Additive Fertigung

3D-Drucker - der Einsatz birgt rechtliche Risiken

17.06.2016 von Dr. Andreas Leupold
Die Digitalisierung der Produktion hat längst begonnen und der 3D-Druck, auch als additive Fertigung bezeichnet, spielt eine Schlüsselrolle dabei. Unternehmen sollten 3D-Drucker einsetzen - und sich vorher intensiv mit den rechtlichen Risiken etwa durch Haftungsfragen oder Produktpiraterie beschäftigen.

Im vergangenen Jahr gab es kaum ein Medium, das nicht über 3D-Drucker, die Maker-Szene oder neue Anwendungsmöglichkeiten additiver Fertigungsverfahren in der Industrie berichtet hat. Dort hat die Digitalisierung der Produktion längst begonnen. Die Fertigung von Werkstücken mittels eines am Rechner erzeugten 3D-Modells ist sogar schon in der Luftfahrt Realität, obwohl dort die Qualitätsanforderungen besonders streng sind. Anfangs noch ein Verfahren für die Herstellung von Prototypen, wird der 3D-Druck im Flugzeugbau bald auch in der Serienproduktion eingesetzt.

Unternehmen sollten 3D-Drucker einsetzen - und sich vorher intensiv mit den rechtlichen Risiken beschäftigen.
Foto: Mascha Tace - Shutterstock.com

Dass etwa Airbus Anfang 2018 die ersten Jets mit additiv hergestellten Fahrwerksteilen ausrüsten will, macht deutlich, dass der industrielle 3D-Druck einen hohen Entwicklungsstand erreicht hat. Er ist weit mehr als ein Spielzeug für Privatanwender oder ein Werkzeug für Kleingewerbetreibende.

Es geht um gewerbliche Schutzrechte und Haftungsfragen

Deshalb ist es höchste Zeit, dass sich Unternehmen im produzierenden Gewerbe mit den rechtlichen Herausforderungen der additiven Fertigung befassen. Sie verändert ja nicht nur Produktion und Logistik, sie erfordert auch eine sorgfältige Gestaltung der Vertragsbeziehungen, bei der insbesondere die richtige Zuordnung gewerblicher Schutzrechte und Haftungsfragen vorausschauend berücksichtigt werden muss.

Unternehmen versprechen sich von der additiven Fertigung eine drastische Reduzierung ihrer Lagerhaltung, wird doch die Produktion von Waren auf Abruf möglich, so dass keine Ladenhüter mehr "auf Halde" hergestellt werden müssen. Verbraucher müssen nicht mehr lange warten, bis ihr Produkt verfügbar ist, sondern können "anytime und anywhere" Produkte erwerben, die individuell auf ihre Wünsche zugeschnitten sind - genau so, wie es der aktuelle Trend zur sogenannten Mass Customization fordert.

Dr. Andreas Leupold hat soeben zusammen mit Silke Glossner das Fachbuch "3D Druck - Additive Fertigung und Rapid Manufacturing" veröffentlicht. Es ist erhältlich im Verlag Vahlen und kostet 79,- Euro.
Foto: Vahlen Verlag

3D-Drucker verkürzen die Lieferketten

Außerdem hat die additive Fertigung das Potenzial, die Lieferketten vom Hersteller zum Verbraucher beträchtlich zu verkürzen da theoretisch überall dort produziert werden kann, wo Platz für einen 3D-Drucker ist. Wenn jetzt noch die Druckmaterialien vielfältiger und günstiger werden, kann es auch zu einer Rückverlagerung der Produktion aus Niedriglohnländern nach Europa ("Re-Shoring") kommen, zumal Kosteneinsparungen realistisch sind.

Anstieg der Produktpiraterie steht bevor

Unternehmen sollten nicht mehr zu lange mit dem Einstieg in die additive Fertigung warten. Und sie sollten darauf achten, dass ihr geistiges Eigentum durch Verträge geschützt ist, die den damit verbundenen - und durchaus kontrollierbaren - Risiken Rechnung tragen. Da 3D-Drucker nicht nur immer leistungsfähiger, sondern auch immer billiger werden, ist mit einem weiteren Anstieg der ohnehin schon grassierenden Produktpiraterie zu rechnen. Unternehmen müssen sich deshalb davor schützen, dass ihre Druckvorlagen und 3D-Modelle in die falschen Hände geraten. Wer in ihren Besitz gelangt, hält die Blaupause für die Herstellung zumindest äußerlich identischer Markenartikel und Industriegüter in Händen.

