Rund 2.700 Gäste lockten die Bechtle Competence Days dieses Jahr an den Hauptsitz des Unternehmens nach Neckarsulm - ein neuer Rekordwert in der Geschichte dieser Veranstaltung. "Es ist ein Bechtle-Kompetenz-Event, kein Hersteller-Event", wie Gastgeber und Vorstand Michael Guschlbauer betont. Das könnte den wachsenden Zulauf erklären. Denn der Rundgang durch den Ausstellungsbereich und das hochkarätig bestückte Vortragsprogramm verdeutlichten einmal mehr: Dieses grundsolide, auf den ersten Blick manchmal fast etwas bieder anmutende Unternehmen hat sich - ganz schwäbisch unaufgeregt - radikal transformiert.
Die Kunst des richtigen Zeitpunkts
Es ging fast so leiste vonstatten, wie sich Bechtle erst vor wenigen Jahren vom Krawattenzwang löste - zu einem Zeitpunkt, als es längst nicht mehr hip war, sie fallen zu lassen. Doch dieser äußere Schein sollte nicht täuschen: Was die Aufmerksamkeit und Pionierarbeit für neue Technologien und Geschäftsmodelle anbelangt, hatte Bechtle immer ein scharfes Bewusstsein für die dazu nötigen Strukturen und Systeme und ein kaufmännisch sehr sensibles Gespür für den richtigen Zeitpunkt, um ein neues Thema in der Breite auszurollen. So auch jetzt.
Wie die Krawatte zu einem Zeitpunkt fiel, als dies längst kein revolutionärer Akt mehr war, so rollt die "Bechtle Clouds GmbH" jetzt auf den Markt - zu einem Zeitpunkt, an dem dies längst keine revolutionäre Nachricht mehr sein kann. Also zu spät? Nein. Nur eben leise - aber mit Power. Denn Private Cloud Lösungen bietet Bechtle seit vielen Monaten an - und der Prozess zur Entwicklung der "Bechtle Clouds GmbH" startete bereits vor zwei Jahren.
Jetzt aber haben sich auch die Architekturen und Technologien in der Public Cloud konsolidiert. Im Business-Umfeld geben hier der Microsoft-Azure-Stack und Open-Stack weitgehend den Ton an. Damit sind wichtige Voraussetzungen geschaffen, um unterschiedlichste Formen von Private-Architekturen mit Public-Services zu kombinieren. Entsprechend war die neue "Clouds GmbH" auf den Competence Days eines der großen Highlights.
Das Marktforschungsunternehmen Gartner erwartet, dass auch das traditionelle Data-Center-Outsourcing zurückgeht zugunsten von Cloud- und industrialisierten Services und rechnet mit einer massiven Marktverschiebung hin zu hybriden Infrastruktur-Services. In einem aktuellen Report prognostiziert Gartner, dass die Ausgaben für Cloud, Hosting und traditionelle Infrastruktur-Services bis zum Jahr 2020 in etwa gleichauf liegen werden.
Bechtle wird Multi Cloud Provider
Die neu gegründete "Bechtle Clouds GmbH" verknüpft nun Bechtles bestehendes Private Cloud Portfolio mit Public Cloud Services. "Wir positionieren uns als Multi-Cloud-Provider", erklärt Bernd Krakau, Senior Director Business Development IT Services bei der Bechtle Systemhaus Holding. Entscheidend sei dabei, dass der Kunde immer die komplette Kontrolle behält - auch die Kostenkontrolle, egal welche Kombination und welche Anbieter er wählt.
Grundlage der neuen Cloud-Services bildet das bei E-Shelter angesiedelte Datacenter in Frankfurt (mit 148 Racks), das mit dem Bechtle-Rechenzentrum in Rüsselsheim (mit 50 Racks) aktiv verbunden ist und direkte Verbindungen zu den Angeboten der Hyperscaler Microsoft, Amazon Web Services und Google gewährleistet. "Wir haben damit eine Rampe für unsere Zukunft gebaut", sagt Bechtle-CIO Harald Weickert.
