Apples günstigstes iPad, das iPad 10,2-Zoll, wird in der Berichterstattung oft vernachlässigt und steht im Schatten der innovativen Schwestermodelle iPad Pro und iPad Air. Dabei ist das Basismodell nicht ohne Grund in Verkaufsrankings das meistverkaufte Tablet – auch kein Android-Tablet kann da mithalten. Zugegeben: Apple neues iPad 10,2 scheint jedes Jahr noch etwas altmodischer auszusehen: Die Display-Ränder sind breit, das Gehäuse dick und der Homebutton ist von allen anderen Apple-Geräten verschwunden – außer dem iPhone SE. Wie das iPhone SE überzeugt es aber durch aktuelle Leistung.
Unverändertes Design
Mit seinem hochwertigen Metallgehäuse und erstklassiger Verarbeitung wirkt das iPad kein bisschen wie ein Spar-Tablet. Das Aluminium des Gehäuses und die Rohstoffe für viele Bauteile wurden komplett aus recycelten Materialien hergestellt, es handelt sich um ein wertiges und nachhaltiges Produkt, das viele Jahre genutzt werden kann.
Im Vergleich zu den iPads Air und Pro ist das Gehäuse deutlich dicker und etwas schwerer, das kantig-moderne Design der Pro-Modelle ist aber vielleicht nicht jedermanns Geschmack. Den Homebutton sehen wir mit gemischten Gefühlen: Er wirkt veraltet, aber auch über die Vorteile von Face-ID wie bei den Pro-Modellen kann man streiten. Ergonomisch hat ein Homebutton schließlich echte Vorteile und erspart lange Umgewöhnungen – und funktioniert auch mit Maske und ohne Augenkontakt.
Vor der Vorstellung hatten manche Blogger gemutmaßt, Apple würde ein rahmenloses Modell im Stile des iPad Air vorstellen. Dies hätte allerdings neue teurere Komponenten erfordert und die Produktionskosten und so auch den Endpreis erhöht. Vor allem für sparsame Schulen ist aber wohl selbst der reduzierte Preis von 300 Dollar die oberste Schmerzgrenze, noch dazu steht Apple hier im Wettstreit mit günstigen Chromebooks.
Aktualisiert hat Apple zwei relativ einfach austauschbare Module: Es gibt einen schnelleren Chip und eine moderne und hochwertige Frontkamera. Die Modellfarbe Gold entfällt, bei den beiden verbleibenden Modellen in Silber und Spacegrau ist nun auch die Front einheitlich schwarz – eine weitere Parallele zum iPhone SE.
Centerstage als Kaufgrund
Fast wichtiger als der schnellere Prozessor ist die neue Frontkamera. Als Neuerung verbaut Apple eine mit iPad Pro und iMac eingeführte Ultraweitwinkelkamera mit Centerstage-Funktion – auf Deutsch „Folgemodus“. Sowohl für Zoom, Teams aber auch Tiktok eine tolle Sache: Der unterstützte Blickwinkel ist dank Ultraweitwinkel viel größer und man kann in einem Videochat bequem mehrere Personen oder eine kleine Gruppe zeigen – nützlich etwa im Unterricht oder eine Präsentation.
Apple macht sich den breiten Blickwinkel aber auch im Folgemodus zunutze: Ganz als würde ein Kameramann dem Sprecher folgen, wird dieser vergrößert und im Zentrum des Bildes gehalten. Mittels digitalem Zoom werden eine oder auch zwei Personen immer in der Mitte des Bildes gehalten. Gelegentlich sieht man dabei eine Art Kamerafahrt.
Dieser Folgemodus kann ein- und ausgeschaltet werden. Bei Facetime ist dies direkt über eingeblendete Programmsymbole, bei anderen Apps wie Zoom über das Kontrollcenter möglich, Hintergrundeffekte werden übrigens weiterhin unterstützt. Besonders nützlich finden wir den Modus, wenn man das iPad im Landschaftsmodus nutzt, etwa mit einer Apple-Tastatur.