Druckvorlagen lassen sich einfach abscannen

Zudem kann eine 3D-Druckvorlage heute auch durch einfaches Abscannen des Originalprodukts erstellt werden. Dazu werden keine teuren Geräte mehr benötigt, sondern lediglich ein handelsübliches Smartphone und eine Anwendung wie die "MobileFusion App" von Microsoft oder die "123D Catch App" von Autodesk. Der Anbieter 3D Systems bietet für industrielle Anwendungen mit den "Capture-3D"- Scannern ein eigenes System für den Brückenschlag vom physischen Objekt zum CAD-Programm an, und handgeführte professionelle 3D-Scanner wie der "ArtecEva" erlauben die Erstellung hochauflösender 3D-Scans in wenigen Minuten.

Gefahr droht nicht nur durch Hackerangriffe von außen, sondern auch durch unzufriedene Mitarbeiter, die Druckvorlagen an Wettbewerber weitergeben. Es ist deshalb dringend anzuraten, die Druckvorlagen als die neuen Kronjuwelen zu behandeln und vor unbefugtem Zugriff durch Dritte zu schützen. Dazu gehört nicht nur der sorgsame Umgang mit den Daten und deren Speicherung in einer gut gesicherten Umgebung; auch Zulieferer, Dienstleister und Partner müssen vertraglich verpflichtet werden, die notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Daten zu ergreifen. Kommt es zu einem ungewollten Abfluss von Daten, kann die Geschäftsleitung schnell in die Haftung geraten, wenn sie nicht alle Maßnahmen zur Sicherung der Druckvorlagen ergriffen hat.

Schutzrechte zur Absicherung des geistigen Eigentums prüfen

Ist das 3D-Modell schon unbefugt kopiert worden, sind gewerbliche Schutzrechte das richtige Werkzeug zur Schadensbegrenzung oder -verhinderung. Dazu zählen neben den Urheberrechten auch Patente und Gebrauchsmuster, eingetragene Designs und Marken, die die dreidimensionale Form eines Produkts schützen. Da die meisten Produkte heute schon mittels CAD-Software konstruiert werden und die damit erzeugten 3D-Modelle künftig die Blaupause der digitalen Produktion bilden werden, sollte jedes Unternehmen prüfen, welche dieser Schutzrechte zur Absicherung seines geistigen Eigentums herangezogen werden können und welche Schritte dafür unternommen werden müssen.

Gilt es gewerbliche Schutzrechte durchzusetzen, wird man allerdings im Zeitalter der digitalen Produktion umdenken müssen: Bislang bewährte Methoden wir etwa Grenzkontrollen, die 2014 noch zur Beschlagnahmung von 35 Millionen Produktimitationen durch den deutschen Zoll geführt haben, werden an Bedeutung verlieren, wenn künftig vermehrt 3D-Modelle und somit Daten statt Waren die Grenzen passieren.

Unterlassungserklärungen lassen sich leichter durchsetzen

Dieser vermeintliche Nachteil dürfte aber durch eine andere Entwicklung mehr als aufgewogen werden. Gerade weil Piraterie-Ware künftig nicht mehr in Fernost gefertigt werden muss, sondern mittels 3D-Druckern unter Einsparung der bislang unvermeidlichen Frachtkosten in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten produziert werden kann, wird das Problem einer rechtlichen Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gegen die Betreiber der Fälschungswerkstätten entschärft. Seit Inkrafttreten der Brüssel Ia-Verordnung 115/2012 am 10.01.2015 können Urteile deutscher Gerichte auch in anderen EU-Mitgliedstaaten vollstreckt werden, ohne dass es dazu einer Anerkennung oder Vollstreckbar-Erklärung des Urteils im Zielstaat bedarf. Verlagert sich die Herstellung von Produktimitationen nach Europa, so lassen sich gewerbliche Schutzrechte, die bislang vor allem in Asien erhebliche Schwierigkeiten bereiteten, einfacher und besser durchsetzen.

