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IT-Dienstleister und Berater müssen sich ändern

28.05.2018 von Mario Zillmann
Auch die Beratungs- und IT-Dienstleisterbranche muss sich in ihren Strukturen, Geschäftsmodellen und Unternehmenskulturen aufgrund der digitalen Transformation massiv wandeln. Die Kunden verlangen es so.
 
  • Die Digitalisierung ist noch nicht bei allen Beratungsunternehmen Teil der Unternehmensstrategie. Viele Anbieter haben Probleme bei ihrer eigenen digitalen Transformation.
  • Vier besonders relevante Kundenanforderungen zwingen zu Änderungen: End-to-End-Beratung- und -Umsetzung; Customer Experience Services; Entwicklung und Vermarktung digitaler Geschäftsmodelle; As-a-Service-Angebote erfordern cloudbasierte Delivery-Modelle
  • Nicht alle Managementberater können alle Leistungen anbieten. Deswegen kooperieren immer mehr Management- und IT-Dienstleister.
Vor allem vier Haupttrends zeigen die digitale Transformation am deutlichsten.
Foto: frankie's - shutterstock.com

1. As-a-Service

Hier ist zunächst der Trend in vielen Branchen zu verbrauchs- und nutzungsabhängigen Modellen zu nennen, wodurch bisherige Geschäftsmodelle zumindest überdacht werden. Technologien wie Big Data Analytics, Automatisierung, Cloud und Künstliche Intelligenz ermöglichen kundenzentrische Ansätze durch flexible und innovative digitale Mehrwertdienste für bestehende analoge Produkte.

Beispielsweise beginnen sich die Automobil-OEMs im Zuge von Urbanisierung und veränderten Lebenssituationen junger Kunden immer stärker zu Mobilitätsdienstleistern zu wandeln. B-to-B-Industrieunternehmen digitalisieren immer stärker ihr Kundenschnittstellen, um ihre Vertriebskanäle nicht disruptieren zu lassen. Ebenso setzen Industrie und der Logistikunternehmen zunehmend auf digitale Plattformen, um die Produktions- und Logistikprozesse aus Qualitäts- und Effizienzgründen zu digitalisieren sowie um sich mit digitalen Services neue Wachstumsfelder zu erschließen.

Aber auch die IT-Branche ist vom "As-a-service-Trend" stark betroffen: Im IT-Outsourcing-Markt haben sich Anbieter wie AWS, Microsoft und zunehmend Google mit Infrastruktur-Leistungen aus der Public Cloud positioniert. Im Consulting sehen wir immer mehr Anbieter, die fach- und branchenspezifische Lösungen auf Basis von Cloud-Plattformen anbieten. Auf der anderen Seite ist das Geschäft mit klassischen Implementierungs- und Customizing-Umsätze endlich, da die Strategie großer Softwareanbieter wie Microsoft und SAP langfristig eindeutig in Richtung Software as a Service gehen.

2. Digital Customer Experience

Für neues Wachstum und digitale Geschäftsmodelle ist die Digitalisierung der Kundenschnittstelle eine wichtige Voraussetzung. Hier geht es einerseits um digitale Kommunikationskanäle und ihre Vernetzung untereinander sowie anderseits um die kontinuierliche Analyse der Customer Journey und dem Aufbau einer neuen digitalen Customer Journey. Allerdings haben viele Kunden laut vieler Lünendonk-Studien keine klare Vorstellung davon, wie sich Digital Customer Journey aufbauen lassen.

3. KI ist die nächste Welle der Prozessoptimierung

Neben diesen kundenzentrischen Themen bleibt die Prozessoptimierung aus Sicht von Lünendonk weiterhin ein Dauerbrenner, auf den ein signifikanter Teil der Budgets entfällt. Themen wie Prozessautomatisierung, IT-Modernisierung und Cloud Migration sind bereits seit Jahren für das Wachstum der Beratungs- und IT-Dienstleistungsmärkte verantwortlich. Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit den Möglichkeiten von Künstliche-Intelligenz-Technologien und wir sehen hier erste Prototypen.

