Von Michael Brendel und Alexander Becker
Dow Jones Newswires
HANNOVER/MÜNCHEN(Dow Jones)--Der Automobilzulieferer Continental will für den Wettbewerber Siemens VDO gut zehn Mrd EUR auf den Tisch legen. "Das Angebot liegt näher an zehn als an elf Milliarden Euro", sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person am Freitag zu Dow Jones Newswires. Am Vortag hatte es in einem Medienbericht geheißen, dass Conti angeblich rund 11 Mrd EUR für VDO geboten haben soll.
Analysten gehen bislang von einer Marktbewertung von 6,5 Mrd bis zu maximal 9 Mrd EUR für die Siemens-Sparte aus. Bei dem inzwischen erreichten zweistelligen Milliardenbetrag dürfte es mit den Alternativen wie einem Börsengang zumindest schwieriger werden, hatte am Vortag Analyst Ansgar Rauch von der Nord/LB gesagt.
Ende Januar 2007 hatte der scheidende Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld angekündigt, VDO an die Börse bringen zu wollen. Siemens hat dabei immer wieder bekräftigt, die Mehrheit bei VDO Automotive behalten zu wollen. Demnach wird eine Lösung bevorzugt, nach der 25% bis 49% von VDO an die Börse gebracht werden sollen. Kleinfeld hatte damals allerdings auch Alternativen zu einer Börsennotierung nicht ausgeschlossen. Conti hatte sich unmittelbar nach der Ankündig als Kaufinteressent gemeldet.
Siemens hatte nach Einschätzung von Analysten die Bereitschaft des Unternehmens zu einem Verkauf als Alternative offener als bisher kommuniziert. So hatte Kleinfeld vor Analysten gesagt, dass der neue Aufsichtratsvorsitzende Gerhard Cromme "alle Optionen" unterstützt, die "Wert aus VDO" für Siemens generieren würden. Bislang hatte Siemens wiederholt bekräftigt, dass nur ein Börsengang von VDO oberste Priorität habe.
Cromme selbst schloss in einem am Freitag vorab veröffentlichten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" einen Verkauf nicht aus. "Der VDO-Börsengang wird vorbereitet, daran halten wir fest. Aber wenn jemand viel Geld auf den Tisch legt, um die Sparte zu kaufen, werden wir so ein Angebot natürlich prüfen", zitiert die Zeitung Cromme.
Brisant an den nun vorliegenden Angebotssumme ist, dass Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser in der vergangenen Woche erklärt hat, dass Conti bislang "keine wettbewerbsfähige Alternative zu einem Börsengang vorgelegt" hat. Conti hatte dies nicht kommentiert. Eine Siemens-Sprecherin hatte die vermeintliche 11-Mrd-EUR-Offerte nicht kommentieren wollen. Wenn allerdings ernsthafte Angebote vorliegen, sei das Unternehmen schon von Rechts wegen verpflichtet, sie zu prüfen. Siemens hatte bereits bestätigt, mehrere Interessensbekundungen unter anderem auch von Private-Equity-Unternehmen erhalten zu haben.
Wie die mit dem Vorgang vertraute Person Dow Jones Newswires weiter sagte, habe Continental bislang ein indikatives Angebot vorgelegt. Ein offizielles Angebot könne erst vorgelegt werden, wenn die Due Dilligence Prüfung gelaufen. Bislang habe Siemens die Bücher aber nicht für die Due Dilligence geöffnet, so die Person weiter. Bei Siemens war am Vormittag niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
Dass der Hannoveraner Konzern bereit ist, eine deutlich über der Marktbewertung der IPO-Bookrunner (Goldman Sachs, Morgan Stanley, Deutsche Bank) liegende Summe zu zahlen, soll den Informationen zufolge vor allem an dem hohen Einsparpotenzial im Forschungs- und Entwicklungsbereich liegen. Hier seien die beiden Unternehmen in wichtigen Feldern (Systeme zur Reifendruckkontrolle, Unfallvermeidung u.a.) gleichzeitig tätig. Zudem habe Siemens selbst Anfang Februar angekündigt, Arbeitsplätze bei VDO abbauen zu wollen.
Nach damaligen Angaben der IG Metall geht es um rund 1.000 Stellen. Mit dem geplanten Börsengang der Sparte habe der Stellenabbau "überhaupt nichts" zu tun, hatte ein VDO-Sprecher damals betont. Es gehe vielmehr darum, die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der Standorte und Arbeitsplätze von VDO langfristig zu sichern. So müssten Automobilzulieferer jährlich Produktivitätszuwächse von rund 5% erzielen.
Darüber hinaus werden im Unternehmen Szenarien durchgespielt, nach denen es zu mehreren Werkschließungen kommen könnte. Eine mit dem Vorgang vertraute Person hatte Dow Jones Newswires gesagt, dass sich Siemens dabei von vier VDO-Werken entweder durch Schließung oder Verkauf trennen will. Vom Unternehmen hieß es dazu lediglich, es seien verschiedene Szenarien zur weiteren geschäftlichen Entwicklung bis ins Jahr 2011 erörtert worden.
"In diesem Zusammenhang wurden auch Überlegungen zu einer weiteren Fokussierung des Produktportfolios vorgestellt, von denen auch Standorte in Deutschland betroffen sein könnten". Die aufgezeigten Überlegungen seien aber als überwiegend mittel- und langfristige Szenarien zu verstehen, "die derzeit keine konkreten Planungen darstellen", so Siemens weiter.
Der Gesamtbetriebsrat des Siemens Konzerns spricht sich gegen einen Verkauf aus. "Es gibt einen Aufsichtsratsbeschluss, der klar und eindeutig einen Börsengang der Siemens-Sparte VDO vorsieht", sagte Siemens-Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann der "Euro am Sonntag". "Mehr steht derzeit nicht an. Alles andere bedarf einer neuen Diskussion und einer Abstimmung im Aufsichtsrat."
Wie die SZ unter Berufung auf Angaben aus Kreisen der Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat berichtet, wird allerdings darauf verwiesen, dass ein Verkauf grundsätzlich vorstellbar sei, wenn er für die Belegschaft akzeptable Konditionen mit sich bringe, beispielsweise Beschäftigungsgarantien.
Webseite: http://www.conti-online.com
http://www.siemens.de
-Von Michael Brendel und Alexander Becker, Dow Jones Newswires,
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