Microsoft, VMware, Sun, Parallels

Desktop-Virtualisierung im Vergleich

06.08.2009 von Andrej Radonic
Desktop-Virtualisierung ist stark im Kommen. Hersteller wie Microsoft, VMWare, Citrix, Sun oder Parallels bieten bereits marktreife Produkte an. Nun kommt noch mehr Bewegung in den Markt. Die vier wichtigsten Anbieter arbeiten an Updates oder haben diese gerade fertig gestellt. Sie warten mit interessanten Neuerungen auf.
Desktop-Virtualisierung ist stark im Kommen

Desktop-Virtualisierung ist stark im Kommen. Hersteller wie Microsoft, VMWare, Citrix, Sun oder Parallels bieten bereits marktreife Produkte an. Nun kommt noch mehr Bewegung in den Markt - nicht zuletzt wegen des angekündigten Typ-1-Hypervisors. Die vier wichtigsten Anbieter arbeiten an Updates oder haben diese gerade fertig gestellt. Sie warten mit interessanten Neuerungen auf.

Mit Client-Tools, die als Basis ein vollständiges Wirt-Betriebssystem benötigen ("Hypervisor Typ 2"), fing die Virtualisierung der x86-Welt Ende der 90er Jahre an. Auch wenn Client-Hypervisor vom Typ 1, die direkt auf der Hardware aufsetzen, derzeit viel Aufmerksamkeit erhalten, gehören die etablierten Virtualisierungs-Tools noch lange nicht zum alten Eisen. Die heutigen leistungsstarken PCs können den Ballast eines vollständigen Host-Systems ohne weiteres schultern und sorgen zusätzlich für flotte Ausführungsgeschwindigkeit in den virtuellen Maschinen.

Mittlerweile darf man von den Desktop-Virtualisierern einen höheren Grad der Integration mit dem Wirtssystem erwarten: USB-Anbindung im Gast zählt inzwischen ebenso zur Pflicht wie auch so genannte Shared Folders - einem virtuellen Ordner, über den Host und Gast Dateien austauschen können. Eine nahtlose Integration der Gast-Fenster in der Oberfläche des Hosts zählt dagegen noch zur Kür.

Tools für Techies

Besonders in der Programmierung, beim Testen von Software und in der Systemadministration sind diese Werkzeuge kaum noch wegzudenken. Gerade für diesen Benutzerkreis ließen sich die Hersteller immer neue Features einfallen, vom Debugging der Gastsysteme über den Zusammenschluss virtueller Maschinen (VMs) zu mehrstufigen Anwendungsumgebungen bis zum Video-Playback aller Aktivitäten im Software-PC.

Lange war VMware der einzige Anbieter eines leistungsfähigen Produkts und hat bei den genannten fortgeschrittenen Features für technisch orientierte Benutzer immer noch ein Monopol. Zwei etablierte Player, Microsoft und Parallels, schicken sich an, mit neuen Versionen den Abstand gegenüber VMware zu verringern, nachdem ihre aktuellen Produkte den Anschluss verloren haben. Als stärkster Wettbewerber von VMware tritt mit VirtualBox eine Software an, die erst mit der Übernahme durch Sun allgemein bekannt wurde. Dieses leistungsfähige System existiert auch in einer Open-Source-Version, die für die meisten Anwendungsfälle ausreichen sollte.

Parallels Workstation 2.2 für Windows und Linux

Parallels liefert mit der Workstation ein schlankes Produkt für Windows- und Linux-Desktops, welches eine Vielzahl von Windows- und Linux-Systemen virtualisieren kann. Dabei stellt die Software, die knapp 50 US-Dollar kostet, eher nur die Basisfunktionen zur Verfügung: So fehlen praktische Dinge wie Snapshots oder eine Rückgängig-Funktion, bei der Integration wird immerhin Copy und Paste zwischen Gast und Host geboten sowie Shared Folders für Windows-Gäste. Einen Nahtlos-Modus oder die Unterstützung für Image-Formate anderer Systeme sucht man jedoch vergebens.

Der Konfigurationseditor der Parallels Workstation bietet vergleichsweise nur wenige Einstellungsmöglichkeiten.

Auch die virtuelle Hardware präsentiert sich eher auf einem alten Stand: USB nur in Version 1, 3D-Grafik-Support ist nicht vorhanden. Dafür gehen die Installation der Software sowie die Generierung von Gästen flott von der Hand, wobei die Performance der Gastsysteme subjektiv im Vergleich zu den Konkurrenten abfällt.

Parallels hat dafür soeben mit Workstation 4.0 Extreme ein zeitgemäßes System auf den Markt gebracht, das 3D-Grafik in den Gästen mit direktem Zugriff auf die GPU unterstützt, bis zu 16 virtuelle CPUs verwaltet. Bislang ist die Software jedoch nur im Paket mit der HP Z800 Workstation zu haben. Auch Parallels Desktop 4.0 für den Mac ist der Windows-Version um einiges voraus.

