Vom ARPANET zum IoT

Das Internet wird 50, ist aber noch lange nicht alt

Kommentar  29.08.2019
In diesen Tagen erinnern viele an den 50. Geburtstag des Internets. Das stimmt, nimmt man den 30. August 1969 als Geburtsstunde. Damals nahm der erste Knoten des Arpanet seinen Betrieb auf. Richtiger wäre es aber, diesen Zeitpunkt mit der Befruchtung gleichzusetzen – die Geburt erfolgte erst viel später.

Am 30. August 1969 wurde an der Universität von Los Angeles der erste Knoten des ARPANET in Betrieb genommen. Etwas später, im November, erfolgte die Gründung des ARPANET, des Vorläufers des Internets. Es vernetzte zunächst vier Universitäten in den USA (neben Los Angeles auch Stanford, Santa Barbara und die Universität von Utah). Die Vernetzung der Rechner hob die bis dahin erforderliche Punkt-zu-Punkt-Verbindung auf. Sie basierte auf den im Laufe der 60er-Jahre ausgearbeiteten Konzepten der Informatiker J. C. R. Licklider, Leo Beranek, Richard Bolt und Robert Newman für ein "Intergalactic Computer Network" - kurz ein "Internet". Sie beschrieben bereits damals das meiste, was das Internet heute ausmacht.

Immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung hatte 2018 in irgendeiner Form Zugriff auf das Internet. Damit kommen wir der oft schon postulierten "weltweiten Vernetzung" allmählich tatsächlich nahe.
Immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung hatte 2018 in irgendeiner Form Zugriff auf das Internet. Damit kommen wir der oft schon postulierten "weltweiten Vernetzung" allmählich tatsächlich nahe.
Foto: TAW4 - shutterstock.com

Bis zum weltumspannenden Netz für alle dauerte es dann doch noch einmal 20 Jahre, bis Tim Berners-Lee 1989 das Prinzip des Hypertexts vorschlug. Was zunächst nur den Austausch zwischen Wissenschaftlern erleichtern sollte - die Verlinkung - erwies sich bald als Glücksgriff.

Ebenfalls von Berners-Lee und seinen Kollegen am CERN um die Seitenbeschreibungssprache HTML, das Transferprotokoll HTTP, ein für die korrekte Verlinkung erforderliche eindeutigen Adresse (die URL) sowie ein Programm zum einfachen Durchsuchen der neugeschaffenen Inhalte - den Browser "WorldWideWeb" - ergänzt, ging daraus das heute bekannte World Wide Web hervor. Und obwohl Web und Internet oft synonym verwendet werden, ist das Web doch nur ein Teil des gesamten Internets.

Die von Tim Berners-Lee Ende der 80er Jahre am CERN entwickelten Konzepte für das World Wide Web haben das Internet für die meisten Menschen erst benutzbar und attraktiv gemacht - obwohl es da schon seit fast 20 Jahren existierte.
Die von Tim Berners-Lee Ende der 80er Jahre am CERN entwickelten Konzepte für das World Wide Web haben das Internet für die meisten Menschen erst benutzbar und attraktiv gemacht - obwohl es da schon seit fast 20 Jahren existierte.
Foto: CERN

Um bei den eingangs gezogenen Parallelen zwischen der Entwicklung des Internets und eines Lebewesens zu bleiben: Mit dem Web von 1990 lag uns erstmal so etwas wie ein Ultraschalbild vor. Experten konnten darauf schon etwas erkennen, für Laien blieb es ein Mysterium.

Aber die Geburt war absehbar. Erste Enthusiasten richteten Kinderzimmer ein und sorgten sich um Spielzeug. 1997 wurde schließlich die DENIC eG (Deutsches Network Information Center) mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. Sie kümmert sich um Betrieb und Verwaltung der Top-Level-Domain .de.

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Zumindest für Deutschland wäre 1997 dann mit der Entlassung des Neugeborenen aus der Klinik gleichzusetzen. Tatsächlich geboren wäre es irgendwann zwischen 1989 und 1997. Zugegeben eine lange, schwere Geburt. Dafür entwickelte sich das junge Wesen dann gleich großartig. Und es kam, wie es kommen musste: Mit spätestens 13 Jahren setzte die Pubertät ein. Das Internet, das sich bis dahin so prächtig entwickelt hatte und so vielversprechende Anlagen zeigte, rebellierte erstmals. Anfang 2000 erschütterte die Internetblase, auch als Dotcom-Blase bezeichnet, die Internetwirtschaft.

