Von Katharina Becker DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Das jahrelange juristische Tauziehen zwischen der Deutschen Telekom AG und tausenden Aktionären geht am Montag (7. April) vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in eine entscheidende Runde. Mehr als 16.000 Anleger fordern ihr Geld zurück - insgesamt rund 80 Mio EUR - weil sie sich beim zweiten und dritten Börsengang der Telekom betrogen fühlen.
Die Kläger werfen dem Bonner Konzern vor, im Börsenprospekt den Wert ihrer Immobilien zu hoch angesetzt zu haben. Der Konzern hatte sein Immobilienvermögen 2001 um gut 2,4 Mrd EUR nach unten korrigiert. Zudem soll das Unternehmen bewusst Risiken, wie den milliardenteuren Kauf des UMTS-Lizenzen oder den Erwerb des US-Mobilfunkanbieters VoiceStram, verschwiegen zu haben. Die Telekom hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Seit 2001 haben mehr als 17.000 Aktionäre ihre Vorwürfe in mehr als 2.700 Klagen gegen die Telekom gerichtet. Rund 1.000 Anleger haben ihre Vorwürfe inzwischen zurückgezogen oder sind verstorben. Rund 900 Anwälte sind mit dem Fall beschäftigt. Damit ist er einer der größten Zivilprozesse der deutschen Geschichte. Die enttäuschten Privatanleger haben dabei zum Teil nicht nur die Telekom verklagt, sondern auch den damaligen Großaktionär Bund, die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Bank als Konsortailbank.
Um den seit November 2004 laufenden Mammutprozess bewältigen zu können, hatte die Bundesregierung zum November 2005 das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) erlassen, weshalb es in Fachkreisen auch "Lex Telekom" genannt wird. Damit können die zentralen Vorwürfe in einem Musterprozess vor der nächsthöheren Instanz geklärt werden. Das OLG hat stellvertretend zwei Klagen ausgewählt. In den am Montag beginnenden Verfahren geht es zunächst um den Prospekt zum dritten Börsengang im Jahr 2000 (AZ: 23 Kap 1/06). Das Musterverfahren zur zweiten Tranche 1999 ist noch nicht terminiert (AZ: 23 Kap 2/06).
Das Gericht hat zunächst 17 Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt. Vom 14. bis zum 29. April sollen 13 Zeugen vernommen werden, darunter auch der ehemalige Telekom-Vorstandsvorsitzende Ron Sommer, sein Nachfolger Kai Uwe Ricke und der amtierende Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick.
Dass die angesetzten Verhandlungstage ausreichen, bezweifeln allerdings die Klägeranwälte von der Kanzlei Tilp aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen und richten sich auf ein jahrelanges Verfahren ein.
Teilurteile könnten das Verfahren aus ihrer Sicht jedoch beschleunigen. Sollte sich etwa beim ersten Verhandlungspunkt herausstellen, dass der Prospekt falsch war, könne sich der Bundesgerichtshof (BGH) damit beschäftigen, während das OLG die restlichen Punkte abarbeite, sagte der federführende Anwalt Peter Gundermann. Günstigstenfalls gäbe es dann schon 2010 einen Musterbescheid.
Sollte das Gericht aber alle 33 Streitpunkte und 187 Unterpunkte aus dem Vorlagenbeschluss des Landgerichts - eine Art Regieanweisung - abarbeiten wollen oder müssen, "könnte der Prozess 10 bis 20 Jahre dauern", sagte Kanzleichef Andreas Tilp.
Tilp und Gundermann legten der Telekom daher wenige Tage vor Prozessbeginn einen Vergleich nahe. Schließlich habe der Konzern offensichtlich wegen erdrückender Beweise in den USA schon 2003 einem Vergleich über 120 Mio USD zugestimmt. "Unter Kostengesichtspunkten macht es für die Telekom keinen Sinn, das Verfahren weiter zu betreiben", sagte Tilp.
Die Telekom lehnt einen Vergleich jedoch strikt ab. "Diese Frage stellt sich für uns nicht", sagte ein Sprecher. "Wir sind weiter von der Haltlosigkeit der Vorwürfe überzeugt."
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