Microsoft Virtual PC 2007 SP1

Virtual PC 2007 ist Microsofts Client-Hypervisor vom Typ 2 und kann kostenlos von der Website des Herstellers heruntergeladen werden. Das zu den Veteranen gehörende Programm virtualisiert PCs für praktisch alle Windows-Versionen und IBMs OS/2. Zwar lassen sich daneben noch eine andere x86-Systeme, darunter auch Linux, als Gastssysteme betreiben. Microsoft unterstützt diese aber nicht, und aufgrund fehlender Integration muss der Benutzer mit Komforteinbußen rechnen.

Das Programm präsentiert sich unspektakulär bis spartanisch, verrichtet aber zuverlässig und flott seinen Dienst, was auf neueren Rechnern nicht zuletzt der Unterstützung für AMD-V und Intel VT zu verdanken ist. Insgesamt ist der Funktionsumfang eher gering, es finden sich aber interssante Features wie die Unterstützung von Multimonitor-Setups in den Gastbetriebssystemen. Gegenüber dem Rest der Welt zeigt sich das System zugeknöpft: fremde Dateiformate für Images werden ebenso wenig unterstützt wie der Import oder Export in/aus Standardformaten.

Auch der Virtual PC 2007 bietet vergleichsweise wenige Optionen und Linux-Gäste wurden von Microsoft nicht offiziell eingeladen.

Ausblick auf Windows 7 und Windows Virtual PC

Mit dem Erscheinen von Windows 7 Ende des Jahres wird Microsoft auch bei der Desktop-Virtualisierung gegenüber den Konkurrenten wieder aufholen können. Allerdings bleiben auch hier Nicht-Windows-Betriebssysteme weiter Gäste zweiter Klasse. Der Nachfolger von Virtual PC 2007 heißt "Windows Virtual PC" und bringt dann Selbstverständlichkeiten wie USB-Unterstützung, Shared Folders und Copy und Paste zwischen Gast und Host mit. Hinzu kommen aber auch einige echte Neuerungen wie Multithreading für Gäste, nahtlose Publikation von XP-Anwendungen in das Startmenü sowie unter Windows 7 den XP-Modus (in der Professional- und Ultimate-Edition).

Sun VirtualBox 3

VirtualBox stammt ursprünglich vom deutschen Softwarehause Innotek, das im Februar 2008 von Sun übernommen wurde. Es ist derzeit das einzige leistungsfähige Open-Source-System und läuft auf Windows, Linux, Mac und Solaris. Es kann die Hardware für eine Vielzahl von Betriebssystemen virtualisieren, von Windows über Linux bis hin zu Solaris und etwas exotischeren Vertretern wie FreeBSD. Als einer der wenigen Virtualisierer erlaubt es sowohl auf dem Host wie auch im Gast 64-Bit-Systeme.

Neben Selbstverständlichkeiten wie USB 2.0 in der virtuellen Maschine werden bis zu 16 GB RAM in 64-Bit-Gästen unterstützt. In den VMs gibt es 3D-Grafik inklusive experimenteller Unterstützung für Direct3D 8/9, auch OpenGL 2.0 (für Windows, Linux und Solaris) wird unterstützt. VirtualBox emuliert IDE-, SATA-, oder SCSI-Festplatten (virtuell im Gast). Zudem bietet es Virtual SMP, so dass einzelnen VMs bis zu 32 Prozessoren zugeordnet werden können.

Der Autor

Andrej Radonic lebt in Köln und hat das Buch "Xen 3.2" verfasst

VirtualBox 3 ist das neueste unter den vier Systemen. Mit einer Fülle von Einstellungsmöglichkeiten kann es vielen Gastsystemen eine angepasste Umgebung bieten.

Die Integration mit dem Host ist sehr gut gelungen - neben den üblichen Shared Folders überzeugt vor allem der Nahtlos-Modus, bei dem die Gast-Fenster wie normale Fenster auf dem Wirts-System erscheinen. Das alles geschieht bei hoher Performance, so dass aus Benutzersicht kaum Unterschiede zwischen Anwendungen auf dem physikalischen und einem virtuellen System bemerkbar sind.

VirtualBox ist gegenüber anderen Systemen relativ offen: ein API steht ebenso bereit wie eine Import- und Export-Schnittstelle für das OVF-Format, mit dem sich fertige Appliances sowohl importieren als auch selbst erzeugen lassen. VirtualBox kann auch das VMware VMDK-Format und VHD-Dateien von Microsoft lesen.

Geräte wie Smartcard-Reader oder UMTS-Modems, die über USB-1.1/2.0 an den Host angeschlossen sind, lassen sich in Gäste einbinden. Über einen Filter für USB-Geräte kann die Umgebung so konfiguriert werden, dass spezifische Peripherie ausschließlich dem Host oder einem bestimmten Gast zur Verfügung steht.

Beim Management gibt es ebenfalls einige interessante Funktionen: so lassen sich die Gäste über einen integrierten RDP-Server entfernt verwalten, außerdem können sie über einen eingebauten iSCSI-Initiator via Netzwerk auf SAN-Laufwerke zugreifen und diese transparent als virtuelle Festplatte nutzen.