- Das Bechtle Cloud Portfolio im Überblick
Das Portfolio umfasst Private Cloud, Public Cloud und Bechtle Business Cloud Services. Die Angebote können Kunden über ein zentrales Portal beziehen, managen und abrechnen. Noch 2017 soll auch eine direkte Verbindung zum eCommerce-Shop möglich sein. - Bechtle Private Cloud
Hier werden klassische On-Premise-Services angeboten, wie der Aufbau und Betrieb der Private Cloud beim Kunden vor Ort sowie Remote-Wartung und Betrieb in Zusammenarbeit zwischen den Systemhäusern und Bechtle Hosting & Operations. Off-Premise wird der Betrieb der Private Cloud des Kunden im Bechtle Datacenter mit dedizierter, kundenindividueller IT-Infrastruktur geliefert oder virtuell auf der „Bechtle Shared Computing Infrastructure“ (BSCI). - Bechtle Public Cloud
Sie umfasst dynamisches Cloud-Brokerage sowie die Koordination und Kombination unterschiedlicher Cloud-Services für individuelle Kundenbedürfnisse vollautomatisch über die Cloud-Plattform. Das Portfolio umfasst viele Services, die für Mittelständler heute relevant sind, so zum Beispiel Microsoft Office 365, Azure und andere. - Bechtle Business Cloud
Sie umfasst heute ca. 20-30 “paketierte” Dienste von Technologiepartnern, aber auch eigen entwickelte Services, zum Beispiel Backup / DR as a Service, Sorage aaS, Workplace aaS. Die Wertschöpfung durch Virtual Private Cloud, Cloud-Brokerage und eigene/veredelte Cloud-Services erfolgt dabei über die vollautomatisierte Cloud-Produktion aus dem Datacenter in Frankfurt. Sie umfasst neben der Bechtle Shared Computing Infrastructure (BSCI) die Cloud Automation & Provisioning Engine (CAPE), das Cloud-Portal und die Billing-Engine. Dabei bleiben die Kundenansprache, -verwaltung und -abrechnung obligatorisch in der Verantwortung von Bechtle. Der Rechnungsabsender ist stets die regionale Vertriebseinheit.
Eine Bezugsquelle für alle Dienste
Die Firmendevise "IT aus einer Hand" fortschreibend, verzahnt Bechtle jetzt alle drei Dimensionen der IT-Bereitstellung über ein vollautomatisiertes Cloud-Portal. Es erlaubt dem Kunden, Public Clouds, Private Clouds jeder Ausprägung (Managed Private Cloud, Managed On Premise, Hosted Private Cloud etc.) und Bechtle-eigene Dienste, beispielsweise Backup und Disaster Recovery oder deutschsprachigen Service Desk Support, direkt und bedarfsgerecht zu beziehen, individuell zu konfigurieren, zu managen und auf Basis einer konsolidierten Rechnung zu bezahlen. "Man kann sich das vorstellen wie einen Konfigurator für Autos", bringt Krakau das Modell auf den Punkt. Über das Portal lassen sich außerdem die Betriebsmodelle für einzelne Workloads sehr einfach wechseln.
Eines der für Anwender leidigsten Themen stemmt dabei Bechtle: "Wir übernehmen für den Kunden in den meisten Fällen die kompletten Vertragsverhandlungen und die Preisfindung mit den Technologiepartnern ebenso wie die juristische und datenschutzrechtliche Absicherung über die Auftragsdatenverarbeitung, die ADVs, und Datenschutzvereinbarungen. Denn sonst müsste der Kunde mit sechs, sieben oder mehr Providern selbst verhandeln - das ist extrem aufwändig und zeitintensiv", führt Krakau aus. "Diesen Service leisten wir im Hintergrund für den Kunden".
Inkludiert sind zudem umfassende Beratungsleistungen für alle Phasen eines hybriden Cloud-Projekts. Dazu zählt unter anderem im Vorfeld die Beratung rund um die grundlegende, betriebswirtschaftliche Bedarfs- und Kostenanalyse, der Entwurf der IT-Architektur, die Auswahl des passenden Cloud-Modells für die jeweiligen Prozesse, die Definition der Roadmap bis hin zur Integration der Lösung - sowohl auf technischer Ebene als auch in der Organisation des Kunden.
Abgebildet wird diese Beratung bei Bechtle im ersten Schritt durch die Business Architekten, im Anschluss durch den Solution Manager, und am Ende das Management durch den Service Manager. "Die Welt wird für den Kunden komplizierter und was wir versuchen, ist, dem Kunden diese Komplexität und die Intransparenz des Marktes abzunehmen", so Guschlbauer. "Wir sehen uns in der Verantwortung, für den Kunden das Wunder der Integration zu leisten."
eCommerce und Cloud Shop werden verzahnt
Diesem Integrationsauftrag folgt Bechtle künftig auch bei seinem digitalen Auftritt: Der eCommerce-Bereich soll noch 2017 komplett überarbeitet und im Zuge dessen eine Verbindung zwischen eCommerce-Shop und Cloud-Portal hergestellt werden. Damit können Kunden künftig alle Produkte - vom Verbrauchsmaterial bis hin zu Public-Cloud-Ressourcen - über eine zentrale Bezugsquelle beziehen und abrechnen.
