei der Wahl eines Cloud-Providers Hochverfügbarkeit (für 72 Prozent). Es folgt ein nachweislich guter Kundenservice, der für 63 Prozent der befragten deutschen IT-Entscheider ein "sehr wichtiges" Kriterium ist, die Feature-Vielfalt (50 Prozent) und das Preis-Leistungsverhältnis, das 48 Prozent der Befragten für "sehr wichtig" halten.
Dass in der Umfrage nur 28 Prozent der befragten IT-Entscheider angaben, dass ihm eine führende Rolle im Markt "sehr wichtig" sei, nährt zudem die Hoffnung, dass der Kuchen noch nicht verteilt ist. Vor allem im Mittelstand, der sich oft erst jetzt strategisch mit Cloud-Plänen befasst und angesichts des Wachstums des Marktes und des Trends zu Multi-Cloud-Strukturen sind die Aussichten gar nicht so schlecht.
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Interessant an der Umfrage ist auch, dass die Herkunft des Anbieters offenbar keine große Rolle mehr spielt. Das mag an den inzwischen von den weltweit größten Anbietern - von AWS und Alibaba bis Google und Microsoft - erworbenen Zertifikaten und Testaten liegen. Es könnte sich aber angesichts unberechenbarer Politiker und auch der regelmäßig anstehenden Überprüfung der Vereinbarungen zwischen der EU und den USA schnell wieder ändern.
Bei Hochverfügbarkeit sieht sich Ionos Cloud durch die langjährige Erfahrung im Rechenzentrumsbetrieb gut aufgestellt. Beim Service will Serrano mit kostenlosem 24x7-Service für die Partner und sogenannten Cloud Consultants als direktem Ansprechpartner punkten. Außerdem ist eine regionale Partnerbetreuung in Vorbereitung. Derzeit stehen bereits acht Vertriebsmitarbeiter ausschließlich für die Partner zur Verfügung.
Was Ionos Cloud Partnern bietet
Auch technisch bietet Ionos Cloud seinen Partnern Argumentationshilfen. So nutzt man einen eigen-entwickelten Cloud-Stack und sei sehr darauf bedacht, einen Anbieter-Lock-in zu vermeiden. Als größter Anbieter im deutschen Markt, international aber als Herausforderer, ist das ohnehin eine sinnvolle Strategie.
Im Rahmen seiner Partnerstrategie setzt Ionos Cloud vorrangig auf ein IaaS-Angebot. Dafür möchte Serrano Partner gewinnen, die ihren Kunden auf dieser Basis Services anbieten, bei denen das Merkmal "deutsche Cloud" ein Mehrwert ist. Auch eine eigene Cloud des Partners ist darüber möglich, denn neben der Shared Public Cloud bietet man auch die Möglichkeit einer Private Cloud auf VMware-Basis und mit dedizierten Hardware-Servern bei verbrauchsbasierender Abrechnung.
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Zudem habe man "eine ganze Menge Software-Anbieter, die auf unserer Cloud laufen", versichert Serrano. Das reiche von einer Schul-Cloud über Verschlüsselung bis zum Dateiaustausch. Dafür setze man derzeit auf ein Marktplatz-Konzept. Das später auch einmal die Abrechnung direkt über Ionos Cloud möglich ist, schließt Serrano jedoch nicht aus: verbrauchsabhängige Abrechnung sei schließlich etwas, das man im Unternehmen von der Pike auf gelernt habe und schon jahrelang in großem Stil erfolgreich praktiziere.