Dass die Umsatzzahlen von eBay für das Jahresendgeschäft hinter den Erwartungen der wachstumsfixierten E-Commerce-Branche zurückblieben, ist unbestreitbar: gerade einmal um zwei Prozent legte im vierten Quartal 2014 das Marktplatzgeschäft des E-Commerce-Konzerns zu. Jedoch konnte eBay seinen Nettogewinn in dem Zeitraum um 10 Prozent auf 936 Millionen Dollar steigern.
Auch im Gesamtjahr 2014 präsentierte sich das Unternehmen ausgesprochen renditestark - eine zu Anfang des Jahres fällig gewordene Steuernachzahlung in Höhe von 3 Milliarden Dollar ausgeklammert, steigerte eBay seinen operativen Gewinn um 5 Prozent auf 3,5 Milliarden Dollar. In der Jahresperspektive stellt sich auch das Wachstum des E-Commerce-Unternehmens positiver dar: um 9 Prozent legte das Marktplatzvolumen auf 76,4 Milliarden Dollar zu und der Konzernumsatz stieg um 12 Prozent auf 17,9 Milliarden Dollar.
Dennoch steht die Außenwahrnehmung - und auch die Selbstdarstellung - bei eBay ganz im Zeichen einer Krise: erst torpedierte der Investoren-Aktivist Carl Icahn die Arbeit der eBay-Führung und erreichte damit die für die zweite Jahreshälfte 2015 geplante Aufsplittung von eBay und PayPal. Einige Beobachter sprachen daraufhin bereits von eBay als Übernahmekandidaten - und dann kam es auch noch zu einem folgenschweren Sicherheitsleck. Trotz eigentlich solider Geschäftszahlen steht eBay damit heute als Sorgenkind der Branche dar, während sich der Wettbewerber Amazon trotz hoher Verluste weiterhin als E-Commerce-Überflieger präsentiert.
eBay-Chef John Donahoe verschärfte dieses Paradox nun zusätzlich mit der Ankündigung von weiteren Krisenmaßnahmen: um sich im Jahr der Konzernaufsplittung wettbewerbsfähig zu zeigen, werde eBay Kosten sparen und dafür seine globale Belegschaft um sieben Prozent bzw. 2.400 Mitarbeiter verkleinern. Zudem kündigte Donahoe einen weiteren Schritt bei der Zerschlagung von eBay an: für die Dienstleistungssparte eBay Enterprise - das erst 2011 übernommene GSI Commerce - will der Internet-Konzern die Möglichkeiten für einen Börsengang oder einen Verkauf prüfen. Es sei klar geworden, dass eBay Enterprise sowohl mit dem Marktplatzgeschäft wie auch mit PayPal nur sehr begrenzte Synergien habe, so Donahoe.
Verspielt eBay die sich bietenden Chancen?
So offensichtlich ist das allerdings gar nicht: eBay Enterprise steht mit einem 2014 erzielten Umsatzwachstum von 6 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar sowie mit einem für die Kunden abgewickelten Umsatzvolumen von 4,7 Milliarden Dollar (plus 13 Prozent) ziemlich solide dar. Und da sich eBay Enterprise strategisch auf das Thema Omnichannel eingerichtet hat, zu dem auch Marktplatzverkäufe für stationäre Handelsketten zählen, dürfte es an Synergieeffekten zur eBay-Plattform eigentlich nicht fehlen. Vielmehr scheint hier eBay - wie schon so oft in der Amtszeit von John Donahoe - kurzfristigen Impulsen nachzugeben und keine einheitliche Vision für die mittelfristige E-Commerce-Entwicklung zu verfolgen.
Dabei rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie es mit den in letzter Zeit gestarteten strategischen Initiativen von eBay weitergeht. Der E-Commerce-Konzern hatte zunehmend nicht nur den Mobile Commerce - 2014 wurde bereits ein Drittel der eBay-Käufe auf mobilen Endgeräten getätigt -, sondern auch den Brückenschlag zum stationären Handel in den Mittelpunkt gestellt. Wenn sich inzwischen große Retailer wie Media Markt und Saturn zu eBay bekennen, die Fachhandelskooperation Aetka eBay als Plattform für das Online-Geschäft ihrer Parter wählt, die Metro-Gruppe zusammen mit eBay und PayPal einen stationären "Inspiration Store" eröffnet oder Gravis die Funktion Click & Collect früher über eBay anbietet als im eigenen Onlineshop, sind das durchaus Zeichen für die Entwicklungs- und Zukunftsfähigkeit von eBay.
Auch eBay-Chef Stephan Zoll bekannte sich im Herbst 2014 gegenüber ChannelPartner zu dieser Stoßrichtung und erklärte: "Die Zusammenarbeit mit dem stationären Handel bedeutet eine Win-Win-Situation für alle." Die Kunden scheinen das Angebot von eBay jedenfalls weiterhin zu schätzen. Zwar räumt eBay in seiner aktuellen Quartalsmeldung ein, dass das im vergangenen Jahr nach der Sicherheitslücke notwendig gewordene Password-Reset teils zu Frustrationen, teils auch zum Verlust einiger Kunden geführt habe. Doch im Jahresvergleich konnte eBay seine weltweiten Nutzerzahlen um 11 Prozent auf 155 Millionen steigern. Die Potenziale sind also weiterhin vorhanden - und vielleicht hat ja US-Marktplatz-Chef Devin Wenig, der John Donahoe nach der Konzernaufsplittung im Herbst 2015 als eBay-CEO beerben wird, ein besseres Gespür dafür, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. (mh)