Diese gewerblichen Schutzrechte spielen nicht nur dann eine wichtige Rolle, wenn es um die Abwehr von Produktpiraten geht. Die Digitalisierung der Produktion mittels 3D-Druck ermöglicht erstmals das Herstellen von Produkten sowie Bau- und Ersatzteilen, deren Produktion sich bislang wegen der damit verbundenen prohibitiven Kosten nicht lohnte.

Klären: Was macht der Zulieferer mit den 3D-Modellen?

Unternehmen, die ihre Produkte oder Bauteile von Zulieferern additiv fertigen lassen, brauchen aber auf jeden Fall klare Vereinbarungen darüber, zu welchem Zweck die 3D-Modelle benutzt werden dürfen, die sie dem Zulieferer überlassen haben, und wie viele Werkstücke damit hergestellt werden dürfen. Das mag, anders als in der IT-Branche, wo der Abschluss von Lizenzverträgen zum Arbeitsalltag gehört, für manches Unternehmen im produzierenden Gewerbe anfangs noch ungewohnt sein; bleiben diese Fragen aber ungeregelt und werden keine Rückgabepflichten für alle Druckvorlagen, Daten und Dokumente vereinbart, kann der Auftraggeber schnell die Kontrolle über die additive Auftragsfertigung verlieren.

Klären: Wer hat die Rechte an den Arbeitsergebnissen?

Wird ein Teilbereich der Produktion auf externe Dienstleister mit einschlägigem Know-how in der additiven Fertigung ausgelagert, stellt sich zudem die Frage, wer die Rechte an den erzielten Arbeitsergebnissen erhält. Nach dem deutschen und europäischen Urheberrecht stehen zwar dem Arbeitgeber die Nutzungsrechte an allen Werken zu, die in Erfüllung der Pflichten aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen wurden; das gilt aber nicht für urheberrechtlich geschützte Arbeitsergebnisse, die von freien Mitarbeitern oder externen Dienstleistern erzielt werden.

Da der industrielle 3D-Druck es oft ermöglicht, die benötigten Teile mit wesentlich geringerem Materialeinsatz und geringerem Gewicht bei gleicher oder sogar besserer Festigkeit herzustellen, werden Zulieferer, die Know-how in der additiven Fertigung aufgebaut haben, nicht selten darum gebeten, Verbesserungen an den Originalteilen vorzunehmen. Wird dann vertraglich nicht geregelt, wem die Nutzungsrechte an den urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnissen des Zulieferers oder den technischen Erfindungen zustehen sollen, die er im Zuge der Produktverbesserung gemacht hat, kann sich dies als Stolperstein bei der Verwendung und Vermarktung der verbesserten Bau- oder Ersatzteile durch den Originalhersteller erweisen und unerwartete Folgekosten nach sich ziehen.

Die Vorteile der additiven Fertigung werden sich aber nicht nur die Zulieferer der Originalhersteller, sondern auch die unabhängigen Anbieter von Ersatzteilen, die in "Erstausstatter-Qualität" liefern wollen, zunutze machen. Sie müssen verstärkt darauf achten, keine Patente oder andere Schutzrechte zu verletzen und keine irreführende Werbung für ihre kompatiblen Produkte zu betreiben, die den unzutreffenden Eindruck erweckt, es handele sich dabei um ein Originalersatzteil. Wegen der derzeit noch hohen Kosten für das in 3D-Druckern verwendete Druckmaterial kommt auch der Frage nach der Zulässigkeit des Vertriebs kompatibler Ersatzkartuschen für proprietäre Drucksysteme erhebliche Bedeutung zu. Ähnlich wie bei den herkömmlichen Tintenstrahl- und Laserdruckern entwickelt sich nun auch ein Markt für alternative Verbrauchsmaterialien für 3D-Drucker, den die Originalhersteller natürlich lieber heute als morgen untersagen lassen würden.

