Philippe, als Kind wolltest Du ein "Daniel Düsentrieb", also ein genialer Erfinder werden, hat sich Dein Traum verwirklicht?
Philippe Sahli, CEO bei Yokoy: Ja, das hat er sich. Gemeinsam mit meinen Mitgründern und dem gesamten Yokoy-Team gehe ich ein weltweit verbreitetes Problem mit Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) an: die manuelle und papierbasierte Verarbeitung von Belegen, Lieferantenrechnungen und Kartentransaktionen, also die Kreditorenbuchhaltung. Wir digitalisieren nicht "nur", sondern wir automatisieren die Verarbeitung der genannten Dokumente bis zur korrekten Finanzbuchung im ERP-System.
Im hauseigenen KI-Labor forschen unsere Experten zudem an KI-Modellen, die basierend auf allen bereits verarbeiteten Daten und historischen Aktionen (wie beispielsweise dem Ablehnen eines Spesenbelegs) die Automatisierung des Ausgabenmanagements noch weiter vorantreiben. Bei Yokoy erhält jeder Kunde eine Software-Lösung, die basierend auf den Daten der Kunden lernt und sich kontinuierlich verbessert.
Die "Automatisierung der Kreditorenbuchhaltung" mag zwar nicht sehr "sexy" klingen, allerdings haben wir mit Yokoy nicht nur auf einzelne Unternehmen eine große Auswirkung, sondern insgesamt auf die Wirtschaft: Wir automatisieren Prozesse, die in der Finanzabteilung eines jeden Unternehmens zu finden sind, identifizieren Einsparpotenziale und schaffen insgesamt mehr Transparenz über den Geldfluss, so dass darauf basierend Entscheidungen getroffen werden können.
Durch Euren TV-Auftritt in der Schweizer Ausgabe der "Höhle der Löwen" seid Ihr einem größeren Publikum bekannt geworden, mit der Finanzierung durch einen in der Sendung mitbietenden Investor hat es aber nicht geklappt, warum eigentlich?
Philippe Sahli, Yokoy: Im Rahmen einer Finanzierungsrunde spricht man mit vielen Investoren und versucht hierbei, eine Kombination an Geldgebern zu finden, die das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt am besten unterstützen können. Bei der Seed-Finanzierungsrunde haben wir uns damals für eine Kombination aus Swisscom Ventures, SIX Fintech Ventures und vier privaten Angel-Investoren entschieden. Wir sprechen weiterhin mit den Investoren aus "Die Höhle der Löwen" - genannt "Löwen" - und schätzen die Beziehung zu ihnen sehr.
Der TV-Auftritt war auch neben dem Kennenlernen der Löwen sehr erfolgreich für Yokoy. Die Sendung wurde von über 50.000 Personen live mitverfolgt oder später im Internet geschaut, was marketingtechnisch unser erster großer Auftritt war. Im Laufe der Zeit haben wir uns dann hinsichtlich Investoren globaler ausgerichtet und - auch dank sehr starken Wachstumszahlen - bekannte Investoren wie Balderton Capital aus London und Sequoia Capital aus Amerika gewonnen, die unter anderem in Fintechs und Softwarefirmen wie Revolut und Zoom investiert haben.
Mittlerweile habt Ihr ja mehrere Finanzierungsrunden hinter Euch gebracht und insgesamt über 100 Millionen Dollar an Kapital eingesammelt. Wofür wollt Ihr das Geld verwenden?
Philippe Sahli: Das Geld setzen wir primär für unser Wachstum ein. Hierbei spielt das globale Wachstum eine große Rolle, wo auch unsere Partner ein wichtiger Teil der Strategie sind: Die richtigen Partner zu finden, zu schulen und mit ihnen eine langfristige, nachhaltige Zusammenarbeit zu etablieren, ist einer der wichtigsten Fokusbereiche unseres Expansionsplans. Unser Partner-Team wächst im Moment jährlich über 100 Prozent, damit wir unsere Partnerschaften in allen relevanten Märkten, Industrien und Fachgebieten gut bedienen können. Dazu haben wir erst gerade ein komplett neues Partnerportal lanciert, um den Informationsaustausch noch schneller und regelmäßiger zu gestalten.
Ein weiterer wichtiger Teil ist unser Produkt und die Technologie dahinter. Wir bauen beispielsweise unser hauseigenes KI-Forschungslabor aus, welches ausschließlich an KI-Modellen für Kunden und auf einer anonymisierten Basis auch kundenübergreifend forscht. Dies mit dem Ziel, unseren Kunden auch künftig die innovativste Lösung für die Automatisierung der Kreditorenbuchhaltung zu bieten. Wir ruhen uns nicht auf dem Erfolg der Vergangenheit aus, denn das kann in einer solch schnelllebigen Industrie fatal sein.
In der Zwischenzeit seid Ihr nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich, Deutschland und in den Niederlanden vertreten. Wie sehen Eure weiteren Expansionspläne aus?
Sahli: Yokoy wird primär von global tätigen Unternehmen eingesetzt. Deshalb haben wir unsere Lösung bereits in über 60 Ländern (von Amerika bis nach China) implementiert. Vertrieben wird unsere Lösung zur Zeit jedoch hauptsächlich in Europa. Wir haben neben den erwähnten Büros auch unseren europäisches Hub in Amsterdam eröffnet. Europäische Länder, in denen wir keine physische Präsenz haben, werden aus diesem Hub in der entsprechenden Sprache bedient.
Yokoy steht für automatische Reisekostenabrechnung. Lassen sich mit Eurer Software diese zum Teil komplizierten Transaktionen wirklich eindeutig überprüfen und Fehler vermeiden?
