Tipps für Menschen, Gemeinden und Staat

So retten wir das Klima

08.01.2023
Die Energiewende klingt ganz einfach: Der Strom aus Wind- und Solaranlagen ist jetzt schon günstiger als der aus Kohle und Erdgas. Die nötige Speichertechnik ist bekannt. Was also ist zu tun?
Jede Solarzelle auf dem Dach trägt zur Klimaneutralität in Deutschland bei.
Foto: zstock - shutterstock.com

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Wie das gelingen kann, beschreibt Michael Sterner in seinem Buch "So retten wir das Klima - Wie wir uns unabhängig von Kohle, Öl und Gas machen". In ganz einfachen Sätzen widerlegt er Argumente, die gegen die Energiewende vorgebracht werden, und gibt viele Ratschläge für einzelne Menschen, Gemeinden und Regierungen. "Lassen Sie sich inspirieren und überraschen von den vielfältigen Lösungen der Klima- und Energiekrise, und werden Sie selbst aktiv", schreibt Sterner zu Beginn des Buches.

Er hat eine Ausbildung im Elektrohandwerk, installierte Solarzellen auf Schulen in Kenia und ist derzeit Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. Der Autor verbindet viel Wissen und Erfahrung mit einer lockeren, leichten Erzählweise.

Mythen gegen Wind- und Solarenergie

Zunächst räumt Sterner mit Mythen gegen Wind- und Solarenergie auf: Selbst bei einem Abstand von 700 Metern sei der Infraschall des Windrads viel zu schwach, um Menschen oder Bauwerken zu schaden. Ein Hektar Solarpark ersetzt laut Sterner 40 Hektar Biogasmais und müsse keine Artenwüste sein. Im Solarpark Oberndorf (Bayern) seien über 550 Tier- und Pflanzenarten gezählt worden, weil er unter anderem Insektenhotels und Totholz enthalte. Ein Windrad habe die Energie für seine Herstellung je nach Standort und Technik in drei bis sieben Monaten amortisiert, Solaranlagen nach ein bis zwei Jahren, in südlichen Breitengraden noch früher.

Die Erneuerbaren, allen voran Wind und Solar, sind laut Sterner die günstigsten Energiequellen. Auch das Speicherproblem sei zumindest technisch gelöst über Batterien, Pumpwerke und vor allem durch Gas, das mit grünem Strom erzeugt wird. Die Technik namens Power-to-Gas hat Sterner mitentwickelt. Dabei wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten und der Wasserstoff mit Kohlendioxid zu einem Erdgas-Ersatzprodukt verbunden. Die Infrastruktur, um dieses erneuerbare Gas zu speichern, sei durch das Erdgassystem vorhanden. Die Umwandlung koste zwar Energie, werde die Abwärme genutzt, erreiche sie aber Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent.

Power-to-Gas Anlagen

In Deutschland sei bislang jedoch erst ein kleiner Bruchteil der Power-to-Gas Anlagen installiert, die für eine rein erneuerbare Stromversorgung nötig seien. Dass sich Investitionen in Erneuerbare jedoch rechnen, davon ist Sterner überzeugt. Vor dem Ukrainekrieg habe Deutschland für etwa 100 Milliarden Euro fossile Energien importiert, nun sei es sogar mehr.

Eine weitere Herausforderung sei es, überhaupt genügend Ökostrom zu produzieren, der etwa auch für Wärmepumpen, E-Autos und die Wasserstoffproduktion benötigt wird. Bis 2050 brauche Deutschland die vierfache Menge des heute produzierten Ökostroms. Daher werde es Wasserstoff importieren müssen.

Lösungen aufzeigen

Dem Autor kommt es vor allem darauf an, Lösungen zu präsentieren, etwa auch für die Industrie vom grünen Stahl bis zu klimafreundlichen Ausgangsstoffen für chemische Prozesse. Allein dafür werden einige Tausend Windräder benötigt.

Nicht nur deswegen sei die vereinbarte Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland ein "Herkulesprojekt", bei dem jede Woche unter anderem 35 Fußballfelder Solarparks und 17 neue Windräder installiert werden müssten. Zudem müssten 70 Prozent weniger tierische Lebensmittel gegessen werden. "Es ist machbar, wenn alle mutig und entschlossen am gleichen Strang ziehen", schreibt Sterner. Allerdings räumt er den aktuellen Personal- und Materialmangel durchaus ein.

Stromspartipps

Sterner gibt viele Praxisbeispiele aus seinem Leben, etwa bei seiner persönlichen Strom-, Wärme-, oder Verkehrswende, verweist auf einige Schwierigkeiten und darauf, wie er sie gelöst hat. Er hat eine Menge weiterer Tipps: "Die größten Stromfresser im Haushalt sind alte Wäschetrockner." 7 bis 9 Grad im Kühlschrank und minus 15 bis 18 Grad in der Gefriertruhe reichten völlig aus. Die meiste Energie-Einsparung jedoch bringe das Dämmen der Gebäude, beginnend mit neuen Fenstern und Türen.

Oft helfe jedoch letztlich nur eine Veränderung des Lebensstils: Beim Flugverkehr könne der Klimaschaden selbst beim Einsatz von Öko-Kraftstoff höchstens halbiert werden, weil der Wasserdampf aus den Turbinen als Treibhausgas wirke.

Wer zahlt für Klimaschäden?

Die Lösung der Klima- und Energiekrise sei technisch möglich, volkswirtschaftlich sinnvoll und ökologisch absolut nötig. Warum setzen wir sie nicht um? Die Menschen "denken und entscheiden über den Geldbeutel", also kurzfristig. "Klimaschäden sind eher langfristiger Natur und weit weg", schreibt Sterner im Kapitel Bewusstseinswende. "Daher ist es so wichtig, dass die Umwelt- und Klimaschäden sich im Geldbeutel eines jeden Einzelnen und auch der Unternehmen bemerkbar machen."

Andererseits sollten nicht nur Kommunen, sondern auch Bürger finanzielle Vorteile von Erneuerbaren haben. Sterner verweist etwa auf ein Modell in Niedersachsen: Je näher man am Windrad wohne, desto günstiger sei der Strom.

Das Buch solle Inspirationsquelle und Orientierungskarte für die eigene Energiewende sein, schreibt Sterner: "Jeder hat Verantwortung für sein Handeln", privat, in der Gesellschaft und im Beruf. "Fangen Sie bei sich selbst an, dann wirken sie in die Familie, Gemeinde, Politik", appelliert er. "Bei jeder Entscheidung lassen sie sich leiten von der Frage: "Dient es dem Leben?""

Sterner hat ein positives, konstruktives Buch geschrieben. Etwas konkreter hätte er noch auf das Anpacken ungelöster Faktoren eingehen können wie etwa der geringen Kapazität zur Wasserstoffproduktion oder den aktuellen Material- und Fachkräftemangel. Insgesamt jedoch zeigt das Buch umfassende Lösungen für die Klima- und Energiekrise auf. (dpa/rs)