Ein Ultraweitwinkelobjektiv erschließt außerdem ganz neue Aufnahmemöglichkeiten, sowohl bei Videos als auch Selfies. Tipp: Noch größer wird der mögliche Blickwinkel, wenn man Aufnahmen mit der Kamera-App macht. Nur bei Fotos stehen die vollen 122 Grad des Blickwinkels zur Verfügung, bei Videos ist der Blickwinkel aus technischen Gründen kleiner. Die Auflösung hat Apple stark erhöht. Gegenüber dem Modell von 2020 steigt die Auflösung von 1,2 auf 12 Megapixel, was allgemein bessere Selfies und HD-Videos ermöglicht. Videos kann man nun mit bis zu 1080p Auflösung aufnehmen, der Vorgänger konnte nur 720p-Videos erstellen. Bei zu schlechten Lichtverhältnissen und aktiviertem Folgemodus wird aber auch bei der neuen Frontkamera das Bild schnell etwas unscharf.
Rückkamera
Als Kamera-Ersatz wird ein iPad wohl selten genutzt. So kann man verstehen, dass Apple die Kamera auf der Rückseite nicht aktualisiert hat. Sie bietet weiterhin nur 8 Megapixel und kann mit aktuellen iPhone-Kameras nicht mehr mithalten, ein Blitzlicht fehlt ebenso. Für Alltagsaufgaben wie das Abfotografieren von Dokumenten oder einen gelegentlichen Schnappschuss ist sie aber gut geeignet. Dank dem aktuellen Bildprozessor des A13-Chips und HDR-Modus sind Farbe und Belichtung der Fotos aber exakt und bei Tageslicht recht brauchbare Ergebnisse möglich. Apple kann wohl davon ausgehen, dass die meisten Anwender für wichtige Fotos zu ihrem iPhone greifen.
Bei Videoaufnahmen und im Livemodus von Augmented-Reality-Apps wie Maßband oder Ikea macht sie einen weit besseren Eindruck, hier ist auch die niedrige Auflösung kein Problem. 4K-Videos kann man allerdings nicht erstellen, nur HD-Videos mit bis zu 25 fps. Ein kleiner Vorteil: Die Kamera steht nicht hervor und dank unveränderter Bauform sollten alle Hüllen und das meiste Zubehör für die Vorgängermodelle kompatibel sein.
Performance
Als CPU erhielt das neue iPad einen A13-Chip spendiert, der auch im iPhone 11 bzw. 11 Pro verbaut wurde. Zwei High-Performance- und vier Hocheffizienzkerne sorgen für solide Leistung. Laut Geekbench bekam das iPad nur 3 GB RAM spendiert, ein GB weniger als das aktuelle iPad Air 4. Bei der Vorstellung während der Keynote fiel auf, dass Apple vor allem Geräte anderer Plattformen als Maßstab heranzog: So soll der neue Chip beziehungsweise das neue iPad dreimal schneller als übliche Chromebooks sein und sogar sechsmal so schnell wie übliche Android-Tablets. Ein etwas schwammiger Vergleich, viele fragen sich da wohl, ob das neue Modell spürbar schneller als der Vorgänger ist.
Die Leistungen im Performance-Test können dies aber bestätigen. Im Single-Core-Test von Geekbench steigert sich das iPad immerhin von 1112 auf 1329 Punkte, beim Multicore-Test sogar von 2345 auf 3472 Punkte. Der Leistungszuwachs sollte also im Alltag spürbar sein. Lohnenswert ist ein Upgrade aber wohl vor allem für Besitzer älterer Modelle, so kam beim iPad 7 von 2019 noch ein A10-Chip zum Einsatz, beim iPad 5 sogar noch ein A9. Schlecht abschätzen lassen sich die Vorteile der verbesserten Neural-Engine, die laut Apple etwa 20 Prozent schneller als die des A12-Chips im Vorgänger ist.
