Markus Beckedahl von Netzpolitik.org

Datenschutz stärkt das Vertrauen der Menschen in Digitalisierung



Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Es ist kein Zeichen von Paranoia, smarten Haushaltsgeräten skeptisch gegenüberzustehen. Warum, und welche weitreichenden Folgen omnipräsente Spracherkennung hat, darüber sprach Markus Beckedahl, Gründer und Mastermind des Blogs Netzpolitik.org, auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Markus Beckedahl, Gründer von Netzpolitik.org, sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Markus Beckedahl, Gründer von Netzpolitik.org, sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Als Beckedahl vor 25 Jahren anfing, in der IT zu arbeiten, hoffte er irgendwann mit Computern sprechen zu können, damit er nicht immer so viel eintippen muss. Aber als dies schließlich möglich war - erst durch Siri, später durch Alexa und andere - machte es Beckedahl eher Angst.

Weil natürlich die Gefahr, abgehört zu werden, nicht von der Hand zu weisen ist. "Alexa wird irgendwann ständig zuhören", davon ist Beckedahl überzeugt, "und wenn wir sie trainieren, sie also uns und unsere Stimme genau kennt, dann weiß Amazon irgendwann auch, in welchem Laden wir wann waren." Weil Alexa oder eine ihrer Kolleginnen dort natürlich auch ihre digitalen Ohren aufsperren.

Unsere Daten sind vogelfrei

Abgesehen von ihrer Verwendung ist schon der Verbleib so gewonnener Daten unklar. Amazon sagt, sie lägen unbedingt auf deutschen Servern. Wirklich nachprüfen kann das niemand. Und selbst wenn es stimmt, bleibt zusätzlich unklar, ob diese Daten damit deutschen oder amerikanischen Regularien unterliegen.

Markus Beckedahl: "Spätestens seit dem Fall Edward Snowden wissen wir, dass amerikanische Geheimgerichte auch deutsche Töchter von US-Firmen verpflichten können, alles herauszurücken. Das heißt unsere Daten sind im Zweifelsfall vogelfrei."

Beckedahl verdeutlicht anhand einer ganzen Reihe von Beispielen, dass es mitnichten ein Zeichen von Paranoia ist, sich an diesem Punkt Sorgen zu machen. "Wir wissen schlicht nicht, was unsere smarte Kaffeemaschine alles macht - außer Kaffee kochen." Möglicherweise sende sie einen Lifestream aus unserer Küche in die Welt - oder fängt einen Cyberkrieg gegen Polen an, weil sie von einem Netbot gekapert worden ist.

Irgendjemand habe mal gesagt, "Internet oft Things ist, wenn der Toaster Bitcoins erzeugt, um beim Kühlschrank seine Schulden zu bezahlen." Und wenn solche Ängste paranoid sind, dann leiden viele unter Verfolgungswahn, auch Prominente. Von Marc Zuckerberg zum Beispiel weiß man, dass er an seinem Laptop nicht nur die Kamera, sondern auch das Mikrofon abklebt.

Große werden größer

Und beim Thema Stimme und Sprache gibt es, wie der Gründer von Netzpolitik.org in Hamburg klarmachte, noch weitere Probleme. Erstens: Wenn Alexa angelernt, also an die Stimme ihres Herrn gewöhnt werden muss und kann, wird damit nicht der Marktzugang für potenzielle Wettbewerber stark erschwert? Das heißt, vermutlich stärkt diese Technik den unleidlichen Trend, die Großen größer zu machen und die kleinen - bestenfalls - zu marginalisieren.

Zweitens stellt sich die Frage, wem die hohen, von der eigenen Stimme aufgetürmten Datenberge gehören. Und wer sie verwenden darf. Eine Alternative zur Stärkung der Monopolisten kann aus Sicht von Markus Beckedahl ein Projekt wie "Common Voice" von Mozilla sein, bei dem Menschen gemeinsam Sprachdaten erzeugen - und sie dann auch gemeinsam nutzen.

Beckedahl würde Gesichtserkennung verbieten

Aber Daten zu sammeln ist natürlich nicht nur Bedrohung, sondern auch Verlockung. Einerseits möchten wir alle das Gefühl haben, unbeobachtet zu sein, andererseits manchmal aber auch selbst beobachten. Ober wie Markus Beckedahl sagt: "Ich finde intelligente Brillen auch spannend - allerdings nur auf meiner eigenen Nase."

Markus Beckedahl sprach vor hunderten IT-Chefs.
Markus Beckedahl sprach vor hunderten IT-Chefs.
Foto: Foto Vogt

Wenn es ums Beobachten geht, wird seiner Meinung nach vor allem die Gesichtserkennung immer weitere Verbreitung finden - wie aktuell schon am Bahnhof Berlin Südkreuz. Datenschützer fordern seit langem ein Moratorium, um rechtliche Fragen umfänglicher zu diskutieren, als das bisher der Fall ist. Beckedahl würde die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum am liebsten ganz verbieten.

Manche wollen Drohnen legalisieren

Doch in diesem Bereich verlaufen die Konflikt-Linien nicht genau dort, wo man es erwarten würde. Beispiel Drohnen: Solche Flugobjekte über bewohntem Gebiet zu verwenden und so in die Privatsphäre unzähliger Menschen einzudringen, ist verboten. Deshalb wurde kürzlich auch ein Mann aus Sachsen freigesprochen, der eine ihm unbekannte Drohne mit dem Luftgewehr abgeschossen hatte. Einerseits. Andererseits gibt es in Deutschlands Hackercommunity durchaus Stimmen, die Drohnen und ihren Flug legalisieren wollen - im Dienste einer wie auch immer begründeten Freiheit.

Womit Beckedahl beim Thema Urheberrecht ankam. Und dabei Konflikte beschrieb, über die sich vermutlich selbst unter den in Hamburg auf den IT-Strategietagen versammelten Menschen noch nicht alle Gedanken gemacht haben.

Beckedahl: "Wer erbt meine digitale Plattensammlung? Darf ich meine MP3s an meinen Sohn weiterreichen?" Zu solchen und ähnlichen Fragen äußerten drei Fachanwälte mindestens fünf verschiedene Ansichten.

Am Ende, als Resümee seiner Gedanken, wandte sich Markus Beckedahl vor allem gegen die weit verbreitete Auffassung, Datenschutz behindere Innovationen und die Geschäfte insgesamt. "Wenn wir mehr Datenschutz haben, dann haben die Menschen mehr Vertrauen in Digitalisierung und in entsprechende Lösungen. Und Vertrauen hemmt die Geschäfte nicht, es fördert sie."

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