Eine ganze Schülergeneration hat in den Achtzigern ihre Zeit sinnlos vor dem Computer vertrödelt. Stundenlang zockten sie Boulder Dash, flipperten virtuell mit David's Midnight Magic, halfen Frogger über die Straße und rüttelten je nach Jahreszeit bei Summer Games respektive Winter Games so manchen Joystick kaputt. Nerds vergaßen die Zeit bei The Bard´s Tale, Strategen saßen bis in die frühen Morgenstunden vor Hanse, Kaiser und Pirates. Ganz Wagemutige gingen - wenn die Eltern beim Kegelabend waren - bei "Samantha Fox Strip Poker" All in, um ans pixelige Ziel ihrer Wünsche zu gelangen.
Heute ist das zum Glück besser. Niemand muss mehr im stillen Kämmerlein vor sich hin zocken. Heute wird interaktiv online gespielt und nebenher über Teamspeak kommuniziert - oder geschrien, je nach Spielverlauf. Der Austausch in der Community ist für rund 9 Millionen Gamer in Deutschland heute wesentlicher Bestandteil ihres Hobbys. Ebenfalls 9 Millionen haben dadurch bereits gute Freunde gefunden. Das bestätigen besonders Spielerinnen und Spieler im Alter zwischen 16- und 24 Jahren, so der game - Verband der deutschen Games-Branche e.V.
Lesetipp: Gamescom 2019 - Die Spiele-Highlights im Überblick
Außerdem kann von "Zeit vertrödeln" keine Rede mehr sein - die Jugend betreibt wahlweise E-Sports oder bereitet sich auf eine einträgliche Karriere als Profi-Spieler oder YouTube-Star mit eigenem Let´s-Play-Kanal und Millionen von Abonnenten vor. Eine gute Basis, um später zum Beispiel in die Politik einzusteigen - wie wir seit diesem Frühjahr wissen.
Auch in anderer Beziehung wurde aus Spaß in den vergangenen 25 Jahren Ernst - und Ernst ist heute ein Milliardengeschäft. Wie die Gamescom-Veranstalter zum Auftakt der Messe auf Grundlage von Daten der Marktforschungsunternehmen GfK und App Annie mitteilten, hatte der Games-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 ein Volumen von 2,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 ist der Umsatz mit Games und Spiele-Hardware damit um 11 Prozent gewachsen.
Besonders stark zugelegt haben Gebühren für Online-Dienste - um 52 Prozent auf 228 Millionen Euro - und In-Game-Käufe (um 28 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro). Der Umsatz mit Gaming-Hardware ging um 2 Prozent zurück und hatte ein Volumen von 986 Millionen Euro zurückgegangen - wohl auch, weil neue Konsolen-Generationen auf sich warten lassen. Dennoch ist das Segment hochinteressant. Mehr dazu erfahren Sie in der kommenden Ausgabe von ChannelPartner.
Gaming ist dabei keineswegs mehr nur eine Freizeitbeschäftigung gelangweilter Teenager oder fauler Studenten. "Gaming ist zu einem sozialen und kulturellen Phänomen geworden und in großen Teilen der Gesellschaft beliebt", teilt der Bitkom zum Gamescom-Auftakt mit. 43 Prozent der Deutschen spielen zumindest gelegentlich Computer- oder Videospiele, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Verbandes.
Lesetipp: Acers Gaming-Strategie
Demnach ist Gaming nicht nur bei Männern (45 Prozent) und Frauen (41 Prozent) nahezu gleichermaßen beliebt. Zwar spielen 71 Prozent der 16- bis 29-Jährigen, aber immerhin noch 65 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und 25 Prozent der 50- bis 64-Jährigen. Insgesamt jeder vierte Deutsche stuft Video- und Computerspiele als gesellschaftliches Kulturgut gleichwertig mit Büchern, Filmen und Musik ein.
