Der Name ist Programm. "VMware Cloud on AWS" heißt das neue Angebot, mit dem AWS und VMware um Unternehmenskunden buhlen. Diese könnten ihren kompletten VMware-Software-Stack künftig in der Amazon-Cloud betreiben, erklärten AWS-CEO Andy Jassy und VMware-Chef Pat Gelsinger auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Zu diesem Stack gehörten die gleichen VMware-Systeme, die viele Unternehmen derzeit in eigenen Rechenzentren betreiben, darunter der Hypervisor vSphere ESXi, Virtual SAN (vSAN) für Storage-Virtualisierung sowie die Netzwerk-Virtualisierungsplattform NSX. In einem Hybrid-Cloud-Szenario könnten sie Public-Cloud-Ressourcen ebenso wie ihre On-Premise-Systeme über VMware vCenter verwalten. Abgerechnet würden die Cloud-Dienste entweder nach Verbrauch oder über gängige Lizenzmodelle. Der neue Service befindet sich noch in der Technical-Preview-Phase und soll Mitte 2017 allgemein verfügbar sein.
Mit dem Deal dürfte AWS seine führende Position im Kampf mit anderen großen Public-Cloud-Providern, darunter Google, IBM und insbesondere Microsoft, die aktuelle Nummer zwei im Cloud-Markt, weiter stärken. "Für Amazon Web Services ist die VMware-Partnerschaft ein wichtiger und vor allem notwendiger Schritt", kommentiert René Büst vom Analystenhaus Crisp Research. "Denn bisher existierten nur auf Layer 2 (AWS Direct Connect) und Layer 3 (Amazon Virtual Private Cloud) ausgereifte Lösungen, um Hybrid Cloud-Szenarien aufzubauen. Auf der wichtigsten Ebene, dem Workload-Management, war AWS hingegen nur schwach aufgestellt." Gegenüber Microsoft Azure hole AWS im Hybrid-Cloud-Bereich mit diesem Schritt auf. Auch IDC-Analyst Al Gillen beurteilt die Kooperation positiv. AWS erleichtere Unternehmenskunden den Zugang zu den eigenen Cloud-Angeboten. Für Microsoft, das mit Azure und Azure Stack ebenfalls stark auf Hybrid-Cloud-Szenarien setzt, stelle dies eindeutig eine Bedrohung dar.
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VMware und AWS: Eine bittere Pille für IBM
Unter den AWS-Wettbewerbern stößt der Deal auf ein geteiltes Echo. Insbesondere IBM, das im Februar eine ähnliche Cloud-Kooperation mit VMware geschlossen hatte, zeigte sich verschnupft. "Die IBM Cloud war als erste mit VMware auf dem Markt und hat aufgrund der Partnerschaft schon 1000 Kunden gewonnen", erklärte IBM-Sprecherin Lori Bosio auf Nachfrage. Es sei deshalb klar, wo deren Präferenzen lägen. Sauer aufstoßen dürfte den IBM-Verantwortlichen vor allem eine Aussage von VMware-CEO Gelsinger: Amazon werde künftig VMwares "bevorzugter Partner" in der Public Cloud sein; im Gegenzug betrachte AWS VMware als präferierten Private-Cloud-Partner. Wenig trösten dürfte das IBM-Management dabei Gelsingers Anmerkung, man wolle Kunden schlicht mehr Auswahlmöglichkeiten bieten. Große IBM-Kunden werden nach seiner Einschätzung auch weiter bei Big Blue bleiben, AWS-Kunden andererseits könnten von der neuen Partnerschaft profitieren.
Wie passt der AWS-Deal zur Virtustream-Cloud?
Auch innerhalb der künftigen Dell Technologies, zu der DellEMC ebenso gehört wie VMware, könnte die Kooperation zu Konflikten führen. Denn zum EMC-Portfolio gehört mit Virtustream ebenfalls ein Public-Cloud-Angebot für Business-Kunden. Im Vergleich zu "General Purpose Clouds" wie AWS verfolge Virtustream allerdings ein anderes Ziel, urteilt Analyst Büst. Der Anbieter positioniere seine Public-Cloud-Infrastruktur zu 100 Prozent für Unternehmenskunden. So ständen fertige Services und Lösungen etwa für die Bereiche Healthcare und Financial Services zur Verfügung. Zudem machten SAP-Systeme und -Applikationen einen großen Teil der Workloads aus.
Was VMware von der Amazon-Cloud hat
Unterm Strich beschäftigt viele Marktbeobachter auch die Frage, welche Vorteile VMware aus der Kooperation ziehen kann. Kurzfristig gesehen, erhalte VMware damit eine starke, weltweit verfügbare Public-Cloud-Lösung, kommentiert IDC-Analyst Gillen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass VMwares eigene "vCloud Air" damit "endgültig als gescheitert erklärt wurde", wie es Büst formuliert. Nach seiner Einschätzung kann VMware aktuell gar nicht anders, als weitere Partnerschaften einzugehen. Zwar habe der Anbieter aufgrund der breiten installierten Basis seiner Virtualisierungs- und Management-Technologien noch eine solide Kundenbasis. Zudem passe diese "Strategie" in VMwares aktuelle Cross-Cloud-Story. Bei genauerem Hinsehen aber habe das Vorgehen nur den Zweck, "das bestehende Lizenzgeschäft noch irgendwie am Leben zu erhalten und mit den großen Public-Cloud-Anbietern noch eine gewisse Zeit mitspielen zu dürfen".