Von Prof. Dr. Axel Sikora,
tecChannel.de
Funkbasierte Anwendungen sind für den Heimbereich keine Neuigkeit. Ausgehend von der Infrarot-Fernsteuerung für den Fernsehapparat und dem funkbasierten Garagentoröffner gibt es mittlerweile eine Vielzahl von ferngesteuerten Anwendungen im Bereich der Hausautomatisierung (Home Automation). Diese reichen von der Alarmanlage, über die Heizungs-, Rolladen-, Steckdosen- und Lichtsteuerung bis hin zur Zählerfernauslesung auch von außerhalb der Wohneinheit.
In den letzten Jahren und Monaten sind eine Menge neuer Funktechnologien entwickelt worden, die nun auf den Markt drängen und versuchen, mit technischen Neuerungen einen Ausweg aus dem Wirrwarr von unterschiedlichen Funkstandards herbeizuführen. Zu den wichtigsten Standards für drahtlose Netzwerke gehört 802.11. WiMAX zu den zukunftsträchtigen breitbandigen drahtlosen Netzwerktechnologien. Die Funktechnologien Bluetooth und DECT gehören mittlerweile zum Standard.
Technische Einschränkungen
Für die meisten Funknetzwerke im Heimbereich, die bis heute auf dem Markt erhältlich waren, gelten einige einschränkende Aspekte. Diese müssen bei der Konzeption solcher Systeme berücksichtigt werden.
Beim größten Teil der Funklösungen handelt es sich um Punkt-zu-Punkt-Systeme, die keinerlei Netzwerkfunktionalität erlauben. Bestenfalls sind noch sternförmige Netzwerktopologien zu finden, bei denen mit einer Fernbedienung mehrere Geräte angesteuert werden können. Ebenso sind die meisten Systeme herstellerspezifisch (proprietär). Dies bedeutet, dass ein Gerät eines Herstellers nur mit der Fernbedienung desselben Herstellers bedient werden kann.
Viele der Systeme arbeiten nur unidirektional. Das heißt, dass die Daten lediglich in eine Richtung übertragen werden können, also von einem Sender zu einem Empfänger. Ein Funksystem kann aber nur dann zuverlässig arbeiten, wenn der erfolgreiche Empfang einer Information entsprechend quittiert wird. Hierzu sind bidirektionale Systeme notwendig.
In der Praxis erhöht man die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Übertragung oft dadurch, dass der Datenrahmen mehrfach übertragen wird. Darüber hinaus kann man in den vielen herkömmlichen Fällen, in denen ein Mensch das Ergebnis unmittelbar überwachen kann, mit einer gewissen Unzuverlässigkeit leben. Hat sich zum Beispiel das Garagentor nicht geöffnet, dann wird der Knopf halt noch mal gedrückt.
Die meisten Systeme sind funktechnisch sehr einfach gehalten, bestehen oft noch aus diskreten Schaltkreisen und haben einen hohen Platzbedarf. Ein "intelligenter" Datenaustausch ist mit solchen antiquierten Geräten in den meisten Fällen nicht möglich.
Funknetzwerke im Heimbereich arbeiten überwiegend auf Frequenzen in den unteren ISM-Bändern (Industrial-Scientific-Medical) - in Europa insbesondere in den Bändern bei 433 und 868 MHz. Da sich hier eine Vielzahl von Geräten tummeln, sind je nach technischer Ausführung Störungen dieser Funksysteme nicht auszuschließen.
Zusätzlich muss konstatiert werden, dass der gesamte Markt der Heimautomatisierung in den vergangenen Jahren deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Alle Entwicklungen in Richtung intelligentes Haus, wie zum Beispiel das InHouse des Duisburger Fraunhofer Instituts IMS, haben zwar die technische Realisierbarkeit gezeigt, aber dennoch nicht die erhoffte und auch nicht die notwendige Marktdurchdringung erhalten. Grund: Es fehlen die herstellerübergreifende und die Wertschöpfungskette umfassende Durchgängigkeit ebenso wie die Marktakzeptanz.