Das beliebteste Gerät zum Spielen ist mittlerweile das Smartphone - wahrscheinlich auch deshalb, weil es immer und überall verfügbar und inzwischen enorm leistungsfähig ist. Die Spielkonsole liegt der Bitkom-Umfrage mit 77 Prozent auf Platz zwei. 2018 war sie mit 85 Prozent noch ganz oben auf dem Treppchen. Notebooks nutzen 74 Prozent zum Spielen (4 Prozent weniger als 2018), einen Desktop-PC nahezu unverändert zum Vorjahr 48 Prozent. Angesichts des allgemeinen Popularitätsschwunds von Tablets etwas überraschend ist, dass es von 60 Prozent der Befragten für Spiele genutzt wird (2018 waren es nur 53 Prozent).
Auch interessant: Gaming-Studie - PC nur noch auf Platz 3 in Deutschland
In einer weiteren Umfrage des Bitkom waren 31 Prozent der Befragten der Meinung, dass E-Sport eine "richtige Sportart" ist. Jeder Vierte findet sogar, E-Sport solle offiziell als Sportart anerkannt werden. 18 Prozent der Gamer geben an, sie wären selbst gern erfolgreiche E-Sportler.
Der Preis des Gamings
"Obwohl die Gaming-Branche mittlerweile größer als die Film- und Musikindustrie zusammen ist, findet das Thema Nachhaltigkeit innerhalb der Szene kaum Beachtung", bemängelt Nicolas Röhrs, Geschäftsführer und Mitgründer von Cloud&Heat Technologies. Dabei erhöhe der steigende Rechenbedarf für Spieleproduktion, Bereitstellung und Datenspeicherung den Stromverbrauch und damit die Umweltbelastung.
Röhrs verweist auf eine 2015 veröffentlichte Studie, wonach PC-Spieler in diesem Jahr schätzungsweise 75 Mrd. Kilowattstunden (kWh) Strom verbraucht haben. "Passt man diese Zahl an das Wachstum innerhalb der PC-Spielerschaft an, beträgt der jährliche Stromverbrauch aktuell zwischen 90 und 100 Mrd. kWh - mit rasant steigender Tendenz. Und dazu kommt der Energiebedarf für Konsolen und Smartphone-Spiele", so Röhrs weiter. Vor allem Cloud-Gaming-Dienste wie Google Stadia, GeForce Now und PlayStation Now, bei denen die Rechenleistung überwiegend auf zentralen Servern erbracht wird, sorgten für einen erhöhten Stromverbrauch um 60 bis 300 Prozent.
Lesetipp: Traumjobs in der IT- und Spielebranche
"Bedenkt man das rasante Wachstum der Gaming-Branche und die steigende Bedeutung des Klimaschutzes in der Gesellschaft, führt kein Weg an nachhaltigen IT-Infrastrukturen für die Spieleindustrie vorbei. Auch unsere liebsten Hobbys müssen umweltschonend gestaltet werden", so Röhrs, dessen Unternehmen Cloud&Heat Technologies mit einer Heißwasser-Direktkühlung die Nachnutzung der Abwärme von Rechenzentren zum Heizen von Gebäuden und zur Anbindung an Fern- und Nahwärmenetze ermöglicht und dadurch etwas zur Erreichung dieses Ziel beitragen könnte.
Bestätigt werden die Ausführungen von Röhrs durch den Stromkonzern Eon. Der hat ausgerechnet, dass moderne Spielekonsolen einen erstaunlichen Energiehunger haben. Während die erste im Jahr 1994 bei einer täglichen Spieldauer von zwei Stunden nur 5,84 kWh jährlich verbrauchte, kamen die die PS 3 mit 137,97 kWh und die PS 4 Pro (119,72 kWh) auf rund das Zwanzigfache.
"Zwar hat sich der Strombedarf der aktuellen Spielekonsolen im Vergleich zu den Gaming-Klassikern aus den 1990er Jahren deutlich erhöht, der Trend geht aber wieder hin zu stromsparenderen Geräten", erklärt E.ON Geschäftsführer Philip Beckmann. "Durch die Verlagerung von Spielen in die Cloud, wie es heute schon bei Filmen und Serien üblich ist, ließe sich der Stromverbrauch der Konsolen deutlich senken", so Beckmann weiter - wobei er sich jedoch nur auf die Privathaushalte bezieht. Dass die Rechnung insgesamt nicht aufgeht, hatte Röhrs ja bereits dargelegt.