Mittelfristig wird Künstliche Intelligenz zu einer neuen Welle von Prozessoptimierungsprojekten führen. Hier wird es zunächst sehr schnell zu einem breiten Einsatz von Robot Process Automation (RPA), zumindest in vielen Backoffice-Prozessen kommen.

4. Umsetzung von Digitalstrategien

Alle diese vorangegangen Themen stehen und fallen mit ihrer erfolgreichen Umsetzung. Dabei ist die Operationalisierung von Digitalstrategien die schwerste Aufgabe, auch weil es das breiteste Themenfeld bei der digitalen Transformation ist. Es geht unter anderem darum, die Organisationsstrukturen neu auszurichten, die Führungskräfte und Mitarbeiter für die Digitalisierung zu gewinnen, die Governance- und Compliance-Prozesse auf mehr Risiko auszurichten sowie die IT-Architekturen und Sourcingstrategien neu zu planen.

Auswirkungen der Markttrends auf die Beratungs- und IT-Dienstleister

Wie wirken sich die Digitalisierung und die mit ihr verbundenen neuen Kundenanforderungen auf die Beratungsbranche aus? Im Rahmen der Lünendonk-Studie "Business Innovation/Transformation Partner" hat Lünendonk, neben CxOs aus 121Großunternehmen und Konzernen, auch die Geschäftsführer von 25 der marktführenden Beratungs- und IT-Dienstleister in persönlich durchgeführten Tiefeninterviews befragt. In diesen Gesprächen ging es vor allem darum, wie Digitalisierung die Geschäftsmodelle und Unternehmensstrategien der Beratungen bereits verändert hat und verändern wird.

Für fast alle befragten Anbieter ist das Thema "Digital" bereits Teil des Kerngeschäfts und genießt damit hohe Priorität. Kein Wunder, wird doch mit digitalen Themen auch die Erwartung zukünftiger Umsätze verknüpft. Allerdings ist die Definition, was die Anbieter unter "digital" verstehen, sehr unterschiedlich: Während einige Anbieter alle Themen, die schon mit agiler Entwicklung zusammenhängen, bereits in einen digitalen Kontext stecken, fassen andere den Digital-Scope etwas enger und definieren ihn mit Themen rund um die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle.

Ein weiteres spannendes Ergebnis ist, dass viele der befragten Führungskräfte angaben, dass sie sich mit der Digitalisierung bzw. neuen digitalen Themen zwar intensiv beschäftigen, aber der Großteil des Geschäfts und der Unternehmensstrategie noch auf den "alten" Kernthemen basiert.

Die Digitalisierung ist noch nicht bei allen der führenden Beratungsunternehmen Teil der Unternehmensstrategie bzw. des Kerngeschäfts. Viele Anbieter haben Probleme bei ihrer eigenen digitalen Transformation.
Foto: Lünendonk-Studie "Business Innovation & Transformation", 2018

Portfolioanpassungen

Welche Veränderungen in den Anforderungen ihrer Kunden haben einen besonders hohen Einfluss auf das Portfolio und auf die aktuelle strategische Ausrichtung der befragten Beratungs- und IT-Dienstleister? Vor allem vier besonders relevante Kundenanforderungen haben die Beratungs- und IT-Dienstleister bewogen, ihre Geschäftsmodelle in den vergangenen zwei Jahren zu verändern:

So führt beispielsweise der Trend zu As-a-Service-Modellen dazu, dass Beratungs- und IT-Dienstleister sehr stark in den Ausbau ihrer Cloud-Lieferfähigkeit investiert haben. Da sich einige dieser As-a-Service-Modelle jedoch weniger auf die reine Unterstützung von IT-Prozessen als vielmehr auf Fachprozesse beziehen, steht der Ausbau von Fach- und Branchenkompetenz ebenfalls im Fokus der Investitionen der meisten Beratungs- und IT-Dienstleister.