Auch wenn der Smartphone-Absatz 2018 erstmal etwas schwächelte hat die Verfügbarkeit günstiger Hosentaschenrechner mit Kamera und GPS doch der allgegenwärtigen Internetnutzung den Boden bereitet und ist heute für die meisten Europäer fester Bestandteil ihres Alltags.
Auch wenn der Smartphone-Absatz 2018 erstmal etwas schwächelte hat die Verfügbarkeit günstiger Hosentaschenrechner mit Kamera und GPS doch der allgegenwärtigen Internetnutzung den Boden bereitet und ist heute für die meisten Europäer fester Bestandteil ihres Alltags.
Foto: Canalys

Die große und einige kleinere Krisen wurden bewältigt. Wie das eben so ist. 2007 erfolgt der nächste Entwicklungsschritt. Das Internet erreichte sozusagen die Volljährigkeit, als es mit der Markteinführung des ersten iPhones tatsächlich mobil wurde. Die etablierten Anbieter von Notebooks und vor allem den damals gerade sehr populären Netbooks - bis dahin die handlichsten Geräten für den Internetzugang - fanden das weniger lustig. Sie erinnern sich noch mit Grausen an das vierte Quartal 2007, als insbesondere ihre günstige Consumer-Hardware wie Blei in den Regalen lag, weil alle Welt nur noch das teure iPhone haben wollte. Damit wurde nicht nur das Geld der Verbraucher in andere Kanäle umgeleitet, sondern reduzierte sich schlagartige auch der Bedarf für viele andere Hardwareformate.

Die Reaktion der Branche ließ nicht lange auf sich warten, allerdings profitierten neue Marktteilnehmer davon - Samsung, HTC und zeitweise auch LG feierten im Kielwasser des iPhones Erfolge und Umsatzrekorde. Insbesondere die erschwinglichen Nachfolger des Apple-Smartphones machten es möglich, dass Internetzugriff - übers Web oder über Apps - heute allgegenwärtig ist. Die vernetzten Rechner in der Hosentasche haben für eine von den ersten, akademischen Gründervätern wohl kaum geahnte Dynamik gesorgt.

2018 hatte erstmals über die Hälfte der Weltbevölkerung Internetzugriff. In Deutschland sind derzeit über 57 Millionen Menschen online.
2018 hatte erstmals über die Hälfte der Weltbevölkerung Internetzugriff. In Deutschland sind derzeit über 57 Millionen Menschen online.
Foto: Bitkom

Nach Zahlen der International Telecommunications Union (ITU) hatte 2018 erstmals über die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung Zugang zum Internet. In Deutschland waren es in der Altersgruppe zwischen 16 und 74 Jahren laut Eurostat 92 Prozent. Damit ist das Internet in der Gesellschaft angekommen. Doch die hat sich lange nicht so rasant entwickelt, wie die Technologie. Ängste einerseits, die sich in Forderungen nach Kontrolle (wie Vorratsdatenspeicherung) und Besitzstandsdenken andererseits, das sich in Forderungen nach Bewahrung althergebrachter Gewohnheiten (etwa beim Urheberrecht) äußern, machen allen zu schaffen, die das Internet voranbringen wollen.

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Bange sein muss einem dennoch nicht. Das Internet ist in den besten Jahren. Auch wenn es sicher noch nicht alle Rückfälle erlebt und nicht alle Flegeljahre hinter sich hat wird die in Gang gesetzte Dynamik dafür sorgen, dass es weiter geht. Die weit verbreitete Sorge vor einer GAFA-Welt - also einem von Google, Apple, Facebook und Amazon dominierten Internet - ist berechtigt. Sie verliert aber durch Verweis auf Namen wie AOL oder Yahoo etwas an Schärfe. Das Gute am Internet ist, dass es nicht nur die Mechanismen in sich trägt, die es Anbietern immer wieder erlauben, es zu dominieren, sondern immer zugleich auch Möglichkeiten bietet, diese Vorherrschaft zu untergraben und in Nischen Neues zu schaffen. In diesem Sinne: Happy Birthday, Internet - egal wie alt Du nun tatsächlich wirst. Noch bist Du jung genug, um uns immer wieder zu überraschen.

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