"Der Wohlfühlcharakter für den Kunden wird entscheidend dafür sein, ob man im Cloud-Geschäft erfolgreich sein wird. Das heißt, auch ein Cloud-Portal muss für den Anwender Spaß machen", so Krakau. Die Beratung im Vorfeld und die nachgelagerten Services sind neben der Nutzerfreundlichkeit des Portals und der Breite des Portfolios für Bechtle entscheidende Punkte, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. "Kunden konnten auch in der Vergangenheit bei uns Produkte kaufen, die es auch bei anderen Anbietern gab. Das wird auch in Zukunft nicht anders sein", erklärt Guschlbauer. "Wir haben keinen absoluten USP. Aber wir werden alles daransetzen, unsere Leistungen immer einen Tick besser, zuverlässiger, bodenständiger zu erbringen, einen Tick näher am Kunden zu sein als unsere Wettbewerber."
Innovation und Startup-Mindset strategisch verortet
Die Schlagkraft des Unternehmens, die sich aus der Kombination von zentralem Backoffice und eigenständig agierenden Kompetenzzentren ergibt, fährt das Unternehmen jetzt auch beim Thema Cloud voll aus. Fragen wie: "Sollen wir ein Innovation-Lab einrichten, um Innovationen im Unternehmen zu fördern? Oder sollen wir Startups zukaufen?" musste sich Bechtle vermutlich nie stellen. Denn die weitgehend selbstständig agierenden Kompetenzzentren erwiesen sich schon immer als experimentierfreudig und loteten frühzeitig neue Technologien in der Tiefe aus.
Obendrein waren Zukäufe innovativer, junger Nischenspezialisten von Anfang an Teil der Bechtle Unternehmens- und Wachstumsstrategie. Damit schufen sich die Schwaben bundesweit schon verteilte "Inkubations"-Zentren, als die Begriffe "Innovations-Kultur" und "Inkubatoren" noch gar nicht zum gängigen Branchenvokabular zählten. Konsequenterweise schließt Guschlbauer künftig auch Kooperationen oder Übernahmen von spezialisierten Service Providern oder Agenturen, die zunehmend ins Cloud-Geschäft einsteigen, nicht aus.
Ein weiteres Beispiel ist das Thema Blockchain. Noch ist es bei Bechtle nicht sichtbar. Doch selbstverständlich arbeitet eines der Kompetenzzentren - in diesem Falle Köln/Bonn - bereits an ersten Pilotprojekten. Ganz in Startup-Manier. Zugegeben: Startup klingt sexy, Kompetenzzentrum wirkt da eher schwerfällig. Das soll aber nicht heißen, dass hier keine sexy Dinge entwickelt werden - so wie umgekehrt in der fraglos hoch innovativen Startup-Szene auch oft heiße Luft zirkulieren kann.
"Wir beobachten sehr genau, was im Bereich Blockchain passiert", sagt Guschlbauer. "Aber wir werden erst dann in der Breite damit starten, wenn die Technologie wirklich geschäftsfähig ist - und wir erkennen, wann der Zug losfährt."
Den gewünschten Reifegrad erreicht haben für Bechtle ganz klar die Themen Future Workplace, Collaboration und Internet of Things. Hier stellte das Unternehmen auf den Competence Days zahlreiche bereits umgesetzte Projekte und Lösungen vor. Viele davon - unter anderem das Augmented-Reality Projekt mit SAP - setzt das Unternehmen als Pilotkunde selbst ein und ist damit oft selbst Referenzkunde für die eigenen Kunden.
Collaboration is King
Das Thema Collaboration, für das auf der Messe unterschiedlichste Anwendungen präsentiert wurden, beschäftigt das Unternehmen nicht nur aus technologischer Sicht. "Unsere Welt ist hybrid", konstatiert der Bechtle-Vorstand, "Unsere Zeit ist geprägt von Widersprüchen, vom Umgang mit Widersprüchen und von der Nutzung kollektiver Intelligenz. Das 'Oder' wird ersetzt durch das 'Und'. Die Kunst liegt darin, die Intelligenz und die Kompetenzen aller beteiligten Parteien zu vernetzen - zwischen Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten - und daraus Nutzen zu generieren. Weil keiner mehr alles alleine schaffen kann."
Das gelte für Bechtle selbst, aber auch für deren Kunden. IT bildet dafür die Schnittstelle. "IT stiftet heute in einer Form Nutzen, wie wir ihn in der Vergangenheit so nicht kannten", zieht Guschlbauer Bilanz. "Ich habe es selten erlebt, dass man mit so vielen Ansprechpartnern beim Kunden - mit CIOs, CEOs, Fachbereichsvertretern - sprechen kann, weil sich alle für IT interessieren."
Seine Überzeugung, dass Kunden in den kommenden drei bis vier Jahren noch stärker in hybride Infrastruktur investieren und - auch ermöglicht durch diese Basis - ihre Vernetzung mit Partnern und Kunden weiter fördern werden, teilt auch Roland König, der bei Bechtle das Kompetenzzentrum Geschäftsfeld Virtualisierung leitet. Er ist überzeugt: "Die Dynamik in der Zusammenarbeit von Unternehmen, die bislang oft noch nie Partnerschaften mit anderen Unternehmen eingegangen sind, wird enorm zulegen."