Abgerundet wird das Ganze durch eine übersichtliche, einfach zu bedienende Oberfläche, welche durch eine Kommandozeile ergänzt wird beziehungsweise von dieser ersetzt werden kann.

Ausführungen

VirtualBox existiert in zwei Varianten, der quelloffenen VirtualBox "Open Source Edition" (OSE), die der GPL unterliegt, und dem vollen Paket unter einer proprietären Lizenz. Letzteres kann kostenlos für den persönlichen Gebrauch oder die Evaluierung eingesetzt werden, die kommerzielle Nutzung erfordert den Erwerb entsprechender Lizenzen.

Der Open-Source-Variante fehlen folgende Funktionen:

VMware Workstation 6.5

Der Marktführer VMware bietet mit der neuesten Version 6.5 der Workstation einen Leistungsumfang, der seinesgleichen sucht. Bedienung, Management, Funktionsumfang und Integrationsfähigkeit sind über jeden Zweifel erhaben.

So findet sich auch hier die Unterstützung für eine große Zahl von Betriebssystemen, und zwar sowohl 32- als auch 64-Bit-Ausführungen. Neben VirtualBox bietet die Workstation als einziges System Virtual SMP, wenn auch nur für maximal 2 CPUs. Neben Desktop-Betriebssystemen unterstützt VMware explizit auch Windows Server 2008. Die ohnehin schon sehr gute und eingängige Bedieneroberfläche wurde weiter verbessert. Mit "Unity" bietet das Tool wie VirtualBox ebenfalls einen Nahtlos-Modus, der die Grenzen zwischen Host und Gast vergessen lässt.

Zum Lieferumfang von VMware Workstation 6.5 gehört ein P2V-Tools, das physikalische Installationen in eine VM übernehmen kann.

Mit OVF steht ein offenes Format für die schnelle Einrichtung von VMs zur Verfügung. Zusätzlich ermöglicht ein integriertes P2V-Tool (Physical-to-Virtual), dass virtuelle Systeme direkt aus vorhandenen Installationen auf physikalischen Rechnern erzeugt werden können.

Exklusive Funktionen

Große Aufmerksamkeit widmet VMware Software-Entwicklern und Testern: So gibt es eigene Debugging-Funktionen für Gäste mit einer Anbindung an Eclipse sowie MS Visual Studio sowie die Möglichkeit, Abläufe in den VMs per Video aufzunehmen und abzuspielen (Record/Replay). Dies kann beispielsweise bei der Suche nach Fehlern oder Absturzursachen von Systemen und Applikationen helfen.

Wie bei VirtualBox gibt es auch einen "Headless"-Modus, der den Betrieb von VMs ohne Oberfläche ermöglicht. Daneben existiert auch die Möglichkeit der Fernsteuerung, in diesem Fall per VNC. Eine Fernkonfiguration ist auf diesem Wege übrigens nicht möglich, dies klappt nur über die Workstation-Konsole auf dem Host.

Ein exklusives Feature von VMware besteht darin, dass sich mehrere VMs zu Teams zusammenschließen lassen, die untereinander über ein virtuelles Netzwerk verbunden sind. Entwickler oder Softwaretester können damit mehrstufige Systeme aufbauen, die sich etwa aus Datenbank- und Applikations-Servern sowie Client-PCs zusammensetzen. Bei Bedarf lässt sich die gesamte Umgebung zentral ein- oder ausschalten.

Für Unternehmen bietet VMware mittels ACE die Möglichkeit, ein Paket aus Virtualisierungssoftware und Gastsystem inklusive Anwendungen zu schnüren, das man dann beispielsweise auf einem USB-Stick weitergeben kann. Damit lässt sich ein Unternehmens-Desktop auf einem (unsicheren) PC ausführen, der nicht von der IT-Abteilung betreut wird. Ein eigener ACE-Server dient dazu, die vom Administrator erstellten Richtlinien auf allen ACE-Desktops umzusetzen. VMware Workstation kann zwar ACE-Pakete erstellen, aber für die Nutzung sind dann eigene Lizenzen zu erwerben.

Ausblick auf VMware Workstation 7

Vor einigen Wochen sind Informationen über den Nachfolger "Workstation 7" aufgetaucht. Demnach soll die kommende Version unter anderem auch OpenGL 2.1 und Shader Model 3.0 in virtuellen Maschinen mit Windows XP, Vista und Windows 7 unterstützen. Auch IPv6 und ALSA sollen berücksichtigt werden.

Fazit

VMware hat auch auf dem Desktop ernstzunehmende Konkurrenz bekommen. Hier sticht vor allem Virtualbox hervor. Schon die Open-Source-Version ist äußerst leistungsfähig und vielfältig einsetzbar. Microsoft hat den Anschluss verloren und muss auf Windows 7 warten, um sich im Markt mit vergleichbarer Leistung zurückzumelden. Parallels Workstation fällt leider gegenüber der populären und gut gemachten Mac-Variante zurück. VMware besticht insgesamt nach wie vor mit dem am weitesten entwickelten System.(Computerwoche/ws)

Eine Tabelle mit einem umfangreichen Funktionsvergleich finden Sie im Wiki der Computerwoche.