Wie bringt man einem Kind bei, sich die Schuhe zuzubinden? Vermutlich so, wie man es selbst gelernt hat: Entweder die "Schlange-um-den-Baum"-Methode oder die "Hasenohr-Hasenohr"-Methode. Die eigentliche Idee hinter einem solchen Schuh-Bind-"Ritual" ist, dass die Schnürsenkel zugebunden bleiben. Und genau das passiert im Arbeitsleben oft nicht. Viele von uns sind täglich genervt, weil wir immer wieder die Schuhe neu schnüren müssen. Das Internet wartet daher auch reichlich mit Tipps und Diskussionen über Alternativen zu Schnürsenkeln auf.
Aber eine Frage stellen wir uns nicht, bis wir darauf aufmerksam gemacht werden: Ist womöglich das Schuh-Bind-Ritual selbst das eigentliche Problem?
Beim Recruiting-Prozess haben wir es mit einem ähnlichen Phänomen zutun. Worum geht es dabei? Es geht darum, dass man eine ganz konkrete Position mit der richtigen Person besetzen möchte, damit die definierten Prozessschritte gut ineinander greifen und rund laufen.
Die eierlegende Wollmilchsau
Bereits beim ersten Teil-Ritual, die Gestaltung der Stellenausschreibung, kommen beim aufmerksamen Leser oft die ersten Zweifel auf. Von einer konkreten Position mit ganz konkreten Vorstellungen kann häufig wohl kaum die Rede sein. Denn gesucht wird - positions- und branchenunabhängig - in der Regel die eierlegende Wollmilchsau. Ein Spezialist, der alles andere auch können sollte.
Nehmen wir beispielhaft die Stellenausschreibung eines Programmierers, die mit einer langen Auflistung der gewünschten Programmiersprachen und technisch-fachlichen Anforderungen beginnt. Bis zu dieser Stelle ist sich der interessierte Leser sicher: Ganz klar, die suchen hier einen Dreisterne-Nerd. Eine Zeile weiter ist dann jedoch zu lesen: "ausgeprägte Teamfähigkeit und Kundenorientierung".
Stellenausschreibungen tendieren nämlich dazu, Worthülsen und eine Fülle von teils widersprüchlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten aufzulisten, die nur extrem selten in einer Person vereint sind. Eine einfache Weiterbildung in angewandter Menschenkenntnis genügt, um zu wissen: Eine starke Ausprägung der gewünschten Eigenschaft korreliert typischerweise mit einer schwachen Ausprägung einer anderen Eigenschaft. Worauf soll der Interviewer unter den vielen Variablen sein Augenmerk richten?
Rund 8,4 Millionen Deutsche nutzen regelmäßig Videokommunikation. Auch im Bewerbungsprozess setzen Unternehmen immer häufiger auf Videotechnologie, um Kandidaten zu interviewen. Die Präsentation per Video hält für Bewerber jedoch einige Fallstricke bereit. Die Experten von LifeSize zeigen auf welche Punkte Bewerber besonders achten sollten.- 1. Sich auf die Begrüßung vorbereiten
Anders als beim Gespräch vor Ort können Bewerber bei einem Termin über Video länger an ihrem ersten Eindruck feilen. Bei den meisten Videokonferenzsystemen ist der Bildausschnitt flexibel einstellbar. So können Kandidaten noch vor dem Gespräch entscheiden, ob sie in Detail- oder Ganzkörperdarstellung zu sehen sein wollen. - 2. Auf seriöse Kleidung und einen neutralen Hintergrund achten
Ein Bewerber im Jogginganzug und dreckige Wäsche im Bild hinterlassen keinen guten Eindruck. Personaler sehen Chaos in der Wohnung oft als Zeichen dafür, dass der Kandidat seine Aufgaben im Job auch nicht sorgfältig erledigt. Bewerber sollten daher auf einen neutralen Hintergrund und seriöse Kleidung achten. - 3. Für einen glänzenden Auftritt – Multimedia für sich nutzen
Viele Bewerber konzentrieren sich darauf, die Fragen der Personalverantwortlichen zu beantworten. Aber auch hier gilt: Personaler bewerten es als positiv, wenn Bewerber Flipcharts oder Powerpoint-Präsentationen zur Selbstpräsentation einsetzen. Es lohnt sich, während eines Videointerviews Dokumente über Instant Messanger, E-Mail oder die Videokonferenz-Software selbst an die Gesprächspartner weiterzuleiten bzw. zu teilen. - 4. Präsent bleiben – solange das rote Lichtlein brennt
Viele Videosysteme nehmen im 170-Grad-Winkel auf. Sie liefern einen guten Einblick in den Raum der Interviewpartner. Daher sollten Bewerber sich nie unbeobachtet fühlen: Auch wenn Bewerber in einem Videogespräch niemanden auf dem Bildschirm sehen, könnten Personaler sie weiterhin beobachten. - 5. Software mit Freunden testen
Nicht zuletzt kann die Technik dem Bewerber einen Strich durch die Rechnung machen. Schlechte Tonqualität und ein verpixeltes Bild schaden jedem noch so professionellen Auftritt. Daher sollte der Bewerber einen Testlauf mit einem Freund starten. So kann er feststellen, ob der Straßenlärm im Hintergrund stört und wie er sein Gerät ausrichten muss.
Die Probezeit wird's schon richten
Betrachten wir das zweite Teil-Ritual: Interviews werden in der Regel vom künftigen Chef der gesuchten Person und einem HR-Verantwortlichen geführt. Die unmittelbaren Kollegen bleiben meist außen vor. Künftig hat man mit dem Chef vielleicht einen Kontakt in der Woche. Mit dem HR-Verantwortlichen wohl eher einen Kontakt im Jahr, aber mit den unmittelbaren Kollegen an jedem einzelnen Tag des Jahres.Welche Zusammenarbeit ist maßgeblich für die Frage, wer unter den Bewerbern - bei gleicher Qualifikation - die "richtige" Person für die Position ist? Ob es menschlich passt oder nicht, findet man somit erst in der Probezeit heraus. Sprich, wenn es zu spät ist, weil man allen anderen abgesagt hat.
Auch das Interviewgespräch selbst besteht aus spannenden Mustern. Ich greife eins heraus: Hat der Bewerber gute Karten, wird das Interview gerne verwechselt mit einer Werbeveranstaltung für Kunden. Was dabei übersehen wird: Was hinter den Kulissen passiert, liegt für einen Kunden im Verborgenen. Im Falle eines Bewerbers jedoch sucht man einen Insider, der hinter den Kulissen arbeiten soll.
Wenn beim Bewerbungsgespräch zum Beispiel die Erwartung einer "anspruchsvollen und abwechslungsreichen Tätigkeit" geweckt wurde, die Wirklichkeit sich bald darauf als "eintönige Routineaufgaben" herausstellt, dann ist Frust und Demotivation vorprogrammiert. Was soll eine Schummelei im Bewerbungsgespräch bringen?
Ist also die Lösung eine "typ"-gerechte Stellenbeschreibung, die Einbindung der direkten Kollegen im Rahmen des Interview-Prozesses und Erwartungsmanagement? Das ist ein guter Anfang, reicht aber oft nicht aus, denn bis dato haben wir das eigentliche Problem noch nicht behandelt.