Trend geht zu Wertschöpfungspartnerschaften

Jedes zweite befragte Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen ist bei Digitalisierungsprojekten auch bereits finanzielle Risiken eingegangen, beispielsweise für die Entwicklung und den Bau von Prototypen oder für den Betrieb von digitalen Plattformen. Als Vergütung für den Plattformbetrieb setzt sich das erfolgsabhängige Bezahlmodel immer mehr durch. So werden die Dienstleistungspartner nach Umsatz oder entsprechend den Transaktionen, die über digitale Plattformen abgewickelt werden, vergütet.

Für den Kunden reduziert ein solches Modell der Zusammenarbeit das Risiko, da dieses zwischen Kunde und Dienstleistungspartner geteilt wird. Daher haben die Dienstleistungspartner ein hohes Interesse am Erfolg der Geschäftsmodelle und sind auch um eine erfolgreiche Vermarktung bemüht. Denn erst mit zunehmendem Erfolg einer digitalen Plattform kann der Dienstleister seine Kosten amortisieren.

Als Alternative hierzu beobachten wir am Markt zunehmend Joint Ventures zwischen Kunden und Dienstleister, um digitale Lösungen zu entwickeln und zu vermarkten.

Für solche neuen Formen der Zusammenarbeit mussten die Beratungs- und IT-Dienstleister einige Veränderungen im Portfolio vornehmen:

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Strategien der Beratungen

Die Digitalisierung führt dabei aus Sicht der Führungskräfte der befragten Beratungen zu den folgenden Anpassungen der Unternehmensstrategie:

  1. Personal: Weiterentwicklung klassischer (breiter) Auswahlverfahren zur Auswahl spezifischer Fachkompetenzen

  2. Organisation: Mehr bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Eingehen von Partnerschaften und M&A, um End-to-End-lieferfähig zu sein

  3. Kundenangang: Design-Thinking-Workshops, Positionierung als Ideen- und Innovationslieferant

  4. Delivery: weitere Skalierung des Angebots über Near-/Offshore

  5. Technologiekompetenz: Zunehmender Aufbau Technologie-Partnerschaften (AWS; Microsoft, Tableau etc.) sowie Investitionen in Cloud-Solutions und Delivery-Capabilities

Wie sich Beratungs- und IT-Dienstleister künftig aufstellen müssen, um die Anforderungen an die eigene digitale Transformation zu erfüllen.
Foto: Lünendonk-Studie "Business Innovation & Transformation", 2018

Kunden stellen neue Anforderungen an Beratungs- und IT-Dienstleister

Diese geplanten Anpassungen der führenden Beratungs- und IT-Dienstleister sind alternativlos. Dies zeigen die veränderten Kundenanforderungen an externe Beratungs- und IT-Dienstleister sehr deutlich: Sehr stark in Ausschreibungen an Bedeutung gewonnen haben Beratungs- und Transformationsservices rund um die Digitalisierung der Kundenschnittstelle sowie die Entwicklung von modernen Customer Journeys und digitalen Produkten.

Es ist immer wichtiger, dass Beratungs- und IT-Dienstleister die Customer Journey der jeweiligen Endkunden ihrer Auftraggeber verstehen und darauf aufbauend Innovationen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Sie benötigen daher Kompetenzen in Customer Experience Services wie Digital Consulting, Development von Ideen (Design Thinking, Rapid Prototyping etc.), Data Analytics oder Prozessoptimierung (Automatisierung) und sollten in der Lage sein, diese Services in einem Projekt "end to end" umzusetzen.

92 Prozent der befragten Führungskräfte erwarten folglich von ihren Beratungs- und IT-Dienstleistern sogenannte Digital Customer Experience Services sowie die Fähigkeit, digitale Geschäftsmodelle mit starkem Bezug zum Endkunden zu entwickeln. In den Kontext der Digital Customer Services fallen auch Kreativ-Know-how und Kompetenzen einer Digital- und Internetagentur, die von 85 Prozent der befragten Kundenunternehmen gefordert werden.