Antutu bescheinigt dem iPad 641 465 Punkte, gut sind auch die Leistungsdaten des 256-GB-Datenspeichers. Hier misst Antutu 830,6 MB/s beim Lesen und 687,8 MB/s beim Schreiben, für ein iPad völlig ausreichend. Die Leistung der Grafik messen wir mit GF GFXBench (Metal 1080p Manhattan 3.1, Offscreen). Hier kann das neue iPad ebenfalls überzeugen und schafft 10873 Punkte – knapp zehn Prozent mehr als der Vorgänger, der 9119 Punkte erzielte. Vor allem das Vor-Vor-Modell von 2019 wird deutlich abgehängt, das in diesem Test nur 3848 Punkte erzielte. Zu guter Letzt testen wir das iPad noch mit dem neuen Benchmark APSIvon Christian Möller: Hier schafft das neue iPad 37,7 Punkte – ein guter Wert.
Netzwerk und Schnittstellen
Dass es sich um ein Einstiegsmodell handelt, wird bei einem Blick in die unterstützten Netzwerkstandards deutlich. Wi-Fi 6 bzw. 802.11ax werden nicht unterstützt, nur der Vorgänger Wi-Fi 5. Auch die Standards Bluetooth 4.2 und LTE sind nicht mehr taufrisch, die neueren Modell und auch das iPad Mini bieten schon Bluetooth 5 und 5G. Dass Apple weiter auf Lightning setzt, hat uns eigentlich nicht überrascht. Nicht zuletzt benötigt man Lightning schließlich für den Pencil 1 für Koppeln und mit alten Bauteilen spart Apple vermutlich Produktionskosten.
Ebenfalls günstiger: Das iPad ist mit dem originalen Smart Keyboard verfügbar – nicht den (noch) teureren Nachfolgemodellen. Bestellt man das Basis-iPad mit Keyboard und Pencil, kommt man auf einen Komplettpreis von 657 Euro. Ergänzt man dagegen zu seinem iPad Air für 649 Euro einen Pencil 2 für 135 Euro und das erstklassige aber teure Magic Keyboard für 339 Euro, muss man stolze 1123 Euro berappen.
Gewicht und Abmessungen
Die Abmessungen sind mit den Vormodellen identisch, das Gewicht hat sich um exakt drei Gramm verringert. Leicht ist das iPad nicht, das iPad 10,2 ist mit 487 Gramm immerhin 30 Gramm schwerer und einige Millimeter größer als iPad Air 4. Will man ein wirklich leichtes und handliches iPad, muss man schon zum 293 Gramm schweren iPad Mini greifen.
Mehr Speicher
Ein weiterer Grund zu einem Upgrade: Apple hat die Speicherkapazität verdoppelt und man kann nun zwischen einem 64 GB und einem 256-GB-Modell wählen. Die 32 GB der früheren Einstiegsmodelle waren schon lange nicht mehr zeitgemäß und sorgten wohl nicht nur bei Video-Fans für Platzprobleme.
Guter Bildschirm
Panels mit der Größe 10,2-Zoll bietet Apple nun unverändert seit 2019 an. Die Ränder mögen vielleicht breit sein, Leuchtkraft als auch Farbdarstellung sind ausgezeichnet und die Auflösung kaum schlechter als bei den Schwestermodellen. Statt dem sogenannten P3-Farbraum wie bei anderen Modellen wird zwar nur der sRGB-Farbraum unterstützt, das wird aber wohl nur Fotografen auffallen. Mit knapp 500 cd/qm ist das Panel für die Arbeit im Freien hell genug, kann aber nicht mit den iPad-Pro-Modellen mithalten. Night Shift wird unterstützt, die automatische Farbkorrektur True Tone ist nun ebenfalls erstmals dabei. 10,2-Zoll ist völlig ausreichend, im direkten Vergleich mit einem iPad Pro 11-Zoll wirkt das Display aber doch deutlich kleiner.
