Bei Storage ist Musik drin

Datenspeicher sind wieder sexy

Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Storage ist wieder sexy geworden im Silicon Valley, seit schnellere Datenspeicher auch Unternehmen insgesamt schneller und flexibler machen.

Die Mitarbeiter der Private-Equity-Firma Carlyle Group zum Beispiel mussten früher mehrere Minuten bis zu Stunden darauf warten, dass ihre Computersysteme bestimmte Finanzberichte ausspuckten. Seit Carlyle neuartige Storage-Hardware vom Startup Tintri einsetzt, ist das oft schon binnen Sekunden erledigt. "Ich konnte den Unterschied nicht glauben", zitiert das "Wall Street Journal" Alan Thompson, der bei Carlyle weltweit für die IT-Services veranwortlich ist.

Und derlei Aussagen hört man immer öfter, seit finanziell gut ausgestattete Storage-Startups die traditionellen Marktführer wie EMC, NetApp, IBM, HP oder Dell angehen. Die wiederum reagieren zum Teil mit entsprechenden Übernahmen oder bauen selbst neuartige Speichersysteme. Jeremy Burton jedenfalls, der bei EMC als President für Produkte und Marketing zuständig ist, beschreibt die Wettbewerbssituation mit den Worten: "Das ist ein Messerkampf".

Nach Zählung von CB Insights haben Wagniskapitalgeber von 2010 bis zum ersten Halbjahr 2015 mehr als 6 Milliarden Dollar in 96 Startups gesteckt, die Hardware, Software und Dienstleistungen im Bereich Storage verkaufen. Einige wie Pure Storage schwimmen auf der Welle der Verschiebung von Festplatten in Richtung Flash-Speicherchips; Pure will demmächst an die Börse, nachdem es im vergangenen Jahr eine private Bewertung von 3 Milliarden Dollar erreicht hatte.

Weitere Companies packen Rechen- und Speicherfunktionen miteinander in multifunktionale Gehäuse, um andere Geschwindigkeits- und Kostenvorteile zu heben. Mit Nutanix und SimpliVity haben zwei solche Firmen auch bereits "Einhorn"-Status erreicht, sprich sie werden mit über 1 Milliarde Dollar bewertet.

Die hohen Kapitalisierungen sind unter anderem darin begründet, dass Anwenderunternehmen laut einer Prognose der Marktforschungsfirma IDC in diesem Jahr mehr als 40 Milliarden Dollar allein für Storage-Hardware ausgeben werden. Viele der Hersteller in diesem Segment haben ihre Zehn- bis Hunderttausende Dollar teuren Systeme vergangene Woche auf der VMware-Hausmesse VMworld ausgestellt.

Nutanix-Appliance
Nutanix-Appliance
Foto: Nutanix

Gleichzeitig erzeugen Rechner, Mobilgeräte und zunehmend auch immer andere Geräte aus dem "Internet der Dinge" (IoT) immer mehr Daten. Unternehmen müssen diese Big Data im eigenen Rechenzentrum oder in der Cloud speichern. Eine von EMC beauftragte IDC-Studie kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass das Datenaufkommen bis ins nächste Jahrzehnt hinein um jährlich im Schnitt 40 Prozent wachsen wird.

Anbieter wie Pure, Kaminario, Violin Memory oder Solidfire setzen bei ihren Speichersystemen komplett auf Flash-Chips, die ohne bewegliche Teile auskommen und weniger Strom verbrauchen als herkömmliche Festplatten. Außerdem lassen sich Daten aus Flash im Schnitt 20 Mal schneller lesen als von Platte, schätzt Andy Walls, der seit 34 Jahren für IBM arbeitet und derzeit Chief Technology Officer und Chief Architecht für die Flash-Speicher von "Big Blue" ist. "Flash verändert die Landschaft, und es verändert sie dramatisch", sagt der Branchenveteran.

Noch allerdings sind die viel länger erforschten Festplatten deutlich günstiger als Flash - eine SSD mit 1 Terabyte Kapazität etwa kostet rund 500 Dollar, eine HDD mit gleicher Kapazität mit 50 Dollar nur ein Zehntel. Deswegen mischen manche Storage-Neugründungen wie Tegile, Reduxio Systems oder Nimble Storage schnelle Flash- und kostengünstige Festplattenspeicher, um schnellere Systeme und gleichzeitig hohe Kapazität anbieten zu können. Nutanix und SimpliVity (s.o.) wiederum kombinieren Server und Storage zu "hyperkonvergenter" Hardware, die einfacher und schneller sein kann als separate Geräte.

Viele von den Storage-Startups begründen ihre technischen Vorteile aber ohnehin weniger mit der benutzten Hardware als mit der mitgelieferten Software, die beispielsweise die Leistung optimiert und sich um die Backups kümmert. Einige Storage-Firmen bieten denn auch gleich nur Software an, die dann preiswerte Commodity-Server mit SSDs oder Festplatten als Storage "definiert" ("Software-defined Storage"). Zu dieser Fraktion gehören unter anderem Scality, PernixData sowie Formation Data.

Sparen können Anwender mit solch neuen Systemen darüber hinaus auch Personalkosten. Während bei traditionellen Speichersystemen oft Mitarbeiter dafür beschäftigt werden, um Datensicherungen zu verwalten und die Leistung durch das Verteilen von Daten auf unterschiedliche Geräte zu verbessern, sind neue Storage-Lösungen dafür ausgelegt, solche Aufgaben überflüssig zu machen oder zu automatisieren. "So was braucht man nicht länger", bescheinigt etwa Joris Vuffray, Leiter Netze und Systems Management beim Schweizer Lotteriebetreiber Swisslos, seine Erfahrung mit Nutanix-Systemen.

Die Startups trotzen dem allgemeinen Trend, dass Unternehmen Speicherplatz in den Clouds von Anbietern wie Amazon (Web Services), Google oder IBM mieten und deswegen weniger eigene Storage-Hardware anschaffen müssen.

Pure, das von Investoren bereits 470 Millionen Dollar eingesammelt hat, hat laut "WSJ" dem einstigen Branchenprimus EMC Dutzende Vertriebler abspenstig gemacht, um EMCs Stammkunden für seine Flash-only-Arrays zu begeistern. EMC ist naturgemäß wenig begeistert und überzieht den kleineren Herausforderer mit Klagen wegen Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen und Patentverletzungen. Pure seinerseits bezichtigt EMC (das bereits zwei andere Flash-Startups gekauft hat), sein geistiges Eigentum zu verletzen. Die Verfahren laufen noch. Die Umsätze in EMCs reifem Geschäft mit Disk-Speichern waren zuletzt rückläufig; Manager Burton erwartet aber, dass die Verkäufe Flash-basierender Speicher heuer 1 Milliarde Dollar erreichen was - mehr wäre als die entsprechenden Erlöse der drei bis vier nächstgroßen Marktbegleiter zusammen.

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