Unklare Haftung für gedruckte Erzeugnisse

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage nach der Haftung für Erzeugnisse, die mittels additiver Verfahren hergestellt wurden. Wer hier letztlich die Verantwortung für Produktfehler zu tragen hat, wird die Gerichte noch länger beschäftigen. Lässt etwa ein Automobilhersteller bestimmte Fahrzeugteile von einem Zulieferer additiv fertigen und kommt es bei Verbrauchern zu Personen- oder Sachschäden, weil diese Teile der Belastung nicht standhalten, kann dies unterschiedlichste Ursachen haben, die sich nicht immer ohne weiteres ermitteln lassen werden.

Beispielsweise kann das Druckmaterial mangelhaft oder ungeeignet gewesen sein, vielleicht ist dem Zulieferer auch ein Fabrikationsfehler unterlaufen. Alternativ kann die Schadensursache aber auch auf einen Konstruktionsfehler im 3D-Modell des Originalherstellers oder auf einem fehlerhaften Einbau durch den sogenannten "Assembler" beruhen, der die Bauteile im Werk zum Endprodukt zusammengefügt hat. Damit sich der Zulieferer gegenüber einem Auftraggeber entlasten kann, wird er in Zukunft eine lückenlose Dokumentation des gesamten Herstellungsprozesses vom Eingang der Druckvorlage bis zur Auslieferung des fertigen Bauteils vornehmen müssen.

Der Auftraggeber muss seinerseits darauf achten, dass er die Risiken einer ausgelagerten digitalen Produktion mit Vereinbarungen zur Qualitätssicherung reduziert, die deren Besonderheiten berücksichtigen. Außerdem müssen additiv gefertigte Produkte wie alle anderen auch den geltenden Sicherheitsanforderungen entsprechen. Für besondere Erzeugnisse wie Arzneimittel und Medizinprodukte oder auch Spielzeug gelten zudem Spezialgesetze, die Verbraucher vor besonderen Gesundheitsgefahren schützen sollen.

Marktführer USA und China

Für die deutsche Wirtschaft eröffnet die additive Fertigung die Chance, sich einmal mehr als Technologievorreiter zu etablieren. Die Marktführerschaft in der additiven Fertigung und der Entwicklung neuer Anlagen und Verfahren haben derzeit allerdings die USA, wo die Obama-Administration Fördermittel in Milliardenhöhe bereitgestellt hat. Auch China verfolgt mit seinem nationalen Plan zur Förderung der additiven Fertigung ehrgeizige Ziele.

Damit Deutschland hier nicht den Anschluss verliert, bedarf es neben der Klärung der durch den 3D-Druck aufgeworfenen Rechtsfragen und der Schaffung neuer Normen beziehungsweise Qualitätsstandards vor allem eines konsequenten Ausbaus der IT- und Netzwerkinfrastruktur in Deutschland sowie sicherer Cloud-Dienste, bei deren Entwicklung der Kryptografie eine Schlüsselrolle zukommen dürfte. Wie schon die Expertenkommission in ihrem Gutachten (PDF) zu Forschung, Innovation und Technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2015 festgestellt hat, muss die Forschung in additiven Fertigungsverfahren stärker unterstützt und der interdisziplinäre Austausch zwischen verschiedenen Fachdisziplinen gefördert werden.

Erst wenn dies auf breiter Basis geschieht, kann die digitale Produktion ihr volles Potenzial in Deutschland und Europa entfalten und der 3D-Druck zur Jobmaschine werden. Noch ist nicht allen klar, dass die additive Fertigung zahlreiche Rechtsfragen aufwirft, die sich aller Voraussicht nach nicht mit den heute geltenden Gesetzen allein lösen lassen werden. Damit die Rechtslage mit der technischen Entwicklung Schritt halten kann und die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft nicht beeinträchtigt wird, bedarf es eines engen Austauschs der Unternehmen mit dem Gesetzgeber und der Politik, in die sich auch die Ingenieure, Justiziare und Rechtsanwälte einbringen sollten. (hv)