Grund dafür ist das andere Format: Das iPad 10,2 nutzt das traditionelle 4:3-Format, das iPad Pro ein etwas weiteres 4,3:3-Format. Die Abmessungen von 10,2-Zoll sind aber ein guter Kompromiss zwischen Größe und Handlichkeit. Die Schwäche des Bildschirms ist die Neigung zum Spiegeln – hier sind Pro und Air dank Volllaminierung zudem etwas flacher. Sitzt man neben einem Fenster oder mit dem Rücken zu einer Lampe, wird man bei einem iPad Pro deutlich weniger von Spiegelungen abgelenkt. Dies stört aber in der Praxis offenbar kaum jemanden, so sind von Nutzern des iPad wenig Beschwerden zu hören. Ein grundsätzliches Problem: Die Größe von 10,2 Zoll ist ausreichend für die meisten Aufgaben. Für die einhändige Nutzung oder alltägliche Handhabung wäre ein größeres Modell oft unhandlich. Nutzt man das iPad aber oft im Landschaftsmodus mit Tastatur wünschen wir uns doch öfter das 13- oder 16-Zoll-Panel der Macbooks.
Akkulaufzeit
Ein iPad sollte einen ganzen Arbeitstag durchhalten, was beim 10,2-Modell kein Problem sein sollte. Der Akku fasst weiterhin 8557 mAh, mehr als etwa das iPad Pro 11-Zoll mit 7732 mAh. Die Laufzeit ist eine Stärke des Modells, bei unserem Surftest hält das neue iPad 12 Stunden und 50 Minuten durch – 29 Minuten länger als der Vorgänger. Beim zweiten Test, dem Abspielen eines Videos mit voller Helligkeit, hält das iPad wie sein Vorgänger knapp 6 Stunden durch.
Wie schon dem Vorgänger liegt dem iPad ein angemessenes Ladegerät bei, ein USB-C-Ladegerät mit 20W- statt 12W-Leistung. Gut: Apple hat gegenüber dem Vorgänger das Aufladetempo steigern können. Am schnellen mitgelieferten Netzteil schaffte das alte iPad in einer halben Stunde gerade einmal 15 Prozent, nun sind es 20 Prozent. Statt erst nach vier Stunden und 21 Minuten ist das Gerät nach knapp drei Stunden komplett geladen.
Lautsprecher
Viele nutzen das iPad für Videokonferenzen, oft aber auch für das Abspielen von Musik und Videos. Hier sind gute Lautsprecher hilfreich, die das iPad bieten kann. Mit dem ausgewogenen Vier-Lautsprecher-System eines iPad Pro kann das iPad nicht mithalten, bei begrenzter Lautstärke ist die Tonqualität aber völlig in Ordnung.
Fazit:
Das iPad kann uneingeschränkt empfohlen werden, von allen iPads bietet es das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Vergleicht man den Preis des Basis-iPads mit dem konkurrierenden iPad Air, fragt sich wohl mancher, ob ihm schickeres Design und bessere Kameras wirklich 280 Euro Aufpreis wert sind? Für Heimanwender ist aber vielleicht das neue iPad Mini einen Blick wert, das leichter, kompakter und moderner ist.
iPad 10,2 (iPad 9) von 2021
Hersteller: Apple
Note: 1,4 sehr gut
Preis: ab 379 Euro
Vorteile:
+ Erstklassige Frontkamera für Videokonferenzen
+ Gute Performance
+ Helles Display
+ Einfach bedienbar
+ Günstigstes iPad-Modell
+ Gut verarbeitetes hochwertiges Gehäuse
+ Lange Akkulaufzeit
Nachteile:
- Relativ groß und schwer
- Keine sichere Face-ID
- Mäßige Frontkamera ohne Blitz
- Spiegelndes Display
- Nur Lightning statt USB-C
- Kein 5G und WLAN 6
(Macwelt)