Wenn wir in ungefähr zehn Jahren auf die heutige (IT-)Zeit in Deutschland zurückblicken werden, dann wird es wohl heißen: Hey! Was waren das für aufregende Zeiten! Was für eine Goldgräberstimmung - kaum ein deutsches Unternehmen, das nicht inmitten der ersten Cloud-Computing-Projekte steckte. Die digitale Transformation bestimmte die Agenda nahezu jedes CIOs. Tolle Zeiten also für Systemhäuser, Integratoren, ISVs, Berater und alle anderen, die sich gerne als Trusted Advisor der deutschen Anwender bezeichnen.
Aber irgendwas stimmt an dieser Stelle nicht! Es gibt die gerade beschriebene Hochstimmung in weiten Teilen des IT-Marktes gar nicht. Und warum? Weil das Gros im deutschen Channel schläft und zwar ziemlich tief!
Die alten Rezepte taugen nicht mehr
Man hat es sich vielerorts gemütlich gemacht, die Wirtschaftslage war stabil und irgendwo gab es immer noch einen Kunden, dem man ein schönes Old-School Projekt verkaufen konnte. Aber der Wind dreht sich gerade. Dazu muss man nur mal die Bilanzen der großen, klassischen Anbieter lesen. Kaum Wachstum, rückläufige Margen, zerbröselndes Kerngeschäft. Ob HP, IBM, Oracle, Cisco, wohin man auch schaut, Spaß sieht anders aus.
Diese Zahlen werden auch bei deren Partnern am anderen Ende der Wertschöpfungskette unweigerlich durchschlagen. Die Hoffnung, dass das nur eine Wachstumsdelle ist, ist naiv.
Cloud Computing 2015 - der Rubel rollt
Aber natürlich geht es auch anders. Amazon AWS, Salesforce, Dropbox etc. Die Liste neuer, erfolgreicher Unternehmen ließe sich endlos verlängern. Das Problem ist nur, dass kaum ein deutsches Unternehmen im Channel mit diesen Anbietern zusammenarbeitet.
Jetzt rächt sich, dass viele das Thema Cloud haben links liegen lassen. Jetzt rächt sich auch, dass man gerne Security, Compliance und die NSA vorgeschoben hat, um ja nicht mit dem Thema umgehen zu müssen. Denn jetzt geht das Geschäft erst richtig los und viele deutsche Integratoren und IT-Dienstleister stehen nur als Zaungäste am Rande. Dabei stehen eigentlich alle Ampeln auf Grün, das zeigen auch sämtliche Zahlen und Indikatoren, seien es Befragungen von Anwendern, Zahlen der Anbieter, oder aber prominente Referenzprojekte wie der Versicherungskonzern Talanx, der Anwendungen auf AWS betreibt.
An diesem Beispiel sieht man auch, dass es sich für Berater und Integratoren lohnen kann, sich in diesem Themenumfeld zu positionieren und trotz aller Widerstände am Ball zu bleiben. Die direkt gruppe aus Hamburg beweist mit ihren 160 Mitarbeitern jedenfalls, dass mit den neuen Themen wie Cloud Computing durchaus Geld zu verdienen ist.
Und wenn wir uns die anstehende digitale Transformation anschauen, dann sprechen wir hier für Deutschland von einem Multi-Milliarden Geschäft in den kommenden Jahren.
Wer "Digital" sagt, muss auch "Cloud" sagen
Wenn deutsche IT-Dienstleister von diesem Kuchen ein Stück abhaben möchten, müssen sie sich jedenfalls entsprechend aufstellen und fokussieren. Die Anwender suchen händeringend nach Experten, die sie in den kommenden Jahren durch diese Herkulesaufgabe lotsen und bei der Transformation unterstützen.
Rund zwei Drittel aller im Rahmen der Studie "Digital Business Readiness" befragten Unternehmen, die Crisp Research im Auftrag von Dimension Data durchgeführt hat, werden bei ihrer digitalen Transformation auf Unterstützung externer Partner angewiesen sein (siehe Abb. unten).
Das heißt aber eben nicht, dass das Ganze ein Selbstläufer ist. Die digitale Transformation hat ihr Fundament im Rechenzentrum, dort besteht die Herausforderung neue und flexible Plattformen zu schaffen, auf denen hybride Multi-Cloud Szenarien abgebildet werden können.
Cloud Computing und digitale Transformation sind also Siamesische Zwillinge, untrennbar miteinander verbunden. Denn digitale Transformation heißt in Zukunft vor allem Vernetzung von Wertschöpfungsketten und Prozessen. Dafür benötigen Unternehmen den gesamten Baukasten an verfügbaren Instrumenten und Skills. Wer also glaubt, dass er mit einem eindimensionalen Angebot seinen Kunden ins digitale Zeitalter helfen kann, der irrt.
Die Herausforderung besteht für viele deutsche Anbieter also darin, verlorenen Boden gut zu machen und sich jetzt endlich ernsthaft mit den neuen Technologien und Deployment-Modellen vertraut zu machen.
Sonst werden zahllose deutsche IT-Dienstleister 2015, als das Jahr in Erinnerung behalten, in dem der eigene Abstieg begann. (bw)