Die Verkäufer in der Pekinger Zentrale des Smartphone-Herstellers Xiaomi kommen kaum hinterher. Besucher drängen in die Verkaufsräume im Erdgeschoss der Firmenzentrale. An weißen Wänden hängen Werbetafeln für die neuesten Smartphones, aber mittlerweile produziert Xiaomi auch Fernseher, Tablets und vieles mehr. Fast im Monatstakt bringt die Firma neue Geräte auf den Markt.
Gerade feiert Xiaomi (übersetzt bedeutet der Firmenname "kleines Reiskorn" oder "Hirse") seinen fünften Geburtstag und buhlt mit Kampfpreisen um die Gunst der Kunden. Das Einstiegsmodell seiner Smartphone-Reihe ist schon für umgerechnet 74 Euro zu haben.
Xiaomi ist gelungen, was Experten für nahezu unmöglich hielten. Nach der Gründung 2010 ist die Firma im umkämpften Markt für Smartphones in China zum Marktführer aufgestiegen. Mehr noch: Xiaomi gehört heute zu den fünf größten Smartphone-Anbietern weltweit.
"Xiaomi ist so groß geworden, weil es erfolgreich die Marke Apple kopiert hat", sagt Jost Wübbeke vom Mercator Institut für China-Studien (Merics) der Deutschen Presse-Agentur in Peking. Inzwischen hat der einstige Kopierer ein eigenes Image aufgebaut. "Xiaomi ist schick - nicht mehr weil es Apple nachahmt, sondern weil es Xiaomi ist."
Doch der gewaltige Erfolg hat eine große Schattenseite für das Pekinger Unternehmen. Mittlerweile kupfern viele Konkurrenten die Produkte des einstigen Nachahmers selbst ab, um am Aufstieg mitzuverdienen. Auf einen besonders dreisten Fall stieß kürzlich die US-amerikanische Sicherheitsfirma Bluebox. Sie untersuchte das neueste Aushängeprodukt von Xiaomi, das Smartphone Mi4 - und stieß auf ein Spionageprogramm, die im Hintergrund die Nutzer aushorchen können. Xiaomi war alarmiert und untersuchte den Fall.
Dann stellte sich heraus: Das Gerät war eine Fälschung, aber eine besonders gute. Selbst die Sicherheitsmerkmale hatten die Fälscher nachgebaut. Denn Xiaomi installiert mittlerweile Programme auf seinen Geräten, die überprüfen, ob das Produkt ein Original ist. Das Mi4-Smartphone im Test von Bluebox war so ausgeklügelt, dass es den Prüfern erfolgreich vorgaukelte, ein echtes Xiaomi-Gerät zu sein.
Die Kopien setzen Xiaomi unter Druck, meint Chinaforscher Wübbeke. Es werde zum Opfer seines eigenen Erfolges. "Der Kopierer wird kopiert." Aber Produktpiraterie ist kein Problem speziell von Xiaomi. "Smartphone-Fakes sind in China weit verbreitet", sagt Wübbeke.
Eine Xiaomi-Sprecherin räumt auf Anfrage ein: "Es gibt sehr viele gefälschte Xiaomi-Produkte auf dem Markt - im Ausland und in China." Das Thema hat eine neue Brisanz für das Unternehmen erreicht. Denn Fakes seiner Produkte haben bereits Märkte wie Deutschland erreicht, in denen die Originale noch gar nicht verfügbar sind. Ein Versandhändler wirbt auf seiner deutschsprachigen Internetseite für das Handy Mi4 vom Hersteller No.1 für 119,99 Euro - mit Lieferung aus Deutschland. Das Gerät sieht dem Smartphone Mi4 von Xiaomi zum Verwechseln ähnlich, bietet allerdings weniger Leistung etwa zum halben Preis. Xiaomi hat noch gar nicht begonnen, sein eigenes Mi4 in Deutschland zu verkaufen.
Denn das Unternehmen kommt mit seiner gewaltigen Expansion kaum hinterher. Eigentlich wollte die Firma schon im vergangenen Jahr in Europa mit eigenen Produkten an den Start gehen, die Türkei sollte das erste Land sein. Aber die Produktion kann schon in China kaum mit dem Absatz mithalten.
Zumindest einen halben Markteintritt hat Xiaomi mittlerweile für Europa geplant. Der für internationale Expansion zuständige Xiaomi-Manager Hugo Barra kündigte eine Verkaufsplattform im Internet an. Allerdings soll dort zunächst nur Zubehör wie Kopfhörer oder Fitnessarmbänder vertrieben werden und keine Smartphones. Und noch gibt es keinen Termin für den Start der Bestellseite.
Als chinesischer Handyhersteller habe es Xiaomi ohnehin auf dem europäischen Markt nicht leicht, sagt Wübbeke. "Wenn sich die Debatten um die Glaubwürdigkeit von Xiaomi nicht zum Positiven wenden, dann wird es aus sein mit Xiaomis Europa-Expansion - noch bevor sie begonnen hat." (dpa/tc)