Das iPad ist eine wunderbare Hardware, doch an der iOS-Software scheiden sich die Geister: Die einen lieben die einfache Bedienung und die hohe Sicherheit, die anderen möchten das Tablet aufgrund seiner an manchen Stellen doch sehr unflexiblen Bedienung am liebsten in die Ecke feuern. Apple hat jedoch Besserung versprochen und in der Tat scheint iOS 11 das Potenzial zu haben, das iPad Pro mehr denn je zu einem Notebookersatz zu qualifizieren. Vor allem das neue Multitasking sollte seine Freunde finden, Drag-and-drop von Inhalten zwischen Programmen wird möglich und die neue Dokumente-App kommt ähnlich wie der Finder daher. Dazu ist das iPad Pro 10,5 ein kleines Stückchen größer geworden, so dass das zugehörige Smart Cover eine Tastatur in voller Größe enthalten kann – per Definition müssen dafür mindestens 17 Millimeter zwischen den Mittelpunkten der Tasten liegen.
Dennoch wünschen viele Anwender, ein anderes Betriebssystem – am besten macOS oder wenigstens Windows 10 – auf dem Tablet installieren zu können, doch Apples geschütztes iTunes-Ökosystem erlaubt derlei Spielereien nicht. Anders als beim Mac ist dieser Weg also verschlossen – selbst wenn das iPad mit einem Jailbreak befreit werden sollte.
In solchen Fällen gab es allerdings eine Zeitlang eine direkte Methode: Das Tool Bochs aus dem Cydia-Store erlaubte die Installation von Linux und Windows direkt auf dem iPad. Mangels funktionierenden Jailbreaks und der zusehends schrumpfenden Jailbreak-Szene wurde es allerdings lange nicht mehr weiterentwickelt und läuft schon seit iOS 9 nicht mehr. Diese Option entfällt also.
Fernzugriff statt direkter Installation
Was jedoch geht, ist Windows, Linux und macOS per Fernzugriff auf das iPad zu holen. Alles, was Sie dazu benötigen, ist ein normal installierter Mac oder PC und eine App auf dem iPad, die den VNC-Standard unterstützt. Innerhalb eines flotten WLANs können Sie so Desktop-Betriebssysteme direkt auf dem iPad verwenden, was einer lokalen Installation in der Praxis dann schon sehr nahe kommt.
Der Clou: Mit den richtigen Einstellungen im Router können Sie auch über das Internet auf Ihr persönliches „Cloud-Betriebssystem“ zugreifen und vom iPad aus weltweit alle Funktionen eines stärkeren, vollwertigen Rechners verwenden, der in Ihren eigenen vier Wänden steht. Und natürlich läuft.
Für macOS, Windows oder Linus bietet sich zum Beispiel ein alter Mac Mini an. Für Linux reicht aber schon ein kleines Gerät wie der Raspberry Pi 3. Und wenn es Windows oder mehr Leistung unter Linux sein soll, ist ein regulärer PC oder – praktischer – ein Mini-PC im Apple-TV-Format sinnvoll.
Mit ein wenig Einrichtungsarbeit können Sie so mit nur einem Rechner bis zu drei Betriebssysteme mit dem iPad nutzen – ohne auf iOS verzichten zu müssen.
PC oder Mac einrichten
Zunächst müssen Sie den PC, Mac oder Raspberry Pi ganz normal mit macOS, Windows oder Linux aufsetzen, bis die Betriebssysteme jeweils lauffähig sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Systeme direkt aufsetzen oder als virtuelle Maschine, etwa mit Virtualbox. Der Vorteil von virtuellen Maschinen: Das iPad erhält ein eigenes „Cloud-Betriebssystem“, das vom normalen System getrennt ist.
Wegen der praktischen Wake-on-LAN-Funktion, mit der die Rechner bei Netzwerkzugriffen aus dem Standby-Modus geweckt werden können, empfiehlt sich natürlich die Anbindung per Kabel an den Router, um im späteren Betrieb bei Nichtnutzung Strom zu sparen. Der Rechner muss ja für einen zuverlässigen Fernbetrieb sieben Tage die Woche 24 Stunden laufen, darf sich aber natürlich schlafen legen. Entsprechende Einstellungen finden Sie in allen Betriebssystemen in den Energieoptionen – normalerweise ist hier die Voreinstellung aber ausreichend.
Wichtig bei der Einrichtung einer virtuellen Maschine ist, dass der Host-PC immer läuft, ohne sich schlafen zu legen.
Außerdem müssen Sie in den Einstellungen der virtuellen Maschine noch „Bridged Netzwerk“ auswählen: Nur so erhält der virtuelle PC eine eigene IP-Adresse in Ihrem Netzwerk, über die Sie ihn direkt ansprechen können. Zusätzlich können Sie in einer virtuellen Maschine auch eine zum iPad passende Bildschirmauflösung einstellen, um das Erlebnis zu verbessern: 1024 x 768 Pixel für iPads mit 7,9-Zoll- und 9,7-Zoll-Bildschirm, 1366 x 1024 Pixel für das iPad Pro.
VNC-Server einrichten
Nun kommt der etwas komplexere Teil: Sie müssen einen VNC-Server auf Ihrem PC oder Mac einrichten. Dieser ist dafür zuständig, den Desktop des Betriebssystems später an das iPad zu übertragen. Entsprechende Software ist bei macOS dabei, Sie müssen sie nur unter „Systemeinstellungen -> Freigaben -> Bildschirmfreigabe“ aktivieren.
Im Gnome-Desktop von Ubuntu gibt es ebenfalls eine entsprechende Einstellung: Öffnen Sie hier die „Freigabe der Arbeitsfläche“ des vorinstallierten Vino-VNC-Servers, um diesen zu aktivieren.
Unter Windows gestaltet sich die Einrichtung etwas komplexer: Windows besitzt keinen eingebauten VNC-Server, daher muss ein Programm wie TightVNC installiert werden.
Falls Sie einen Rechner haben, bei dem die automatische Anmeldung aktiviert, also kein Passwort für den Login vorhanden ist, empfehlen wir dringend, den VNC-Server mit einem Passwort zu schützen. Ist bereits ein Passwort für den Login am Rechner gesetzt, dürfen Sie das hingegen nicht tun, da es sonst zu Login-Problemen kommen kann. Grundsätzlich ist es allerdings immer anzuraten, einen Rechner mit einem Anmeldepasswort zu schützen, womit das VNC-Passwort überflüssig wird.