Es klingt abgedroschen, ist aber vielfach dennoch wahr: Alle Probleme bergen auch neue Möglichkeiten in. Aus Sicht von Cisco gilt das auch für den diesjährigen Partner Summit. Es ist der 25. des Herstellers und hätte etwas Besonderes werden sollen - wurde es dann aufgrund COVID-19 unfreiwillig aber ganz anders als zunächst gedacht.
Elisabeth De Dobbeleer, eine Cisco-Veteranin, die im März 2020 die Verantwortung für den Cisco-Channel in der Region EMEAR übernommen hat, sieht das jedoch positiv: "Wir hatten uns darauf eingestellt, vielleicht 2.500 Partner vor Ort in Las Vegas oder einem anderen schönen Platz zu treffen", erklärt sie in einer virtuellen Presseveranstaltung zum Auftakt des Cisco Partner Summit 2020. "Das hat bekannter Weise nicht geklappt. Nun haben wir die Möglichkeit, durch unsere virtuelle Veranstaltung mit über 10.000 Partnern aus 149 Ländern in Kontakt zu treten. Das ist doch auch eine schöne Gelegenheit."
Gesprächsbedarf mit einem großen Publikum gibt es genug. "Wir haben unser Partnerprogramm in der ihm vor zehn Jahren gegebenen Form immer weitergeführt", so De Dobbeleer. Natürlich habe es Ergänzungen und Anpassungen gegeben, aber die Grundzüge seien gleich geblieben. De Dobbeleer betont, dass es sich dabei nicht um Bequemlichkeit, sondern um Konstanz, Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit gehandelt habe. Nun sei es jedoch an der Zeit, das Partnerprogramm gründlich umzustellen, damit es die Anforderungen der nächsten Dekade erfüllt oder - wie es das Motto des Partner Summit 2020 schon vorgibt - Cisco und Partner "Future ready" werden.
Vier neue Partner-Kategorien
Im Zuge der Neustrukturierung führt Cisco zwölf gewachsene Einzelprogramm in vier neuen zusammen. Cisco-Partner sind künftig Integrator, Provider, Developer oder Advisor. Die bisherigen Partnerstufen Gold, Premier und Select bleiben - sofern sie bereits bestanden - weitgehend erhalten. "Integratoren" sind künftig mehr oder weniger alle klassischen Cisco-Partner, die ihre Kunden mit Produkten beliefern, diese implementieren und Kunden bei der Weiterentwicklung ihter IT-Infrastruktur beraten. Hier stellt Cisco künftig die Business-Spezialisierungen in den Vordergrund und will das Angebot für Premier- und Select-Partner verbessern. Andererseits sollen die Anforderungen geringer und übersichtlicher werden.
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Aus CMSPs (Cisco Managed Service Providern) werden in den kommenden Monaten künftig schlicht Provider. Für sie führt Cisco das Partner-Level Gold neu ein. Die Bezeichnung CMSP gibt der Hersteller dann zu Beginn des Fiskaljahres 2021 auf. Hier - wie bei den anderen Änderungen - ist De Dobbeleer das begleitende "Change Management" sehr wichtig. Die Partner sollen keinesfalls überfahren werden, sondern sich gut auf die jeweiligen Änderungen vorbereiten können. Das zeigt sich auch daran, dass die aktuellen Ankündigungen schrittweise von jetzt bis in 18 Monaten umgesetzt werden sollen.
Dritte Partnerkategorie sind künftig "Developer". "Viele unsere Partner entwickeln schon lange Lösungen auf Basis von Cisco-APIs. Das wollen wir künftig aber stärker unterstützen", erklärt De Dobbeleer die Einführung dieser Kategorie. Ähnliches gilt für die Partnerkategorie "Advisor". Auch hier gib es schon zahlreiche Partner, sie hatten aber bislang keinen richtigen Platz im Rahmen des Channel-Programms. Das soll sich nun ändern. Etwas kompliziert ist das, weil Berater oft zusätzlich mit einem anderen Partner in einem Projekt involviert sind oder sogar den Cisco-Partner unterstützen. Aber auch hier will Cisco mit der Neuformulierung des Partnerprogramms Möglichkeiten anbieten, diese Szenarien abzubilden.
Partner Experience Platform startet am 30. November 2020
Flankierend führt Cisco eine neue digitale Plattform zur Koordination und Abwicklung der Zusammenarbeit mit den Partnern ein. Sie heißt "Partner Experience Platform" (PXP). Sie wird ab 30. November 2020 allen Partnern weltweit zur Verfügung stehen und "bietet alle Tools und Ressourcen, die Partner bei der Zusammenarbeit mit Cisco benötigen", so das Unternehmen. Zum Beispiel können Partner darüber ihre Zertifizierungen und Performance-Daten einsehen, gemeinsame Wachstumsmöglichkeiten mit Cisco identifizieren oder an Promotions teilnehmen.
Damit ist die Plattform - auch wenn sie als große Neuerung angekündigt wurde - letztlich doch nur die Fortschreibung der bisherigen Möglichkeiten. Sie liegt - soweit sich das auf den ersten Blick beurteilen lässt - im Bereich dessen, was auch andere führende Hersteller in den vergangenen Monaten angekündigt haben und was zumindest größere Partner von ihren Herstellern heute erwarten.
