"Go Build" lautete das Motto des diesjährigen AWS Summit 2018 in Berlin - und der Name war tatsächlich Programm: Statt sich mit den Einschränkungen von physikalischer Infrastruktur oder den damit verbundenen Kosten herumzuschlagen, sollen Unternehmen jeder Größe, vom Startup bis zum etablierten Großkonzern lieber Dienste aus der Amazon-Cloud nutzen und sich auf die eigentlichen Projekte rund um neue Themen wie IoT, KI oder Machine Learning konzentrieren.
Auf der zweitägigen Veranstaltung hatten die Besucher dazu in knapp 120 Breakout-Sessions die Möglichkeit, sich durch Einführungskurse, Produktdemos, Workshops und Use-Cases von AWS-Experten und -Kunden detailliert über die Angebotspalette und neu hinzugekommene Funktionen zu informieren. Informationsbedarf gab es dabei wohl mehr als genug. Wie Klaus Bürg, Managing Director von AWS Germany, in der Keynote am ersten Tag erklärte, veröffentlichte AWS in 2017 1430 neue signifikante Features und Services.
Richtige Produktankündigungen fanden auf dem AWS Summit selbst nicht statt - diese gibt es üblicherweise nicht auf den regionalen Events, sondern auf der jährlichen Entwicklerkonferenz re:Invent. In Berlin gab der Veranstalter jedoch die Verfügbarkeit neuer Dienste in der Frankfurt-Region und andere regional wichtige Veränderungen bekannt.
VMware Cloud on AWS
Als wohl wichtigste Ankündigung des Summit gilt, dass Kunden VMware Cloud on AWS jetzt auch aus einem AWS-Rechenzentrum in Frankfurt nutzen können. Der Service wurde bereits seit März vom Standort London aus bereitgestellt - durch die nun hinzugekommene Bereitstellung des Services in Deutschland profitieren Nutzer nicht nur von einer niedrigeren Latency, sondern müssen sich auch um DSGVO und drohenden Brexit keine Sorgen machen. Bei VMware Cloud on AWS werden VMware-Instanzen 1:1 auf Bare-Metal-Hardware von AWS abgebildet, somit können Unternehmen ihren kompletten VMware-Software-Stack auch in der Amazon-Cloud betreiben.
Nachdem 90 Prozent der Rechenzentren VMware-Instanzen im Einsatz haben, seien die Erwartungen bezüglich der Nachfrage auf Seiten der Kooperationspartner VMware und AWS entsprechend hoch, erklärte Christian Gehring, Pre-Sales Director Germany bei VMware, in einem Pressegespräch. Zumal es zahlreiche Szenarien gibt, in denen der Einsatz von VMware Cloud on AWS Sinn mache: So könnten Unternehmen im Zuge einer Cloud-Strategie nun auch ihre Legacy-Anwendungen migrieren und sogar für KI/ML und Big-Data-Analysen nutzen. Auch Disaster Recovery sei mit AWS kostengünstiger umzusetzen, als über schlafende VMs in einem zweiten Rechenzentrum. Der VMware-Manager wies außerdem darauf hin, dass Kunden über den Dienst auch mit Hilfe von VMware Horizon digitale Arbeitsplätze aus der Cloud bereitstellen könnten, diese würden dann per Knopfdruck weltweit deployed.
AWS-Geschäftsführer Bürg ergänzte, dass es sich bei dem in Co-Engineering von VMware und AWS entwickelten Dienst um das einzige Angebot dieser Art auf dem Markt handle. Die beiden Partner reagierten damit auf die Tatsache, dass die Unternehmen sich mittlerweile beim Thema Cloud nicht mehr mit dem Ob, sondern mit dem Wie beschäftigten. AWS wolle Kunden auf dem Weg begleiten, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände.
Ebenfalls direkt aus dem AWS-Rechenzentrum der Frankfurt Region kann nun auch AWS Sumerian genutzt werden, ein Editor für die Erstellung von AR- und VR-Szenarien ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse. Sumerian war zuvor bereits schon über die AWS-Standorte in Irland und London verfügbar. Damit habe die Ankündigung eigentlich nur Relevanz für Kunden mit Use-Cases, in denen die Latenzzeit eine wichtige Rolle spielt, räumte Constantin Gonzalez, Solutions Architect bei Amazon Web Services ein.
Zum Summit gab es außerdem die Ankündigung, dass der Amazon Elastic Container Service for Kubernetes (Amazon EKS) nun offiziell freigegeben worden sei. Mit Amazon EKS können Kunden Kubernetes-Anwendungen als vollständig verwalteten Service auf AWS betreiben. Amazon stellt dazu eine Architektur bereit, die die Kubernetes-Management-Infrastruktur automatisch über mehrere AWS Availability Zones hinweg betreibt, um so einen Single Point of Failure zu vermeiden. Dabei erkennt und ersetzt Amazon EKS automatisch defekte Knoten und übernimmt das Patch- und Upgrade-Management für die gesamte Verwaltungsinfrastruktur. AWS EKS ist zunächst nur für die Regionen US East und US West verfügbar. Die Verfügbarkeit soll jedoch schnell ausgeweitet werden, versprach der Anbieter.
Für verschiedene Branchen außerdem nicht ganz irrelevant ist etwa, dass ab 1. Juli nicht mehr die US-Company selbst, sondern Amazon Web Services EMEA SARL offizieller Vertragspartner von Kunden in Deutschland ist, laut Bürg fallen damit die Verträge unter EU-Recht.
KI-Modell für einen Dollar
Neben den zahlreichen Hands-On-Sessions waren die vorgestellten Use-Cases von Firmen wie Flixtek, Otto, BMW Group, Deutsche Börse oder OLX Highlights der Veranstaltung. So ist zwar allgemein bekannt, dass zahlreiche Großunternehmen aufgrund der höheren Flexibilität und der niedrigeren Anschaffungs- und Unterhaltungskosten gegenüber On-Premise-Software und -Servern inzwischen AWS-Kunden sind - in Deutschland sind das laut Anbieter inzwischen mehrere zehntausend Firmen, darunter 80 Prozent der Dax30-Unternehmen. Weniger verbreitet ist, wozu sie AWS-Dienste nutzen und welche Erfolge sie damit erzielen. So konnte etwa der Video-on-Demand-Anbieter Maxdome seine Streaming-Kosten mit dem Umzug auf AWS um 60 Prozent senken und die Ausgaben für das Backup sogar um 90 Prozent reduzieren.
SKF wiederum nutzt die AWS-Cloud (unter anderem) für ein IoT- und Data-Science-Projekt bei einem Kunden in der Automobilindustrie. Um in Echtzeit den Verschleiß in den Leitschienen, die zum Transport der Fahrzeuge dienen, bei der Montage zu erkennen, entwickelte der Lagerspezialist ein KI-Modell und trainierte es mithilfe von Bildern von defekten Laufflächen und dem Deep-Learning-Framework MXNet in der AWS-Cloud, bevor das Analyse-Modell dann vor Ort auf einem Edge-Device eingesetzt wurde. Wie Jens Greiner, Manager IoT Development bei der SKF GmbH, ausführte, dauerte die Zeit für die Klassifizierung der Objekte nur wenige Stunden, die Kosten für AWS-Ressourcen betrugen lediglich 1 Dollar.