Der Münchner Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuths, bekannt und berüchtigt geworden durch zahlreiche Abmahnverfahren, ist von dem Berliner Landgericht in zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Der Vorwurf gegen den Anwalt lautet versuchter Betrug, und das Amtsgericht Tiergarten hatte ihn deswegen in erster Instanz zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Das Landgericht Berlin bildete eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe, da Gravenreuth schon mehrere Strafen wegen Veruntreuung von Mandantengeldern und Urkundenfälschung zur Bewährung erhalten hatte. Gravenreuth wird nicht in Berufung gehen. .
Der Fall selbst: Gravenreuth hatte die Berliner Tageszeitung taz im Mai 2006 abgemahnt, da er angeblich unbestellt eine Bestätigungs-E-Mail für den taz-Newsletter erhalten hatte. Auf Antrag Gravenreuths erwirkte das Landgericht Berlin daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen die taz. Darüber hinaus wurde dreistelliger Euro-Betrag zugunsten des Anwalts festgesetzt, Die taz zahlte, musste aber kurze Zeit später erleben, dass ihre Domain gepfändet wurde. Gravenreuth behauptete nämlich, keine Zahlung von der taz erhalten zu haben.
Während die taz dagegen gerichtlich Widerspruch einlegte, ging Gravenreuth daran, die Domain zu verwerten. Nur mittels einer einstweiligen Verfügung konnte er daran gehindert werden, die taz-Domain zu versteigern.
Zudem zeigte ihn die Zeitung wegen versuchten Betruges an: Gravenreuth habe wahrheitswidrig dem Vollstreckungsgericht gegenüber behauptet, dass die taz noch nicht gezahlt habe.
Eine Durchsuchung der Münchener Kanzlei des Anwalts brachte das Zahlungs-Fax der taz an Gravenreuth zutage. Gravenreuth hatte den Eingang dieses Faxes bestritten.
Daraufhin verurteilte ihn das Berliner Amtsgericht wegen versuchten Betruges zum Nachteil der taz zu sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Gravenreuth gelangte als "Abmahn-Anwalt" zu trauriger Berühmheit in der deutschen IT-Szene. Er mahnte unter anderem Jugendliche ab, die in privaten Kleinanzeigen Computerspiele tauschen wollten. Dabei verwendete er einen üblen Trick: Er meldete sich bei den Jugendlichen als tauschwillige Schülerin "Tanja". Sobald die Angeschriebenen positiv auf deren Bitte um Software-Tausch reagierten, wurden sie wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht abgemahnt, verschiedentlich auch angezeigt.
Ebenso ging er gegen Händler vor, deren Webseite wirkliche oder vermeintliche Fehler enthielten, ferner beispielsweise im Jahr 2002 gegen die damalige Suse Linux AG wegen angeblicher Markenrechte an einer Bildbearbeitungssoftware, im Jahr 2003 gegen Linux-Guru Linus Torvalds und so weiter.
In Internet-Foren wurde das Urteil des Berliner Landesgerichtes bejubelt. (wl)