"S/4HANA ist 2019 endgültig im Markt angekommen", lautet das Fazit der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) zu ihrer diesjährigen Investitionsumfrage. Nachdem die Zahl der Unternehmen, die die neueste ERP-Generation aus dem Hause SAP einsetzen, in den vergangenen Jahren im niedrigen einstelligen Prozentbereich stagnierte und auch die Umstiegsprojekte nicht so recht vom Fleck zu kommen schienen, kommt jetzt Bewegung in den Markt. Jeder zehnte befragte SAP-Anwenderbetrieb hat S/4HANA mittlerweile im Einsatz.
Das sah vor einem Jahr noch ganz anders aus. Gerade einmal drei Prozent der SAP-Nutzer hatten damals wie auch schon im Jahr zuvor angegeben, bereits auf das neue Release aus Walldorf gewechselt zu sein, 2017 waren es zwei Prozent. Ein Blick auf die Pläne der Unternehmen machte deutlich, dass der Wechsel in vielen Betrieben nicht so vorankommt, wie ursprünglich geplant. "Die Rate derer, die Projekte realisiert haben, stockt", konstatierte ziemlich genau vor einem Jahr Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der DSAG. Projekte dauerten länger als geplant, und oft werde auch der Aufwand falsch eingeschätzt, versuchten die Anwendervertreter den schleppenden Migrationsverlauf zu erklären. "Die Projekte sind komplexer und sie ziehen sich hin", konstatierte Lenck.
Damit scheinen die SAP-Anwender nun besser zurechtzukommen. "Viele, die einen Umstieg planten, haben diesen nun offensichtlich umgesetzt oder sind gerade dabei", sagt Lenck heute. Die Quote derer, die in diesem Jahr noch umsteigen wollten, sei von fünf Prozent in den Jahren 2018 und 2019 auf neun Prozent gestiegen. In den nächsten drei Jahren wollen vier von zehn SAP-Anwenderunternehmen den Umstieg hinter sich gebracht haben. Zudem nimmt der Anteil der Anwender, die sich noch nicht entschieden haben, konstant ab, von 25 Prozent vor zwei Jahren über 16 Prozent im Jahr 2019 auf nunmehr 13 Prozent. Allerdings hat die Business Suite nach wie vor ihre kleine aber stabile Fan-Gemeinde. Sechs Prozent der befragten Betriebe wollen mit dem SAP-ERP-Release weitermachen.
Mehr Geld für S/4HANA
Mit den S/4HANA-Projekten ändern sich auch die Investitionsschwerpunkte der SAP-Anwender. Mehr als die Hälfte der Betriebe plant mittlere (26 Prozent) beziehungsweise hohe (26 Prozent) Investitionen in S/4HANA. Dagegen nimmt die Bedeutung der Business Suite ab. Nur noch jeder zehnte Anwender will signifikant Geld in dieses System investieren. Jeder vierte spricht an dieser Stelle von mittleren Investitionen. Vor einem Jahr lagen die Investitionsvorhaben in S/4HANA und die Business Suite noch in etwa gleichauf.
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Während die Notwendigkeit des Umstiegs bei den Anwendern angekommen zu sein scheint - immerhin rückt das von SAP für 2025 angekündigte Supportende für die Business Suite unaufhaltsam näher -, wollen die Unternehmen den SAP-Betrieb nicht aus dem Haus geben. Bei der S/4HANA-Public-Cloud stagniert die Entwicklung, konstatiert die DSAG. "Daraus schließen wir, dass die bestehende Kundschaft von SAP noch deutlich besser abgeholt werden muss, was die Funktionalitäten der Cloud-Lösungen generell betrifft", sagt Lenck. "Die Public Cloud ist zurzeit nicht die 'To-go-Lösung', auf die die Kunden setzen."
Insgesamt bleibt die Investitionsbereitschaft in die SAP-Cloud-Lösungen überschaubar. 14 Prozent der SAP-Anwender planen "hohe und mittlere" Investitionen in SuccessFactors, 13 Prozent in die SAP Analytics Cloud und elf Prozent in C/4HANA. Ariba, Integrated Business Planning und Concur bleiben im einstelligen Bereich. Nur bei der SAP Analytics Cloud lässt sich ein Aufwärtstrend beobachten. War es im vergangenen Jahr noch ein Plus von sechs Prozentpunkten auf damals neun Prozent, ist die Investitionsbereitschaft der DSAG-Umfrage zufolge noch einmal um vier Punkte auf nun 13 Prozent gestiegen.
