Rainer Holler, VIER

"Chancen für KI-Software 'made in Germany' besser denn je"

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Die großen LLMs werden in den USA und in China entwickelt, doch europäische Unternehmen können in Spezialbereichen der KI durchaus im Weltmarkt mitspielen, wie das Beispiel des neu zusammengesetzten deutschen Softwarehauses VIER zeigt.

VIER entstand im Jahr 2021/2022 aus der Fusion der Unternehmen 4Com, Lindenbaum, parlamind, Precire, voiXen und Cognesys. Das deutsche Softwarehaus verfügt über eigene Rechenzentren in Deutschland, Schweiz, USA und Singapur. VIER entwickelt KI-basierte Lösungen für effizientere Kommunikation mit Kunden, etwa in Callcentern.

ChannelPartner sprach mit dem VIER-CEO Rainer Holler über die Chancen deutscher Unternehmen im KI-Umfeld.

VIER-CEO Rainer Holler: "KI wird sich in Richtung größerer Autonomie und Integration entwickeln - hin zu autonomen Agenten."
VIER-CEO Rainer Holler: "KI wird sich in Richtung größerer Autonomie und Integration entwickeln - hin zu autonomen Agenten."
Foto: VIER GmbH

ChannelPartner.de: Hallo Rainer Holler, was stellt die VIER GmbH her?

Rainer Holler, CEO bei der VIER GmbH: Kurz gesagt: Effizienz und Kundenzufriedenheit! Wir sind ein Technologieunternehmen mit Sitz in Deutschland und unsere rund 200 Mitarbeiter entwickeln und betreiben Softwarelösungen für Unternehmen. Mit unserer Software - darunter auch Lösungen auf Basis der Künstlichen Intelligenz - lassen sich kontaktbasierte Geschäftsvorgänge, etwa im Customer Service, effizienter machen, Prozesse automatisieren und gleichzeitig die Qualität der Bearbeitung und damit die Kundenzufriedenheit steigern.

ChannelPartner.de: Gibt es überhaupt noch Geschäftschancen für "KI-Software made in Germany"?

Rainer Holler, VIER GmbH: Wieso "überhaupt noch"? Umgekehrt wird ein Schuh draus! Die Chancen für KI-Software made in Germany sind aus unserer Sicht jetzt besser denn je. Denn mit dem Inkrafttreten des EU AI Acts zur Regulierung des KI-Einsatzes in Europa sind KI-Lösungen aus Deutschland besonders relevant. Unternehmen müssen die entsprechenden Vorgaben bei ihren KI-Lösungen einhalten oder riskieren erhebliche Strafen.

Und Systeme aus den USA sind beispielsweise beim Schutz personenbezogener Daten nicht unbedingt verlässlich. Wer also auf Nummer sicher gehen will - und muss, ist mit KI aus Deutschland bestens aufgestellt und compliant mit den Anforderungen der europäischen KI-Verordnung. Nicht zu vergessen sind by the way dabei die Regelungen der DSGVO - denn die gelten ebenfalls weiter.

ChannelPartner.de: Welche Art von KI-Software sollte das sein?

Rainer Holler: Wir bieten zum einen Software im Bereich Business beziehungsweise Contact Center Communication an. Unter dem Motto "Analysieren. Assistieren. Automatisieren" unterstützen wir unsere Unternehmenskunden unter anderem mit smarten, KI-basierten Assistenten. Mit deren Hilfe erledigen Agenten Kundenanfragen effizienter und schon beim Erstkontakt möglichst fallabschließend. Unser smarter Assistent erstellt beispielsweise auch automatische Call Summaries, ein Riesenvorteil.

Daneben bieten wir Automatisierungsmöglichkeiten wie Chat- und Voicebots an, Lösungen für die Analyse von Interaktionen, zur Wirkung von Sprache, für die Erhebung von Kundenfeedback und vieles mehr. Viele dieser Lösungen eignen sich nicht nur für die effiziente Bearbeitung von Kundenanfragen, sondern auch zur Verteilung, Priorisierung und Bearbeitung anderer Geschäftsprozesse in Unternehmen, beispielsweise in der Sachbearbeitung.

Darüber hinaus stellen wir AI-Technologie in einem breiteren Sinne zur Verfügung, darunter ein AI Gateway. Damit können Unternehmen unterschiedlichste Generative KI-Modelle im Handumdrehen rechtssicher und transparent in einem durch EU AI Act und DSGVO regulierten Umfeld nutzen. Wir machen damit den Einsatz von rechtssicherer KI erheblich einfacher und attraktiver.

ChannelPartner.de: Für welche Kunden?

Rainer Holler: Ich sage mal: Für jeden! Unsere Unternehmenskunden kommen aus allen Branchen, etwa aus der Finanz- und Versicherungsbranche. Wir betreuen zudem Versorger, Online-Händler, Reiseveranstalter, Logistiker, Telekommunikationsanbieter, aber auch Contact Center-Dienstleister. Größentechnisch ist da alles dabei - von KMU bis Konzern.