Business Innovation/Transformation: End-to-End-Projekte nehmen zu

Infolge der zunehmenden Bedeutung von Informationstechnologien für erfolgreiche Geschäftsmodelle und effiziente Prozesse ist ein Verständnis von fachlichen Anforderungen und von Branchenspezifika eminent wichtig. Daher überrascht es auch nicht, dass 92 Prozent der untersuchten Unternehmen von ihren Beratungs- und IT-Dienstleistungspartnern eine hohe Fach- und Branchenkompetenz erwarten.

Gleichzeitig arbeitet jedes zweite befragte Großunternehmen bei Digitalisierungsprojekten bevorzugt mit einem oder wenigen Beratungs- und IT-Dienstleistern zusammen. Dieses Vorgehen fordert jedoch ein breites Portfolio, Manpower und eine hohe Steuerungskompetenz. Diese veränderten Ausschreibungsanforderungen können allerdings nicht alle Anbieter erfüllen.

So können Managementberater in manchen Kundenprojekten nicht die erforderliche IT-Umsetzung anbieten und benötigen Umsetzungspartner. Dagegen fällt esIT-Dienstleistern oft schwer, für Themen wie Industrie 4.0 oder Internet of Things konzeptionelle Ideen für das Top-Management zu entwickeln. Daher sind am Markt immer mehr Kooperationen zwischen Management- und IT-Dienstleistern zu beobachten, um gegenseitig fehlende Kompetenzen abzudecken.

Fazit

Diese vielschichtigen Anforderungen können aber nur wenige IT- und Managementberatungs-Unternehmen vollumfassend erfüllen. Daher überrascht es nicht, dass das Anbieterfeld für End-to-end-Services rund um die Innovationsentwicklung (Business Innovation) und Business Transformation überschaubar ist. Sukzessive haben einige Dienstleistungsunternehmen ihre jeweiligen Leistungsketten in den vergangenen Jahren erweitert, um ihre Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle und der notwendigen Prozessautomatisierung unterstützen zu können.

Infolge der Anforderungen großer Anwenderunternehmen an Projekte zur digitalen Transformation hat Lünendonk ein Kernportfolio entwickelt, welches Beratungs- und IT-Dienstleister erfüllen müssen, um als Business Innovation / Transformation Partner wahrgenommen zu werden.
Foto: Lünendonk-Studie "Business Innovation & Transformation", 2018

Lünendonk bezeichnet diese Gruppe von Beratungs- und IT-Dienstleistern als Business Innovation/Transformation Partner. Ihr Kernportfolio besteht aus Managementberatungs- und IT-Beratungsleistungen, Kompetenzen in der Innovationsentwicklung und im Design digitaler Lösungen, einer hohen Fach- und Branchenexpertise sowie einer hohen Umsetzungsstärke. Hinzu kommt die Fähigkeit, aus großen Datenmengen die richtigen Schlüsse ziehen zu können.

Diese Themen aus einer Hand abzudecken und im Kundenprojekt als integriertes Dienstleistungspaket liefern zu können, hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Der Grund ist der schon angesprochene Innovations- und Umsetzungsdruck, vor dem viele Anwenderunternehmen derzeit stehen und der sich in den nächsten Jahren noch weiter verstärken wird. Denn die digitalen Angreifer (Amazon, Google, Netflix etc.) haben diese Geschwindigkeit in der Umsetzung und eine hohe Anpassungsfähigkeit in ihren Strukturen fest verankert.

Weltmarkt der Business Innovation / Transformation Partner (Stichprobe), 1) Advisory-Umsätze laut Lünendonk-Liste Managementberatung, 2) Geschäftsberichte, 3) Net Sales *) Gesamtumsätze 2016 weltweit, **) Anzahl Gesamtmitarbeiter weltweit
Foto: Lünendonk-Studie "Business Innovation & Transformation", 2018

Aus Sicht von Lünendonk wird die Nachfrage der Unternehmen nach End-to-end-Lösungen besonders bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Besonders auch deshalb, weil wir bei der Umsetzung der Digitalisierung erst am Anfang stehen und auf absehbare Zeit noch sehr viel zu tun bleibt.