Anwender wollten die Cloud-Lösungen standardisiert als einheitlichen Prozess ohne Modifikationen an den ERP-Kern anbinden können, beschreibt der DSAG-Chef die Erwartungshaltung der Unternehmen. "Hier müssen wir als DSAG in weiteren Diskussionen mit SAP für die Weiterführung der Out-of-the-Box-Integration und harmonisierte Datenmodelle sorgen." Bei der Relevanz der Applikations-Plattformen (Platform-as-a-Service = PaaS) hat Microsoft Azure mit 24 Prozent die Nase klar vorn. Auf dem zweiten Platz folgt die SAP Cloud Platform mit 14 Prozent. "Diese Konstellation könnte darauf zurückzuführen sein, dass Microsoft vorrangig als generelle Digitalisierungsplattform in den Unternehmen eingesetzt wird und die SAP Cloud Platform eher als Plattform für Lösungen der SAP die erste Wahl ist", kommentiert Marco Lenck das Ergebnis.
Digitalisierung bleibt viel Arbeit
Insgesamt fühlen sich die SAP-Kunden in Sachen Digitalisierung etwas besser aufgestellt als noch vor einem Jahr. 35 Prozent sagen aktuell, sie seien weit (32 Prozent) beziehungsweise sehr weit (drei Prozent) fortgeschritten - etwas mehr als im vergangenen Jahr (sehr weit: zwei Prozent und weit: 29 Prozent). Aber immer noch fühlen sich knapp zwei Drittel der SAP-Anwender als digitale Nachzügler.
"Anfangs war die digitale Euphorie groß, dann hat sich gezeigt, dass der Aufwand in manchen Bereichen doch größer ist, als angenommen", interpretiert Lenck die Umfrageergebnisse. "Aber die Trendwende ist zu erkennen". Dennoch hinke die digitale Transformation klar den allgemeinen Erwartungen hinterher.
Als Gründe für die "digitale Zurückhaltung" nennen drei von vier SAP-Anwendern fehlende Ressourcen wie Mitarbeiter und Berater sowie die aufwendige Integration (68 Prozent). "Die Unternehmen haben erkannt, dass es komplex werden kann, wenn ein entsprechendes Projekt gestartet und die Integration vollzogen wird", stellt der DSAG-Chef fest. SAP müsse massiv daran arbeiten, die Unternehmen bei ihren Integrationsaufgaben besser zu unterstützen. "Je standardisierter die Lösungen, desto einfacher die Integration und desto weniger Baustellen", lautet Lencks Resümee.
An dritter Stelle der Digitalisierungshindernisse steht der DSAG zufolge das fehlende Know-how mit 60 Prozent. "Wenn die Unternehmen die technischen Möglichkeiten der Lösungen nicht kennen, sinkt die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Darum ist es wichtig, die entsprechenden Abteilungen gezielt zu aktivieren", ist Lenck überzeugt. Interessant sei auch, dass 47 Prozent keinen echten Mehrwert erkennen können. Sie fragen nach dem Business Case. "Vielleicht sind die notwendigen Investitionen zu hoch oder der konkrete Nutzen des Projekts lässt sich nicht klar festlegen. Oder es fehlt am Know-how, was mit der Software konkret verbessert werden könnte", interpretiert der DSAG-Mann das Ergebnis.
Die DSAG hat die Online-Umfrage vom November 2019 bis Januar 2020 zu geplanten Investitionen für 2020 ausschließlich bei Anwenderunternehmen im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Pro Unternehmen wurde nur eine Person befragt. 288 CIOs, Leiter von Competence Centern (CC) und Vertreter von DSAG-Mitgliedsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an der Umfrage teil. Knapp die Hälfte der Teilnehmer kommt aus Unternehmen mit einer Größe zwischen 500 und 2.500 Mitarbeitern.