ChannelPartner.de: Warum sollte die "KI-Software made in Germany" nur in Deutschland gehostet werden?

Rainer Holler: Ganz einfach, weil bei KI neben Themen wie Leistungsfähigkeit und Preis auch Vertrauen, Sicherheit und Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Hier war Deutschland schon immer strenger und damit verlässlicher, das kommt uns nach Inkrafttreten des EU AI Acts zugute. VIER steht nicht ohne Grund für "designed, made and operated in Germany". Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden und Interessenten dieses Versprechen sehr wichtig ist.

ChannelPartner.de: Welche LLMs können an die KI-Software der VIER GmbH angebunden werden? Nur quelloffene Versionen wie LLama oder auch kommerzielle wie ChatGPT? Welche weiteren LLMs eignen sich für die KI-Software von VIER?

Rainer Holler: Eigentlich alle! Wir bieten ein sehr breites Bundle an Möglichkeiten, denn es können sowohl quelloffene als auch kommerzielle LLMs angebunden werden. Derzeit sind das konkret die GPT und Embedding-Modelle von OpenAI - sowohl über Azure als auch über OpenAI, die Gemini- und Embedding-Modelle von Google und die Claude-Modelle von Anthropic.

Auf Kundenwunsch können wir auch weitere Modelle problemlos anbieten. Darüber hinaus werden wir demnächst auch quelloffene Modelle in unseren Rechenzentren hosten.

ChannelPartner.de: Wie verläuft ein typisches KI-Projekt bei Euren Kunden?

Rainer Holler: Alles beginnt mit vielen Gesprächen in Jourfixes über Prozesse, Wünsche und Möglichkeiten, die nach dem Kickoff in ein Konzept münden. Hinzu kommt die Usecase-Analyse, die Einführung der Bot-Persona, die Flow-Erstellung und die entsprechende Einrichtung der Systeme.

Nach der Freigabe durch den Kunden folgen die erste Umsetzung und Anbindung, die Optimierung und jede Menge Tests.

In der letzten Phase optimieren wir den Flow, führen Schulungen durch und gehen dann über ins Go-live. Je nach Umfang und Komplexität dauert das mal kürzer mal länger. Letztlich ist jedes Projekt doch sehr individuell.

ChannelPartner.de: Welchen Nutzen liefert Ihr Euren Kunden mit Eurer KI-Lösung?

Rainer Holler: Es geht klar um Effizienzgewinn, Prozessautomatisierung und -optimierung. Gerade in Krisenzeiten wie jetzt sind diese drei Begriffe wichtige Hebel, wenn es darum geht, im Wettbewerb zu bestehen. KI-basierte Lösungen und AI-Technologie können hier maßgebliche Vorteile bringen, auf die kein Unternehmen verzichten sollte. Sonst verlieren sie den Anschluss.

Kleiner Tipp am Rande: Mit VIER AI Gateway bieten wir eine Lösung an, die den Einsatz von KI erheblich vereinfacht und stressfreie Compliance ermöglicht. Besonders vorteilhaft ist dabei, dass die Unternehmen sich eben nicht um alles selbst kümmern müssen und vielleicht den Überblick verlieren, sondern einfach das Gateway für sich arbeiten lassen.

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ChannelPartner.de: Arbeitet Ihr bei Kundenprojekten auch mit Partnern zusammen?

Rainer Holler: Ja klar! Wir haben zum einen Technologie-Partner, um unsere Lösungen noch breiter aufstellen und anbieten zu können. Und wir arbeiten mit Resale-Partnern zusammen, die zumindest teilweise auch das Consulting übernehmen. An sich legen wir aber Wert darauf, das Consulting selbst zu übernehmen, um Projekte ganzheitlich betrachten zu können und mit unserer Erfahrung Mehrwert für die Kunden zu schaffen.

ChannelPartner.de: Was tun die unterschiedlichen VIER-Partner?

Rainer Holler: Die Technologie-Partner komplettieren unsere Lösung, unsere Resale-Partner vertreiben unsere Lösungen wiederum bei ihren Kunden und erweitern so ihr eigenes Portfolio und unseren Kundenkreis. Als Beispiel sei hier die Telekom genannt: Wir komplettieren deren Portfolio, sodass wir gemeinsam die absolut beste Lösung für den jeweiligen Telekom-Kunden anbieten und platzieren können. Eine Win-Win-Situation, wie sie im Buche steht.

ChannelPartner.de: Welche Art von Partnern braucht Ihr derzeit am dringendsten?

Rainer Holler: Generell sind Technologie-Partner sehr wichtig, damit wir auf diesem wahnsinnig schnelllebigen Markt immer die beste Lösung anbieten können. Kein Anbieter hat auf allen Gebieten gleichzeitig immer die beste Expertise und gerade bei LLMs beispielsweise kommt gefühlt alle paar Tage etwas Neues hinzu.