Sahli: Ja, denn mittlerweile ist längst bewiesen, dass künstliche Intelligenz gerade bei systematischen Abgleichen zuverlässigere und genauere Entscheidungen treffen kann, als wenn diese Abgleiche manuell stattfinden. Das heißt, ist die entsprechende Logik einmal hinterlegt, werden komplexe Fälle automatisch exakt berechnet. Durch den hohen Automatisierungsgrad erlangt man nicht nur eine Effizienzsteigerung und eine Reduktion der Fehleranfälligkeit, sondern auch mehr Sicherheit und Kontrolle über die Finanzprozesse. Für die Prüfung von uneindeutigen Fällen oder Ausreißern kann eine (erwünschte) menschliche Überprüfung stattfinden.
Beim Verkauf Eurer Lösung setzt Ihr immer stärker auf Vertriebs- und Technologie-Partner. Welche Partner sind Euch die Liebsten?
Sahli: Für uns ist es zentral, dass unsere Partner dieselbe Zielgruppe adressieren wie wir, also mittlere bis große Unternehmen. Zudem ist es wichtig, dass auch die Partner Business- bzw. Finanzprozesse abbilden.
Welche Voraussetzungen müssen Partnerunternehmen mitbringen, um mit Euch zusammenarbeiten zu können?
Sahli: Idealerweise sind das Partner, die im ERP-Umfeld (SAP, Oracle Netsuite, MS Dynamics oder Sage) unterwegs sind oder bei denen Themen wie Travel, VAT ("Value Added Tax", Steuerberater, Anm. d. Red.), HR, Digitalisierung und Automation Teile ihres Portfolios sind. Größere Unternehmensberatungen sind beispielsweise besonders bei Implementierungs- und Change Management-Prozessen die richtigen Partner.
Eure gerade neu gegründete "Yokoy Academy" hilft auch Partnern, sich mit Eurer Lösung vertraut zu machen, oder?
Sahli: Ja, ganz richtig. Die Yokoy Academy unterstützt nicht nur unsere Kunden, sondern hilft uns zudem dabei, unsere Partner in der Technologie sowie im Sales-Prozess zu schulen.
Das wäre der technische Support, inwieweit unterstützt Ihr Eure Partner auch vertrieblich?
Sahli: Neben der Academy nutzen wir zudem Impartner als PRM-Plattform, über die wir auch den vertrieblichen Support zur Verfügung stellen. Über diese Plattform wickeln wir Sales-Zertifizierungen ab und stellen unseren Partnern zudem unterstützende Dokumente wie White Papers oder Slide Decks zur Verfügung.
Welche Rolle spielt dabei der "Yokoy Marketplace" / "Yokoy Ecosystem"?
Sahli: Unser Yokoy Marketplace bildet nicht nur unsere Commercial Partner ab, sondern wir haben dort auch die Möglichkeit, unsere Technology Partner aus den Branchen Travel, VAT und HR mit deren API-Anbindungen aufzuzeigen. Somit sehen unsere Kunden auf einen Blick, welche Möglichkeiten Yokoy ihnen bietet.
Im Zuge der Weiterentwicklung Eures Partnerprogramms habt Ihr bei Euch - wie vorhin schon erwähnt - neue Systeme (Salesforce, PRM-System) eingeführt. Wie profitieren Eure Partner davon?
Sahli: Neben der Channel-Management-Plattform Impartner war die Umstellung zu Salesforce ein sehr wichtiger Schritt für uns. Im Hinblick auf unser schnelles Wachstum sind präzise Berichte unabdingbar, aus denen wir entsprechende Schlüsse ziehen und Prognosen stellen können. Daher auch die Integration von Impartner zu Salesforce. Hierdurch haben unsere Partner die Möglichkeit, Leads anzumelden, und wir können so auch die Zusammenarbeit bzw. Unterstützung unseres Sales-Teams mit den Partnern sicherstellen.
Bis Ende 2022 wollt Ihr ein Fünftel Eurer Gesamtumsätze über den Channel abwickeln, ist das realisierbar?
Sahli: Ja, das ist realisierbar und sogar eher eine zurückhaltende Prognose. Bereits vor der Besetzung unseres Partner-Teams haben wir begonnen, vorwiegend in der Schweiz mit bedeutenden Referral Partnern zusammenzuarbeiten. Bereits 2021 haben wir 21 Prozent unseres Umsatzes durch Partner generiert. Mit dem Fokus auf Reselling Partner seit Anfang 2022 und den vielen Leads, die wir seit Beginn des Jahres bekommen haben, ist dieses Ziel absolut erreichbar.
Welche weiteren Lösungen wollt Ihr noch entwickeln?
Sahli: Ausgabenmanagement umfasst eine Reihe an Prozessen, für die wir bereits leistungsstarke Lösungen anbieten. Die Art und Weise, wie Unternehmen Rechnungen abwickeln, bietet noch großen Innovationsspielraum, da Unternehmen bisher stark an Insellösungen gebunden waren. Die Integration eines Zahlungsmittels in das Ausgabenmanagement bietet hier vor allem Möglichkeiten, die sich weitaus mehr an den Anforderungen eines Unternehmens ausrichten, als es herkömmliche Zahlungsmittel bisher tun.
Welche Verbesserungen in Eurer Software stehen derzeit auf Eurer Agenda?
Sahli: Mit der Einführung unseres voll integrierten Invoice-Moduls bieten wir eine umfassende Enterprise-Invoice-Automation-Lösung an, die für reibungslose Prozesse rund um die Kreditorenbuchhaltung sorgt. Darüber hinaus verbessern wir laufend unsere User Experience und steigern so die intuitive Nutzung unserer Plattform und stellen zudem eine nahtlose Einbindung neuer Funktionalitäten sicher.