Mit der Übernahme von Polycom durch Plantronics für 2 Milliarden Dollar endete für Polycom eine Zeit des Übergangs, in der es immer wieder zu Verkaufsgerüchten und damit zu Unsicherheit über die Zukunft des Unternehmens kam. Mit Plantronics hat man einen Käufer gefunden, der nicht nur an einem profitablen Unternehmen interessiert war, sondern auch tatsächlich an der Technologie. Ziel des als Headset-Anbieter bekannten und vielleicht vielfach auch als "nur Headset-Anbieter" unterschätzten Unternehmens ist es, sich als unverzichtbaren Baustein in den Bemühungen der Firmen um den - wie auch immer gearteten - "Arbeitsplatz der Zukunft" zu etablieren.
Die Ausgangsvoraussetzungen dafür sind gut. Sowohl Plantronics als auch Polycom haben eine große installierte Basis, arbeiten vielfach in Projekten schon seit Jahren zusammen und sind aufgrund ihrer Positionierung als ergänzende Technologiepartner bei einer großen Zahl an Firmen gesetzt, die sich mit modernen Kommunikationslösungen beschäftigen - sei es aus der TK-Ecke, dem Netzwerkbereich oder dem Cloud-Segment.
Die Übernahme ging daher auch vergleichsweise zügig vonstatten. Nachdem sie Ende 2018 rechtlich abgeschlossen und Anfang 2019 das Management-Team neu geordnet wurde, steht jetzt die Restrukturierung des Channels auf der Agenda. In Europa verantwortet die seit Anfang März Paul Clark als Senior Vice President EMEA. Er leitet nun die Vertriebsteams von Plantronics und Polycom. In Deutschland führt Henning Schäfer als Regional Sales Director, DACH & EE die Geschäfte.
Die Marken Polycom und Plantronics sollen nicht sofort, aber im Laufe der Zeit verschwinden. Auch als Markennamen für einzelne Produktreihen sollen sie nicht weitergeführt werden, wie Clark gegenüber ChannelPartner erklärt. Der neue Name "Poly" leite sich nicht in erster Linie von Polycom ab, sondern solle mit seiner Wurzel im griechischen Wort "poly" (für "vieles") den Anspruch des Unternehmens symbolisieren, viele Technologien und viele Menschen zusammenzubringen. "Wir sind die Endpoint-Enabler", fasst Clark die Strategie zusammen.
Portfolio von Poly soll Ansprüche der Kunden erfüllen
Clark war zuvor fast 25 Jahre bei Plantronics, zunächst als EMEA Marketing Director, später dann als Leiter des europäischen Produktmanagements und dann in unterschiedlichen Führungspositionen im Vertrieb. Anfang 2016 wurde er zum Managing Director von Plantronics in Europa und Afrika befördert. Sein Empfehlungsschreiben für den Channel: Clark rief bei Plantronics das erste Reseller-Programm des Herstellers überhaupt ins Leben und brachte die Produkte des Unternehmens in den Einzelhandel.
"Kunden erwarten hochwertige Audio- und Videolösungen, die einfach zu nutzen und zu verwalten sind. Darauf muss unser Portfolio ausgerichtet sein", erklärt Jeff Loebbaka, Executive Vice President, Global Sales, bei Plantronics. Dabei bevorzugten Kunden heute Lösungen aus einer Hand, ergänzt Clark. Beide Unternehmen hätten das erkannt und ihre Entwicklungsanstrengungen dahingehend ausgerichtet. Mit dem Zusammenschluss wurde diesbezüglich ein großer Schritt nach vorne gemacht.
"Das Angebot von Polycom und Plantronics ergänzt sich hervorragend und bei den bereits marktreifen Produkten gab es kaum Überschneidungen. Lediglich ein Audio-System zum Anschluss an den USB-Port für´s Freisprechen in kleineren Konferenzräumen hatten beide im Angebot. Das Calisto genannte Produkt von Plantronics in Schwarz und die Voxbox von Polycom in Silber werden beide weiterhin angeboten", berichtet Guido Nickenig, Senior Director Presales DACH, bei Westcon Collaboration Solutions.
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Westcon-Comstor ist schon lange Jahre engagierter und erfolgreicher Distributor sowohl für Polycom als auch für Plantronics und dürfte einer der Grossisten ein, die aus der bis Sommer geplanten Bereinigung der Distributionslandschaft gestärkt hervorgehen. "Wir sehen ein enormes Potenzial für Poly im Communications- and Collaboration-Ökosystem, insbesondere bei den neuen Produkten und Dienstleistungen, die derzeit auf den Markt kommen, beispielsweise Polycom Studio", ergänzt Rene Klein, Senior Vice President von Westcon Europe. "Poly bietet umfassende UC&C-Lösungen an, die wir als Lösungs-Distributor begrüßen", so Klein weiter.
Trend geht zum Arbeitsplatz aus einer Hand
Das bestätigt Nickenig aus der Praxis im Presales: "Wir haben schon in der Vergangenheit viel von Plantronics und von Polycom verkauft. In den vergangenen Jahren hat sich immer stärker gezeigt, dass Unternehmen eine komplette Arbeitsumgebung haben wollen. Das war auch bislang technisch nicht das große Problem. Vorteilhaft ist nach dem Zusammenschluss von Plantronics und Polycom aber, dass dieser Wunsch von einem Ansprechpartner erfüllt und die Umgebung später dann über eine Software verwaltet werden kann."
Den Anspruch, als integrative Kraft für alle Kommunikationstechnologien aufzutreten, hat Poly mit einer der ersten Ankündigungen nach der Neuaufstellung unterstrichen. Dabei ging es um Integrationen mit Microsoft Teams, Amazon Chime, Amazon Alexa und Google Voice. Auch wenn deren Bedeutung für den deutschen Markt zunächst gering sein dürfte, zeigen sie doch, dass der Dampfer schon wieder Fahrt aufgenommen hat.
Konkret handelt es sich um dien Integration von Microsoft Teams mit den Business-Telefonen Poly CCX 500 und Poly CCX 700 sowie von Amazon Chime und Alexa for Business mit dem Konferenztelefon Polycom Trio. Das Headset Voyager 4200 UC ermöglicht Nutzern nun per Tastendruck auf den Sprachassistenten Alexa zuzugreifen. Dank einer strategischen Allianz zwischen Poly und Google Cloud sind zudem nun die IP-Telefone VVX 250, 350 und 450 für Google Voice zertifiziert und können damit für Google Voice for G Suite verwendet werden.