Im vergangenen Jahr hat sich der Storage-Distributor Bell Microproducts aufgemacht, das europäische Festland zu erobern. Sechs europäische Länder standen auf dem Plan: In Italien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Spanien und Deutschland sollte Volumengeschäft im großen Stil aufgebaut werden. Das hat so weit auch ganz gut geklappt. "Wir haben unseren Umsatz auf dem europäischen Festland von null auf 150 Millionen Dollar gesteigert", berichtet David Spate, Vertriebsleiter Europa im Gespräch mit ComputerPartner.
Lediglich die Einführung in den deutschen Markt läuft bislang nicht, wie sich Bell Micro das vorgestellt hat. Damals wurde gemunkelt, dass Bell Micro den deutschen Markt mit "irrwitzigen Preisen" hatte aufmischen wollen. Die Niederlassung sollte in München angesiedelt werden. Ein Büro in der Landsberger Straße wurde angemietet. Zuständig für die Niederlassung war die Europa-Managerin Claudia Hesse, die auch mit der Suche nach einem geeigneten Deutschland-Geschäftsführer beauftragt war (siehe ComputerPartner 10/01, Seite 32).
Heute fungiert das Büro in München als reines Vertriebsbüro. Claudia Hesse ist nicht mehr bei Bell Micro. "Claudia Hesse hat das Unternehmen im Juli verlassen", so Spate. Auch einen Geschäftsführer gibt es nach wie vor nicht, und die Pläne für Deutschland sind derzeit auf Eis gelegt. "Uns wurde ziemlich bald klar, dass unsere Wettbewerber im Moment alle zu kämpfen haben. Wir haben keinen Bedarf nach Verlusten, und so lassen wir uns mit dem deutschen Markt Zeit", erklärt Spate. Abgehakt hat Spate den deutschen Markt aber nicht. "Wir beobachten die Entwicklung. Sobald wir einen Aufschwung bemerken und der Meinung sind, dass er von Dauer ist, dann werden wir aktiv. Vielleicht ist es ja schon im vierten Quartal dieses Jahres soweit. Man wird sehen", führt der Bell-Manager aus. Bis dahin beschränkt sich das Geschäft von Bell Microproducts in Deutschland auf einige wenige gute Kunden, die vom Vertriebsbüro in München aus betreut werden.
Das Lösungsgeschäft des Distisnimmt hingegen klare Züge an. Im Jahr 2001 hat Bell Microproducts den Spezialdistributor "Touch the Progress" (TTP) übernommen. Seit Juli ist TTP vollkommen in Bell Micro integriert und wird in den nächsten Wochen auch als Bell Microproducts Solutions GmbH auftreten. Lediglich der Eintrag ins Handelsregister fehlt noch. Mit dem Volumengeschäft hat die Solutions-Division außer dem Namen nicht viel zu tun. Diese Zweiteilung gehört zur Strategie der Bell Microproducts, die CEO und President Don Bell schon seit einiger Zeit verfolgt.
Komponenten-Graumarkt so aktiv wie noch nie
Dass diese Strategie sinnvoll ist, zeigen auch die Zahlen des vergangenen Quartals. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres meldeten die Kalifornier einen Umsatz von 497 Millionen Dollar. Das sind neun Prozent mehr als im Vergleichquartal ein Jahr zuvor. Der Nettoverlust belief sich allerdings auf 6,1 Millionen Dollar inklusive Sonderkosten. "Im zweiten Quartal hatten wir zwar mehr Umsätze als im Vorjahr. Aber sie waren doch geringer als erwartet - und das in allen Regionen", bedauerte Bell bei Bekanntgabe der Zahlen. "Vor allem die Komponenten haben nachgelassen. Die Nachfrage bei Storage-Systemen und Fibre Channel hat hingegen angezogen. Und das Lösungsgeschäft macht etwa 45 Prozent des gesamten Umsatzes aus." Die schwache Komponenten-Nachfrage führt Bell auch auf den Graumarkt zurück: "Der graue Markt ist zurzeit so aktiv wie noch nie in den vergangenen Jahren", beklagt er und ergänzt: "Das führt zu heftigen Preiskämpfen."
Dennoch ist er optimistisch: "Erfahrungsgemäß ist das zweite Quartal immer das schwächste im ganzen Jahr und das vierte ist das umsatzstärkste. Wir gehen davon aus, dass wir im dritten und vierten Quartal gute Geschäfte machen. Im zweiten Halbjahr wird wahrscheinlich auch der Graumarkt weniger aktiv sein." Auch in Zukunft werden die Solutions einen großen Anteil am Geschäft des Storage-Distis haben. In diesem Bereich wird man von Bell Microproducts auch in Deutschland noch einiges zu hören bekommen.
ComputerPartner-Meinung:
Auf einen Markt zu verzichten, wenn die Mitbewerber rote Zahlen schreiben, ist aus unternehmerischer Sicht nur vernünftig. Zumal es Bell Microproducts trotz steigender Umsätze nicht so gut geht, dass sich der Disti auf einen schwierigen Markt wie Deutschland einlassen könnte. Wenn es darum geht, sich bei den deutschen VARs und Systemhäusern einen Namen zu machen, dann reicht der Weg über die Lösungen erst einmal vollends aus. (gn)