In einer weiteren Session ging José Van Dijk, VP of Partner Performance and Operations der Global Partner Organization von Cisco, auf die Entstehungsgeschichte von PXP ein. So reichen die Anfänge dieser digitalen Verknüpfungsplattform fast ein Jahr zurück – zu dem im November 2019 physisch abgehaltenen Cisco Partner Summit.
Damals beschloss Cisco, die neue Partner Experience Platform zu entwickeln. Ein Partner Advisory Board bestehend aus 50 weltweit verteilten Top-Cisco-Partnern war laut Van Dijk stets in den PXP-Entwicklungsprozess involviert: „Es gab zahlreiche Sessions und wir sammelten das Feedback unserer Partner kontinuierlich ein“, so die Cisco-Managerin.
So wünschten sich Partner vor allem ein einfach zu nutzendes Tool, und hier setzten die Cisco-Entwickler an. Es galt bestimmte Aufgaben beim Design der Partner Experience Platform auf Wunsch des Partner Advisory Boards zu priorisieren, andere Tasks mussten zurückbleiben. „Das war für uns eine sehr herausfordernde Aufgabe“, erinnert sich Van Dijk. Denn hinter PXP steckt eine Menge ziemlich komplexer Prozesse, mehr als 100 Tools sind dort integriert.
Business Resiliency, Agile IT und Lifecycle Transformation
Im Kontext der PXP-Ankündigung deutete De Dobbeleer an, dass Cisco bei der Abwicklung verbrauchs- und nutzungsbasierender Modelle über die Partner in nächster Zeit noch deutlich nachlegen wird. Um die Profitabilität hochzuhalten und für Kunden weiterhin als relevanter Partner wahrgenommen zu werden, rückt der Hersteller den Fokus stärker auf "Lifecycle Transformation", also wohl die kontinuierliche und oft wohl auch sehr branchenspezifische Weiterentwicklung der Kunden. Dazu müssen jedoch auch die Partner besser verstehen, was ihre Kunden voranbringt und welche Cisco-Produkte und -Services dabei helfen können.
Zwei Themen, bei denen das gut gelungen ist, wo aber noch Verbesserungsbedarf besteht, sind laut De Dobbeleer Business Resiliency und Agile IT. "Beide haben wir schon behandelt, durch Corona wurden sie aber noch deutlich wichtiger", so die Cisco-Managerin. In Bezug auf Agilität legt sie den Partnern die Cloud-Services von Cisco ans Herz.
Hier tut sich auch technisch einiges. Der Hersteller hat mit dem eigenen Cloud-Orchestrierungs-Tool "Intersight" und dem selbst entwickelten "Nexus Dashboard" neue Software vorgestellt, die den IT-Betrieb in firmeneigenen Rechenzentren und Multi-Cloud-Umgebungen vereinfachen soll. Für sicheren Netzwerkzugriff über alle Domänen hinweg soll das ebenfalls neue Angebot Cisco Identity Services Engine (ISE) sorgen. Diese sieht Cisco als Erweiterung des Konzepts des Zero-Trust-Workplace auf die gesamte Infrastruktur.
Auch Cisco wird Multi-Cloud-Enabler
"Wir sind und bleiben relevant, weil es wir Kunden die Nutzung mehrerer Clouds erlauben", sagt dazu Gordon Thomson, Vice President, Technology Acceleration für EMEAR bei Cisco. Als Belege führt er die Cloud-Orchestrierung mit Insight aber auch die noch einmal verbesserten Möglichkeiten von AppDynamics und den Zukauf der Firma ThousandEyes an. "Das alles sorgt dafür, dass Verfügbarkeit und Performance stimmen", so Thomson.
Man werde den Fokus nun wirklich die Cloud legen, versichert Thomson. Damit untrennbar verbunden sei die Frage, wie sich die Infrastruktur einfacher und zugleich effizienter machen lässt. "Es ist recht einfach, eine Anwendung in der Cloud bereitzustellen. Aber die Frage ist, wie sich diese Anwendung nicht nur an Geschwindigkeit und Kosten ausrichten, sondern auch soweit optimieren lässt, dass Nutzer nicht nur zufrieden, sondern beglückt sind", gibt Thomson die Richtung vor.
Mit dem zugrundeliegenden Problem hat Thomson sicher recht. Auch der Versuch, den schon etwas abgegriffenen Begriff "Kundenzufriedenheit" noch einmal zu toppen, ist nachvollziehbar und zeigt den Anspruch, den Cisco eigentlich schon immer hat, Premium-Anbieter zu sein. Zumindest für den deutschen Sprachraum, müsste man sich aber noch eine andere Begrifflichkeit als "beglücken" einfallen lassen. Für den Austausch dazu wäre wiederum eine echte Partnerkonferenz vor Ort sicher hilfreich gewesen. Aber letztlich soll es am Begriff nicht scheitern - Cisco hat seinen Partnern wieder einmal aufgezeigt, dass es sowohl Trends setzen als auch Trends aufgreifen kann. Gerade auch in schwierigen Zeiten.
In seinem Abschuss-Statement betonte Oliver Tuszik, SVP Global Partner Organization bei Cisco, dass er viel lieber live auf der Bühne gestanden und zu seinen Partnern gesprochen hätte, er sah aber auch die Vorteile eines rein digital abgehaltenen Channel-Events: "Wir haben so viele Partner erreicht wie noch nie!"