Grundsätzliche Neuerungen
Trotz gewisser technischer Einschränkungen der Funknetze im Heimbereich sind bei den Neuentwicklungen der letzten Jahre wesentliche qualitative und technische Veränderungen feststellbar. Neben den einfachen Netzwerktopologien kommen in zunehmendem Maße nun auch vermaschte und Multi-Hop-Topologien zum Einsatz. Unter "Vermaschung" (Meshing) versteht man im Zusammenhang mit Funknetzen die Fähigkeit, dass ein Gerät mit allen Geräten, die sich in seiner Umgebung befinden, unmittelbar kommunizieren kann. Mit einer Multi-Hop-Fähigkeit hat ein Gerät die Möglichkeit, zwischen zwei Endknoten auch dann zu kommunizieren, wenn keine unmittelbare Funkverbindung existiert. Dann muss der Datenverkehr von anderen Zwischenknoten weitergeleitet werden. Für eine solche Funktionalität sind Repeater- oder Routerkonzepte nötig. So ein Funknetzdesign beinhaltet einen wesentlichen Mehrwert, ist aber auch mit einem deutlichen Anstieg der Komplexität und Kosten verbunden.
Allerdings sind Multi-Hop-Topologien nur mit bidirektionalen Systemen sinnvoll nutzbar, da damit eine "intelligente" Kommunikation zwischen den Geräten möglich ist. Zusätzlich kann durch die Nutzung von Empfangsbestätigungen (Acknowledgements), wie sie ja auch bei WLAN vorgesehen sind, die Zuverlässigkeit von Datentransfers zwischen den Funksystemen deutlich erhöht werden.
Auf die Interoperabilität der Systeme wird immer größere Aufmerksamkeit gelegt. Dies setzt nicht nur identische Funkschnittstellen, sondern auch identische Anwendungsprotokolle voraus. Die Standardisierung solcher Funksysteme gewinnt somit eine immer größere Bedeutung. Zusätzlich spielt die Zuverlässigkeit insbesondere bei den Systemen eine große Rolle, bei denen Funkknoten ohne menschliche Interaktion miteinander kommunizieren (Machine-to-Machine-Communication).
Immer mehr monolithisch integrierte Funkchips (RF-Transceiver) sind kostengünstig verfügbar. Neben der geringeren Stromaufnahme und dem geringeren Formfaktor erlauben sie in der Regel auch eine deutliche Reduzierung der Gesamtkosten. Solche Transceiver sind mittlerweile auch in Standardtechnologien für immer höhere Frequenzen verfügbar. Insbesondere können heute 2,4-GHz-Funksysteme kostengünstig integriert werden. Hierdurch stehen immer größere Bandbreiten für den drahtlosen Datenaustausch im Heimbereich zur Verfügung.
Schließlich und endlich - und das wurde bei den vorherigen Aspekten ja auch immer wieder angesprochen - lassen sich mit modernen, hochintegrierten Schaltkreisen sehr kostengünstige Systeme aufbauen. Und so gilt hier ebenfalls die banale Grundregel, dass eine Technologie in umso mehr Anwendungen Eingang findet, je günstiger sie realisiert werden kann.
Routing-Technologie
Die Weiterleitung der Daten mithilfe von Repeatern oder Routern ist ein wesentliches Element für den umfassenden Einsatz von Funknetzen. Das bezieht sich nicht nur auf den Heimbereich, sondern auch besonders auf die Anwendungen der Industrie- und Gebäudeautomation.
Zum einen kann die wirksame Reichweite der Systeme deutlich erhöht werden. Dies ist umso wichtiger, je höher die Arbeitsfrequenzen der Systeme sind. Denn die Ausbreitungscharakteristik, vor allem im sogenannten Indoor-Bereich, verschlechtert sich mit höheren Frequenzen bei gleichen Sendeleistungen zunehmend. Und bereits heute ärgert man sich oft genug darüber, dass die Reichweite der Sender durch Wände und insbesondere Stahlbetondecken deutlich begrenzt wird.
Zum anderen kann man mithilfe von autonomen Routing-Algorithmen auch die Zuverlässigkeit der Funksysteme erhöhen. Steht eine Funkstrecke oder ein Zwischenknoten nicht mehr zur Verfügung, kann das Datenpaket den Zielknoten auch über einen alternativen Pfad erreichen. Dies gilt auch dann, wenn der direkte Pfad nicht mehr zur Verfügung steht. Die aus ganz einfachen Funksystemen bekannten Repeater-Konzepte, die ungerichtet den Verkehr weiterleiten, sind nur für sehr kleine Netze realistisch, da der Verkehr im Netz exponentiell mit der Anzahl der Repeater zunimmt.
Die Entwicklung leistungsfähiger Routing-Algorithmen und -Protokolle ist bereits seit Jahren ein Thema für die Forschung und Entwicklung. Vor dem Hintergrund der immer wieder unterschiedlichen Anwendungsanforderungen in Bezug auf Echtzeitverhalten, Grad der Gerätekopplung, Dynamik des Netzes, Zuverlässigkeit und Sicherheit stellen die Hersteller fest, dass für kostenoptimierte Systeme die Entwicklung neuer Verfahren sinnvoll und notwendig ist.