Resale-Partner wiederum öffnen uns bei vielen Unternehmen die Tür, was für uns sonst mit mehr oder sogar erheblich mehr Aufwand verbunden wäre. Es ist also ein großer Vorteil, dass unsere großen Reseller bei den größten Unternehmen Deutschlands bereits als Bestandsanbieter gelistet sind und sie denen wiederum die beste Lösung anbieten können.

Ganz salomonisch würde ich also sagen, dass Tech- und Resale-Partner uns ebenso dringend brauchen, wie wir die Partner brauchen. Niemand ist eine Insel.

ChannelPartner.de: Was sollten die Tech-Partne für Euch tun?

Rainer Holler: Tech-Partner helfen uns dabei, eventuelle technologische Gaps zwischen unserer Lösung und dem Kundenwunsch zu schließen. Dabei ergänzen sie unsere Lösung um sinnvolle Features oder reichen unsere Lösung mit ihren Produkten an. Die Reseller vertreiben unsere Lösung bestmöglich.

ChannelPartner.de: Welche Voraussetzungen sollten diese Partner mitbringen?

Rainer Holler: Vor allem müssen Tech-Partner eine Lösung anbieten, die sich in unser Ökosystem nahtlos integrieren lässt und unser Portfolio perfekt ergänzt. Idealerweise handelt es sich um eine Whitelabel-Lösung, damit es keinen Bruch aus Sicht des Kunden gibt.

Resale-Partner sollten die Entschlossenheit und Power mitbringen, mit uns gemeinsam Kundenprojekte zu gewinnen und erfolgreich abzuschließen. In Bezug auf unser neues AI Gateway brauchen wir Unternehmen, die Prompt Engineers haben. Es geht darum, dass Unternehmen mithilfe von VIER AI Gateway ihren Einsatz von KI-Lösungen erheblich vereinfachen können - mit voller Rechtssicherheit, Kostentransparenz und Flexibilität in Bezug auf die eingesetzten LLMs. Diese Möglichkeiten sind quasi einmalig, müssen aber auch entsprechend vermittelt werden.

ChannelPartner.de: Gibt es ein festgezurrtes VIER-Partner-Programm, wo diese Details geregelt sind?

Rainer Holler: Jein: Für die Tech-Partner haben wir einen "Technology-Partner-Manager", der für die Evaluierung neuer Partner, die Auswahl bis zur Vertragsunterzeichnung sowie die technologische Einbindung in das VIER-Ökosystem zuständig ist. Er ist das Bindeglied zwischen dem Partner und allen internen Abteilungen. Im Bereich der Resale-Partner gibt es kein festes Partner-Programm, da jeder Reseller anders und individuell betrachtet werden muss. Ansonsten sind wir im engen, permanenten Austausch mit unseren Partnern, denn uns ist es wichtig, sie bestmöglich weiterzuentwickeln und zu unterstützen.

ChannelPartner.de: Wo befindet sich VIER derzeit, und wo wollt Ihr in fünf Jahren sein?

Rainer Holler: Aktuell sind wir ein führender Anbieter für Software für Kundendialog, KI-gestützte Dialogsysteme und den sicheren Einsatz von KI im deutschsprachigen Raum. Wir denken Kundendialog und Kommunikation neu und sind auf dem Weg zur europäischen Alternative für amerikanische Anbieter.

In fünf Jahren sehen wir uns als globalen Vorreiter für intelligente Kommunikation mithilfe von KI-Technologie, VIER AI Gateway und autonomen Agenten.

ChannelPartner.de: Wohin wird sich die KI Deiner Meinung nach in den kommenden fünf Jahren weiterentwickeln?

Rainer Holler: Was unseren Bereich angeht steht für mich fest, dass sich KI weiter in Richtung größerer Autonomie und Integration entwickelt, also hin zu autonomen Agenten.

Ein weiterer wichtiger Trend wird die bessere Interaktion zwischen Mensch und Maschine sein. KI wird menschliches Verhalten und Sprache noch besser verstehen und darauf reagieren können, was die Zusammenarbeit nahtloser und natürlicher macht.

Zusätzlich wird die Fähigkeit der KI, große Datenmengen zu analysieren und verwertbare Erkenntnisse daraus zu gewinnen, weiter zunehmen. Dies führt zu besseren Vorhersagen und Entscheidungen. Gerade deswegen wird aber die Einhaltung regulatorischer Anforderungen eine wachsende Rolle spielen.

Denn KI-Systeme müssen nicht nur leistungsfähig, sondern vor allem auch vertrauenswürdig sein. Das zu erreichen und dauerhaft zu sichern, wird die vielleicht schwierigste Aufgabe von allen sein.

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