Produkte und Technologien
Die großen Halbleiter- und Systemhersteller haben den wachsenden und zukunftsträchtigen Markt längst erkannt und versuchen, sich rechtzeitig in Position zu bringen. Dies führt auch zu immer mehr unterschiedlichen Technologieansätzen und zu einem insgesamt recht unübersichtlichen Marktgeschehen.
Leider ist dies - bezogen auf den gesamten Markt - eher kontraproduktiv, da die angestrebte Vereinheitlichung der Netze und die damit erreichbaren Stückzahlen für die gesamten Technologien so nicht erreicht werden können.
Die folgenden Abschnitte stellen drei wichtige Marktteilnehmer vor, die ihrerseits sehr unterschiedliche Produkt- und Technologieansätze verfolgen. Das sind im Einzelnen ZigBee, Z-Wave und EnOcean. Eines haben alle diese Technologien gemeinsam: Sie bauen auf den allgemeinen Standard IEEE 805.15 auf.
Die IEEE-802.15- Arbeitsgruppe
Die Arbeitsgruppe 802.15 kümmert sich im Allgemeinen um Wireless Personal Area Networks (WPAN), die Projektgruppe 4 um Low-Rate Wireless PANs. Die Basisversion des IEEE 802.15.4 wurde im Oktober 2003 verabschiedet und steht auf der IEEE-802.org-Homepage zum Download zur Verfügung. Er hat sich als übergreifender Standard herausgestellt, der auf außerordentlich große Akzeptanz stößt und auf den zahlreiche Protokolle auf der Netzwerk-, Transport- und Anwendungsebene aufbauen.
In zwei anderen Arbeitsgruppen, 802.15.4a und 802.15.4b, werden gegenwärtig weitere Features aus dem Bereich der Sicherheit und des Netzwerkmanagements und auch zusätzliche physische Übertragungsmechanismen erarbeitet. Hier reichen die unterschiedlichen Entwicklungsrichtungen von höheren Bandbreiten im Sub-Gigahertz-Bereich über Chirp Spread Spectrum (CSS) bis hin zu Ultra-Wide-Band-(UWB)-Ansätzen.
Der ZigBee-Standard
Die "ZigBee-Technologie" ist aus den Aktivitäten um den gescheiterten WLAN-Wettbewerber HomeRF hervorgegangen und seit 2001 in der IEEE-Arbeitsgruppe 802.15.4 beziehungsweise seit 2002 in der ZigBee-Alliance aktiv. Die ZigBee-Alliance ist im Bereich der Short Range Wireless Networks weiterhin die Vereinigung, die das größte Interesse und die größte Community auf sich vereinigt. An vielen Stellen wird der Begriff ZigBee als Synonym für diese Netze verwendet. Der Name "ZigBee" leitet sich übrigens ab von dem Zickzack-Tanz der Biene, die auf diese Weise ihren Artgenossen den Weg zur nächsten Nahrungsquelle mitteilt. Auf ähnliche Weise werden die Daten dann durch das Netz geleitet.
Die erste Version des ZigBee-Standards wurde nach vielen Diskussionen im Dezember 2004 verabschiedet. Sie deckt im Wesentlichen die Netzwerk- und die Anwendungsschicht ab. Hiermit erlaubt der ZigBee-Standard auf der Netzwerkebene die Verwendung von vermaschten und autonom gerouteten Netzwerken. Die Vereinheitlichung der Anwendungsebene erlaubt potenziell die Interoperabilität zwischen verschiedenen Herstellern. Zusätzlich wird eine sehr aufwändige, aber komplette Security-Funktionalität beschrieben.
Der ZigBee-Ansatz zeichnet sich durch einen sehr frühen Start und durch einen sehr breiten, herstellerübergreifenden Ansatz aus. Dies führt allerdings leider auch mancherorts zu deutlich verlangsamten Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen, sodass schlankere, herstellerspezifische Alternativen am Markt gegenwärtig ebenfalls erfolgreich sind. Nichtsdestoweniger stehen für IEEE-802.15.4- und ZigBee-konforme Entwicklungen zahlreiche Produkte großer Hard- und Softwarehersteller zur Verfügung.
Die Z-Wave-Technologie
Z-Wave ist eine zunächst proprietäre Technologie des US-dänischen Herstellers Zensys A/S, die zunehmend versucht, im Rahmen einer übergreifenden Z-Wave-Alliance einen allgemeinen Status zu erlangen. Die Technologie basiert auf einem vorgegebenen IC und baut darauf ebenfalls mit den höheren Protokollschichten auf.
Der zentrale Bestandteil der Z-Wave-Technologie ist ein Zwei-Wege-Kommunikationsprotokoll mit Mesh-Netzwerkfunktionalität. Die Bandbreite beträgt 9,6 Kbit/s. Um trotz Signalstörungen (Noise, Distortion) eine sichere und zuverlässige Datenübertragung zu gewährleisten, besitzt Z-Wave ein Zwei-Wege-Acknowledgement und ein festes Frame-Format sowie einen Random-Back-Off-Algorithmus.
Der Ansatz von Z-Wave ist insgesamt sehr schlank und effizient gehalten. Bislang haben verschiedene Hersteller für den Heimbereich diese proprietäre Technologie gewählt. Da bislang die Zertifizierung noch nicht sehr streng gehandhabt wurde, steht die Interoperabilität für die meisten Produkte noch aus.
EnOcean-Technologie im Detail
Einen komplett neuartigen Ansatz verwendet die deutsche Firma EnOcean, die als Spin-off aus der Siemens-Forschung hervorgegangen ist. Diese hat sich insbesondere dem Thema der Energieversorgung gewidmet, da es auch bei langen Batteriestandzeiten im Bereich von einigen Jahren als Problem erkannt wurde, wenn Hunderte von batteriebetriebenen Funkknoten im Haus installiert sind. Deswegen haben die Ingenieure von EnOcean Energiewandler entwickelt, die die Wandlung von Energie aus der Umgebung erlauben. Die gegenwärtig wichtigste Komponente ist ein piezoelektrischer Druckwandler, der zum Beispiel in einem völlig autonomen Lichtschalter eingesetzt werden kann und Batterien komplett überflüssig macht.
Diese Wandler werden mit einer speziellen Funktechnologie ausgestattet, die mit den sehr kleinen Energieportionen haushälterisch umgeht. Mit diesem Ansatz hat sich das Unternehmen einen weltweiten Marktvorsprung herausgearbeitet und ist momentan der einzige Hersteller, der solche Produkte in Stückzahlen liefern kann.
Ein EnOcean-Funkmodul kann mit nur 50 *Ws ein Signal über eine Entfernung von 300 Metern übertragen. Die Lösung des Geheimnisses liegt in der Signaldauer. Denn der gesamte Prozess wird ausgelöst, durchgeführt und abgeschlossen in maximal einer Millionstel Sekunde. Die Module arbeiten auf dem lizenzfreien 868,3-MHz-Band.
Für die Datenmodulation verwendet der Hersteller die inkohärente Amplitudenmodulation (ASK). Diese digitale Amplitudenmodulation gewährleistet die Implementierung von energiesparenden Sendemodulen, da lediglich die einzelnen Bits übertragen werden. Darüber hinaus besitzt die EnOcean-Technologie eine geringe Kollisionswahrscheinlichkeit, da die Datenpakete in zufälligen Intervallen gesendet werden.
Fazit und Ausblick
Trotz der wesentlichen Fortschritte auf dem Gebiet der kleinen Funknetzwerke bleibt eine Reihe von technischen und organisatorischen Herausforderungen, die in der Zukunft gelöst werden müssen:
Die vorgestellten Technologien und ihre proprietären Geschwister sind allesamt nicht interoperabel. Vor allem bieten sie auch keine Schnittstellen für eine sinnvolle Zusammenarbeit, sodass eine Verschaltung nur auf der aufwändigen Gateway-Ebene (Layer 7) möglich ist. Zusätzlich verfügen die kleinen Funkknoten über sehr eingeschränkte Benutzerschnittstellen. Dies macht die Inbetriebnahme der Produkte manchmal sehr unhandlich.
Die Sicherheit von Funkübertragung ist eine wesentliche Voraussetzung für einen umfassenden Markterfolg. Leider wird dieses Thema bislang meist vernachlässigt. Selbst wenn kryptografische Verfahren von den Technologien vorgesehen sind, werden diese von den Produktherstellern nur selten genutzt.
Ein wichtiger Aspekt von Funknetzen entsteht auch durch übermäßige Nutzung dieser Technologien. Je mehr Funksysteme sich die lizenzfreien ISM-Bänder teilen müssen, desto mehr nimmt deren Auslastung zu. Die Koexistenzproblematik wird hierdurch immer kritischer.
Dieser Beitrag stammt von tecChannel.de, dem Webzine für technikorientierte Computer- und Kommunikationsprofis. Unter www.tecChannel.de finden Sie weitere Beiträge zu diesem Thema.